Eine Sache die Schule macht

0

Cottbuser Initiative „Hey, Alter!“ verschenkt PCs und Laptops an Schüler

Kaum zu glauben, aber dennoch wahr! Im digitalen Zeitalter, in dem ohne Smartphone und Tablets fast gar nichts mehr geht, gibt es Kinder und Jugendliche, die keine Möglichkeit haben, am Homeschooling mit geeigneten Geräten teilzunehmen. Die Aktion „Hey, Alter!“ ist eine bundesweite Initiative, die in Braunschweig ihren Ursprung gefunden hat und ziemlich simpel ist. Alte Rechner von Institutionen, Unternehmen und von privaten Haushalten werden eingesammelt, fit gemacht und an Schüler und Schülerinnen verteilt, die noch nicht oder nur eingeschränkt an e – Learning teilnehmen können. Seit Ende Dezember nun gibt es diese Aktion auch in Cottbus und der Erfolg und leider auch der Bedarf sprechen für sich. Verantwortlich für diese Aktion ist Benjamin Andriske, Vater einer zweijährigen Tochter und Herausgeber des Online-Nachrichtenportals „Niederlausitz Aktuell“.

Wie bist du auf die „Hey, Alter!“ Aktion aufmerksam geworden?
Ich habe Mitte Dezember 2020 den Post einer Bekannten bei Facebook gesehen, die ich über Rotaract (Jugendorganisation von Rotary) kenne und die in Braunschweig lebt. Dort ist bereits im April 2020 die Aktion „Hey, Alter!“ gestartet. Ich fand es eine pragmatische, wie zielführende Idee um schnell konkret helfen zu können, hab mich mit den Machern in Verbindung gesetzt, noch vor dem Start der Aktion mit Christian Hanisch, einem Schulfreund, gesprochen, ob er mit dabei ist. Er ist neben dem Beruf ehrenamtlich im FabLab Cottbus, einer Mitmachwerkstatt tätig, und konnte sowohl Räumlichkeiten für Lager und Werkstatt, als auch sein technisches Know-how zur Verfügung stellen und dann ging es Ende Dezember 2020 los. 

Hast du damit gerechnet, dass es so „schlimm“ ist?

Jain! Wenn man sich statistisch gesehen den Anteil Alleinerziehender und ALG-II-Empfänger in der Region anschaut, bekommt man eine Ahnung. Das nach bisherigem Stand allein in Cottbus und Spree-Neiße mindestens 500 Kinder und Jugendliche betroffen sind, hat mich schon etwas mitgenommen, das sind 400 Schüler*innen die mehr oder weniger seit April 2020 vom Unterricht abgehängt sind. In Elbe-Elster, Oberspreewald Lausitz kommen pro Landkreis vermutlich nochmal so viele, wenn nicht mehr dazu. Aus einzelnen Schulen höre ich, dass teils ein Drittel der Schüler*innen kein Endgerät zuhause haben, Lehrer*innen berichten mir, dass in ihren Video-Schulstunden mitunter nur fünf bis sechs von 20 in der Klasse dabei sein können. Ich habe Mails gesehen, da entschuldigen sich Schüler*innen für ihr Fehlen, da sie schlicht kein Gerät zuhause haben.
Im ersten Lockdown musste man sich schon fragen, warum das so ist in Deutschland, im zweiten Lockdown kann ich nur noch mit dem Kopf schütteln. Wir wollen ein Hochtechnologieland sein, verschlafen aber seit 15 Jahren die Digitalisierung. Viele denken, es geht hierbei um Corona und mit Rückkehr in den Präsenzunterricht lösen sich die Probleme in Luft auf. An solchen Argumentationen merkt man aber, dass sie den Kern nicht verstanden haben und lieber etwas anderes machen sollten. Hier wächst eine Generation an Schüler*innen auf, die künftig nicht nur Bewerbungen am Rechner schreiben sollen, sondern in der Arbeits- und Lernwelt digital unterwegs sein müssen, das ist mehr als Videos am Handy der Eltern schauen und nicht ein Phänomen der Coronavirus-Einschränkungen, sondern essentielle Grundlage für die Zukunft.
Wir erfahren von Eltern und Schülern viel Dankbarkeit, hier zeigt jede einzelne Geschichte, wie notwendig die Aktion ist, die es eigentlich gar nicht geben dürfte, da gehts uns wie den Tafeln.

