Mein Bücherbord – „Irgendein dummes Arschloch, das Frauen hasste”

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Nein, so einfach ist das mit dem Internet denn doch nicht. Als Adeline eine sowohl sexistische als auch rassistische Schmähung erhält, vermutet der Erzähler, dass der Absender „nur irgendein dummes Arschloch, das Frauen hasste”, ist. Aus diesem Anfang entwickelt Jarett Kobek, ein amerikanischer Autor, in seinem Debütroman „Ich hasse dieses Internet“ (S. Fischer, 20 EUR) eine Recherche mit erzählerischem Rundumschlag, der das Internet an den Pranger stellt. Als Roman ist das grottenschlecht, zum Minus geraten, als Sachbuch auch ein Minus. Ich mache mal Mathematik draus: Minus mal Minus ist Plus, ein Buch, das man gelesen haben muss. Kein ästhetischer Leckerbissen, aber vieles, worüber man nachzudenken angeregt wird: das Internet als ein Instrument, durch das Megakonzerne Lüge wie Wahrheit gnadenlos vermarkten und – als Kollateralschäden – die menschliche Seele oft mit Füßen treten und mit Fäusten traktieren lassen.

Der Aufbau Verlag wartet, wie des Öfteren in letzter Zeit, mit einer Entdeckung auf. „Zurück in Berlin” (22,95 EUR) ist zwar keine Neu-, aber eine interessante, reizvolle, wichtige Wiederentdeckung und vermittelt aus dem Blickwinkel von zurückkehrenden Emigranten eine Panoramaschau auf das geteilte Berlin in den Fünfzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts. In der Zeit zwischen Trümmerfrauen und Mauerarchitekten spüren die Autorin Verna B. Carleton und ihre Helden gewesenen, gebliebenen und gewordenen Einstellungen und Haltungen nach. Ein gut lesbarer, unterhaltsamer  Familienroman mit literarischem Niveau.

Literarisches Niveau, ungewohnte, normalerweise Einblicke und Spannung mit überraschenden Wendungen bietet einmal mehr Robert Harris in seinem Roman „Konklave“ (Heyne, 21,99 EUR). Auch Leser, die seine großen Romane aus der Römerzeit lieben und schätzen, werden in diesem Buch gefesselt sein. Harris erzählt von einer Papstwahl irgendwann in einer nahen Zukunft. Kirchenpolitik und Krimi durchdringen einander. Interessengruppen prallen aufeinander. Die alten Männer versuchen, mit Finten, Tricks und Intrigen ein Ergebnis herbeizuführen, das ihnen genehm ist. Ein Leseerlebnis.

Was Sie hier lesen und dass Sie es lesen können, haben Sie außer dem unten genannten Autor einem Mann zu verdanken, der vor einem halben Jahrtausend gelebt und die Kunst des Buchdrucks mit beweglichen Metalllettern erfunden hat. Ihm hat Sachbuchautor Klaus-Rüdiger Mai eine packende Biografie gewidmet: „Gutenberg. Der Mann, der die Welt veränderte” (Propyläen, 28 EUR). Ohne ihn gäbe es kein Internet, verdeutlicht Mai und malt ein faszinierendes Zeitbild, in dem Gutenberg nicht nur als genialer Erfinder, sondern auch als gewiefter Geschäftsmann agiert. Beide Eigenschaften dieses Mannes geben seinem Werk das hohe Maß an kritischer Aktualität.

Klaus Wilke

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