Ho-Ho. Nö?

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Ich weiß: Viele der Einschränkungen sind notwendig. Maske, Abstand, keine wilden Treffen im Freundeskreis. Ich weiß: Es gibt viele gute Gründe dafür, Kneipen und Restaurants zu meiden. Selbst, wenn sie aus dem vorzeitigen Winterschlaf zurückgeholt werden. Und ich weiß: So schnell wird sich an dieser Situation nichts ändern. Aber bis zuletzt habe ich gehofft, dass uns wenigstens die Weihnachtsmärkte erhalten bleiben. Dabei ist es mir eigentlich egal, ob wir von den kleinen Künstlermärkten reden, auf denen es Glögg oder heißen Maracuja-Sesam-Moccachino-Nektar gibt. Oder von den großen Trödel-Weihnachtsmärkten, die zu einer Hälfte aus Glühweinständen und zur anderen aus Hausschuh- und Mützenverkäufern bestehen. Auf denen einsame Musiker auf sonst leeren Bühnen vor überdimensionierten Adventskalendern stehen und schiefe Versionen von „Jingle Bells“ singen. Während ein altes Casio dazu Standardmelodien quäkt. Im Normalfall beginnt für mich jedes Jahr nach Totensonntag die vielleicht schönste Zeit des Jahres. Deswegen: Treffen Sie mich im Dezember, wie ich traurig dreinschauend auf dem Altmarkt stehe. In der einen Hand eine Tasse schlechten, dafür aber auch völlig überteuerten Glühwein. In der anderen eine rot-weiß gestreifte Zuckerstange. Nur für das Gefühl. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Ich bin kein großer Freund von Weihnachten an sich. Meine Weihnachtsdeko bestünde aus einem halb aufgegessenen Schokomann, der zum Nikolaus im Sneaker steckte, und den braunen Tannenzweigen vom letzten Jahr. In diesem Jahr wurde mir allerdings schon angedroht, dass meine Wohnung unter einer dicken Schicht Deko verschwinden wird. Weihnachtsbaum, Lametta, Kekse, Lichterketten. Das volle Programm. Zumindest sitze ich dann nicht im Dunkeln, wenn ich mit einem Augenlid nervös zuckend und frierend vor der Haustür hocke. Um dem Trubel zu entgehen. Wo soll ich in diesem Jahr auch sonst hin? Selbst der Weg zu Verwandten sollte gut überlegt sein. Und selbst wenn. Dann säßen wir, jeder unter einem eigenen Weihnachtsbaum, und würden neue Versionen beliebter Weihnachtslieder schmettern. Alle Jahre wieder, kommt der Lockdown light. Und für etwas Besinnlichkeit unter dem Mund-Nase-Schutz: Dumpfer die Nachbarn nie klingen. Aber immer mit genügend Abstand, denn „Last Christmas, I gave you Covid“ ist schon im Original schrecklich. Und wer denkt eigentlich an die Generation der aktuellen Kleinkinder, bei denen kein Miet-Weihnachtsmann vor der Tür stehen wird? Vielleicht sprechen wir rückblickend von der 2020er-Generation als der ersten, die das System „artig sein bestimmt die Masse an Geschenken“ durchschaut hat? Es ist anscheinend ein Generationenprojekt: Wir müssen gemeinsam lernen, dass manche Erkenntnisse schmerzhaft, aber notwendig sind.

Sebastian Schiller

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