Wie ist die Resonanz auf die Aktion, bei Schulen, Unternehmen, Behörden?
Unterschiedlich. Großteils freuen sich Schulen über die pragmatische Hilfe, wenn sie sich vorher bei uns gemeldet und ihre Bedarfe angemeldet haben. Es gibt aber auch Schulen, von denen hört man derzeit noch gar nichts, obwohl ich von Eltern weiß, dass dort auch Bedarfe bestehen, Schulleiter und/oder Lehrer aber keinen Willen zeigen, sich da zu engagieren. Unternehmen finden die Aktion gut, können aber nicht immer helfen, da Geräte teils durch Recycler nach Leasingende zurückgenommen und weiterverkauft oder verschrottet werden. Es kamen aber auch schon einige Geräte und Spendengeld über die Schiene zusammen. Wir haben ein regelrechtes IT-Netzwerk aufgebaut an Unternehmen, die uns bei der Aufbereitung unterstützen, Geräte abgeben oder sich um Komponenten kümmern – jeder das was er kann, dass allein ist schon ein Erfolg.
Behörden verweisen unter anderem auf die unterschiedlichen Digitalpakte, die teils aber noch auf jahrelange Umsetzung warten, aber jeder Tag ohne Computer ist ein verlorener Tag in der Laufbahn eines Kindes! Teilweise werden Eltern aber auch schon direkt an uns verwiesen und wie überall, gibt es auch engagierte Mitarbeiter, die versuchen uns irgendwie zu unterstützen. Insgesamt ist mir aber aufgefallen, dass manch theoretisches Konzept für Endgeräte an Schulen schlicht realitätsfern ist. Es wird viel über Leihgeräte gesprochen, die an Schüler*innen nur ausgeteilt werden sollen, wenn Fernunterricht ansteht oder Projekte das nötig machen. Das ist schlicht Blödsinn und stellt die Schulen vor große Wartungsprobleme mit jeder Rückgabe – am Ende vergammeln die Geräte in irgendwelchen Kellern, weil sich niemand darum kümmern kann. Aber Hauptsache Fördermittel wurden ausgegeben.

Wie ist der aktuelle Stand?
Wir erfassen fortlaufend Bedarfe an Schulen in Cottbus und Spree-Neiße. In Oberspreewald Lausitz und Elbe-Elster haben sich nun ebenfalls engagierte Personen gefunden, die die Problematik in den Landkreisen aufrollen, bisher haben wir etwa 500 gemeldete Bedarfe, 180 Geräte wurden bereits verteilt. Wir statten alle Computer mit Webcam, Headset und W-Lan Sticks aus (bei Desktoprechnern) – da brauchen wir auch weitere Spendengelder für die Komponentenbeschaffung, bisher haben wir etwa 7.000 Euro ausgegeben, das wird sich mindestens verdoppeln, vermutlich aber noch um einiges vervielfachen.

Warum machst du das?
Es geht um unsere Zukunft, da frage ich nicht nach dem warum, da frage ich nach dem wie und wann. Es gibt genug Leute, die sagen was man machen könnte und sollte, machen ist das Entscheidende. Ich bin selbst Papa einer kleinen Tochter die in ein paar Jahren in die Schule kommt, ohne Digitalisierung keine Zukunft, ohne Chancengleichheit für die Kinder in ihren Zugangsmöglichkeiten keine lebenswerte Gesellschaft. Ich finde das reicht als Zutaten, neben der Selbstständigkeit nochmal ein paar Stunden des Tages darauf zu verwenden. Ich will das auch nicht ewig machen, daher bringen wir jetzt Druck auf den Kessel, um möglichst schnell die Bedarfe zu decken und irgendwann sind ja vielleicht auch Endgeräte über die Digitalpakte da, die von Schüler*innen verwendet werden dürfen. Wenn mich niemand mehr anruft und nach Rechnern fragt, beenden wir die Aktion und ich kann mich weiteren Ideen widmen, die ich noch im Kopf habe.

Alle Informationen zum Ablauf gibt es hier: https://heyalter.com/cottbus/

Teilen.

Hinterlasse eine Antwort