Kann man mit Theater Europa retten?

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Die neue Spielzeit 2017/2018 in der neuen Bühne Senftenberg

Die neue Bühne Senftenberg hat sich in der Spielzeit 2017/2018 ganz dem Europagedanken verschrieben. „Sehnsucht Europa” heißt das Spielzeitmotto. Im Geleitwort zum Spielzeitheft schreibt Intendant Manuel Soubeyrand, der vor wenigen Tagen 60 Jahre geworden ist (HERMANN schließt sich den zahlreichen Glückwünschen an): „Mir war Europa immer Sehnsuchtsort und Hoffnung. Vielleicht, weil Europa so mit meinem Leben verwoben ist. Geboren in Köln, Vater Franzose, Mutter Rheinländerin, aufgewachsen in Berlin – Hauptstadt der DDR, verheiratet mit einer Schweizerin. Meine Kinder könnten drei Pässe haben: BRD, Schweiz, Frankreich . . . Und nun muss ich erleben, dass diese Hoffnungen und Träume gefährdet sind. Dagegen bin ich. Ich fürchte alle und jeden, der das Nationale für wichtiger hält als die Gemeinschaft. Der Nationalismus hat – besonders im letzten Jahrhundert – Tod, Zerstörung und Elend gebracht”.

Von diesem Geist ist der neue Spielplan. Die Spielzeit beginnt – wir berichteten bereits darüber – mit dem Spektakel „Blutmordrache” (Premiere: 23.09.), das im Europa der Nibelungen angesiedelt ist, in drei Teilen eine Uraufführung von Jan Mixsa und zwei Stücke nach Friedrich Hebbel vereint. „Das Abschiedsdinner” von Matthieu Delaporte und Alexandre de la Patelliére (10./11.11.) ist eine wundervolle Komödie um die „Optimierung” von Freundschaften (Freund ist, wer mir maximal nützt).  Mit dem Märchen „Aladin und die Wunderlampe” in der Fassung von Edith Ehrhardt (17.11.) wendet sich das Theater bewusst der Wiege der europäischen Kultur im Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris zu. Dort sind fantasievolle Märchen  aus 1001 Nacht entstanden, zu denen eben auch dieses um den abenteuerlichen Kampf gegen einen bösen Zauberer und die Suche nach der wunderschönen Prinzessin gehört. Die Tragödie „Frühlingserwachen” von Frank Wedekind (02./03.12.) ist das Drama Heranwachsender in einer prüden Gesellschaft, die überholten, aber zählebigen Moralvorstellungen folgt. Mit drei Erzählsträngen aus Mythologie, Monologen von Zeitgenossen im Hier und Jetzt sowie geschichtlichen Schlaglichern aus kriegerischen Auseinandersetzungen geht Autor Konstantin Küspert in „Europa verteidigen” (02./03.03.2018) Fragen um die Verantwortung des Einzelnen für Europas Zukunft nach. Eine Komödie zwischen Lachen und Entsetzen zu sein, die Farce und Science Fiction in sich vereint, verspricht „Hase Hase” von Coline Serreau (17.03.2018).

Manuel Soubeyrand - NEUE BÜHNE Senftenberg

Manuel Soubeyrand

Die neue Bühne ist auch in der aktuellen Spielzeit mobil und kommt in die Klassenzimmer. Nach einem schwedischen Bilderbuch ist das Kinderstück „Das Mädchen von weither” von Emma Broström (ab 19.01. 2018) entstanden. Ein kleines Mädchen ist unterwegs, verfroren, hungrig und lockt die Mitmenschlichkeit einer eigentlich brummigen, griesgrämigen Einsiedlerin hervor. „Dreck” von Robert Schneider (ab 03.05.2018) ist der große, ergreifende Monolog eines Flüchtlings über sein Leben in Deutschland, über Fremdheit und Verachtung sowie Vorurteile. Wieder sticht im Amphitheater das mittlerweile berühmte Kreuzfahrtschiff in See. Die „MS Madagaskar II” von Susanne Ockert (26.05.2018) nimmt diesmal Kurs Südsee. Zum Schlagersound wird familienfreundlich geschwoft, geflirtet und geknutscht.

Ein gutes, vielseitiges Programm. Aber kann man mit Theater überhaupt Europa retten? Senftenberg ist in Europa, Europa  ist in Senftenberg. So soll es immer sein. Gefahren muss man entgegentreten. Manuel Soubeyrand verweist auf die immerhin schon 227 Jahre alte Deklaration der Menschen- und Bürgerrechte. „Eine große abendländische Errungenschaft. . . .Wir dürfen um keinen Preis je wieder dahinter zurückfallen. Und wenn wir darum kämpfen müssen, müssen wir es tun. Diese Rechte sind es wert, verteidigt zu werden. Wer sie verachtet, beleidigt und bekämpft kann nur ein Feind der Menschen sein.”

Klaus Wilke
Fotos: Steffen Rasche

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