Ivo Hentschel und seine Arbeit als 1. Kapellmeister des Staatstheaters
Im Musical „Sugar (Manche mögen’s heiß)“ stand und steht Ivo Hentschel wieder am Dirigentenpult des Philharmonischen Orchesters des Staatstheaters. In einer Inszenierung, die aus einem ungeheuer beliebten, aber bestenfalls mittelmäßigen Stück eine wunderbare Show macht, führt er das Philharmonische Orchester zu höchsten Leistungen. Wenn einer sagt: „Das muss man gehört und gesehen haben.“, dann hat diese Stimme neben Regisseur Klaus Seiffert auch Ivo Hentschel ausgelöst.
Er hat sicher glückliche Händchen für die Operette. In ihnen lag schon die Gräfin Mariza. Ist es vielleicht Wiener Blut, das in seinen Adern zirkuliert? Man könnte es meinen, wenn man weiß, dass die Mutter Wienerin ist. Das sei es nicht, sagt Ivo Hentschel. Zwar habe er Zugang zur Wiener Mentalität, aber das liege sicher nicht in den Genen. Für viel interessanter, seine jetzige Wirkungsstätte Cottbus betreffend, halte er da die sächsische Geburt seines Vaters mit sorbischen Wurzeln. Ja, er habe hier ein Zuhause gefunden und ist noch heute jenem ihm Unbekannten dankbar, der ihn den Cottbusern empfohlen hat. „Die Einladung zum Vorspiel kam ganz unvermittelt. Und schneller als ich denken konnte, war ich Cottbuser.“
Mehr als auf die Gene setzt Hentschel auf die Erfahrungen. Und wer ehrfürchtig den Hut vor einem Dirigenten zieht, weil der einen ganzen Abend lang 70 bis 80 Musiker mit ungeheurem und unterschiedlichem Kreativpotential bändigt, erfährt von ihm, dass der Abend nur so einen kleinen Teil – er zeigt es mit Daumen und Zeigefinger, die keinen Zentimeter voneinander entfernt sind – von der gesamten Anstrengung ausmache. Er ist ein Mann des Stils, der Echtheit, einer, der den Klang eines Stückes vor Hunderten von Jahren heute wiederherstellen will. Es mache ihm Spaß, sagt er, „die stilistische Eigenart einer Epoche heute wieder aus einem Orchester heraus zu kitzeln“.
Sind nicht dazu die Partituren da? Ivo Hentschel: „Ach, die Partituren! Ein Laie kann sich nicht vorstellen, wie wenig in einer Partitur steht. Alle Komponisten in allen Epochen haben ihre eigene Art, Musik aufzuschreiben. Händel hat eigentlich nur Skizzen hinterlassen. Aus ihnen muss sich der Dirigent zur Idee des Komponisten durchfinden, um sie dem Orchester zu übermitteln. Wenn alle Orchestermitglieder nach der Originalpartitur spielen müssten, würde eine arge Kakophonie entstehen.“
Ivo Hentschel also, als er in Cottbus die „Alcina“ dirigierte, nein, bevor er sie dirigieren konnte, musste er zu Händels verlängertem Arm in die Gegenwart werden. „Ich muss dem Orchester vorgeben: Wo wollen wir hin? Wir haben ja ein ganz, ganz tolles Orchester, auf das Cottbus stolz sein kann. In ihm wirken zahlreiche hervorragende Musiker, die auch stilistische Vielfalt glänzend bewältigen. Sie müssen diese Wegstrecke (Wo wollen wir hin?) kennen, um sie mit ihren und dem Publikum unverzichtbaren kleinen Freiheiten zu veredeln.“
Schnell ist Hentschel wieder bei „Sugar“. Er nennt das Musical ein „wunderbares Beispiel für den Broadway der 70er Jahre“. Wer es musikalisch gestaltet, muss zur „Mischung aus Big Band und Orchester“ finden. Übrigens bliebe auch hier die Partitur im Skizzenhaften, fordere heraus, etwas Originales mit Eigenem zu schaffen.
Klaus Wilke
Foto: Marlies Kross
Infos: „Sugar“ ist wieder zwischen dem 01. und 17.09. an sechs Abenden im Großen Haus zu sehen. Schon jetzt gibt es dafür Karten im Besucherservice, Dienstag bis Freitag von 11 bis 15 Uhr, ab 29.08. zu den regulären Zeiten. Am 05.11. gibt es die Premiere der Opera bouffe „Ritter Blaubart“ von Jacques Offenbach unter der musikalischen Leitung von Ivo Hentschel.