Knallbunter Sommer mit Lausitzer Damenduo

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Hand in Hand genoss sechste Überbrückungshilfe und serviert fünftes Album

Es war der sechste und damit vorerst letzte Streich: Die Kulturfabrik Hoyerswerda, eines der vier soziokulturellen Zentren der sächsischen Lausitz, gratulierte zwei Tage vorm Internationalen Frauentag per Netzkonzerterlebnis: Einerseits dem Damenduo „Hand in Hand”, andererseits damit allen Frauen, wobei chansonaffine Männer ebenso beglückt wurden.
Beate Wein und Annett Lipski – beide Jahrgang 1981, im Raum Senftenberg aufgewachsen und der Musikschule OSL notensozialisiert – kennen sich seit der Kindheit und bieten nun schon seit 2003 als Duo Hand in Hand selbst kreierten „Straßenswing, Barfußbossa & Firlefunk“. Beide sind akademisch ausgebildete Pianistinnen und arbeiten als Musiklehrerinnen, aber gingen nach der Lausitzer Jugend unterschiedliche sächsische Wege: Annett Lipske, Tochter von Sängerin Katrin und Electra-Gitarrist Ecki Lipske – studierte an der Dresdner Musikhochschule, Beate Wein hingegen an der Leipziger, später an der Potsdamer Entsprechung. Beide betonen ihren Zusammenhalt und ihre Niederlausitzer Wurzeln .Gemeinsam begannen sie 1999 mit der lustigen Tanzmusikband namens „Die Bunte Brise“.
Schon damals zog es Beate Wein ans Mikro, während Lipske bei den Tasten blieb. Nun bieten sie seit 17 Jahren eigene Songs – „Lust auf Genuss”, das das Grundgerüst des Konzerts bildete, war bereits das vierte Studioalbum. Zuvor hieß es ironisch „Back to Dreck“ (2013) und „Kuscheln mit den Riesen“ (2009) – immer steht bei beiden: Komposition, Tasten, Gesang und Schlagwerk.
Die seuchenbedingte Kunstpause nutzen beide nun kreativ für das fünfte Album, das im Sommer erscheinen wird und wohl – so der Stand der Dinge drei Monate zuvor – auf den Namen „knallbunt“ hört.

Pure Genusslust

Im März kam so die „Überbrückungshilfe” der Kulturfabrik Hoyerswerda gerade recht, die seit Ende Januar für sechs Wochenenden als verdienstvolle Netzkonzertreihe zur besten Sendezeit am Sonnabendabend einlud, um hier für je einen halben Riesen Gage für ihr Publikum in Nah wie Fern aufzuspielen. Die Idee stammt von Kufa-Geschäftsführer Uwe Proksch. Er musste schon seinen alljährlichen Höhepunkt, den begehrten Songcontest „Hoyschrecke”, im vergangenen Herbst auf diese Art der digitalen Verfremdung veranstalten. Nun kamen im Dezember durchaus unerwartet erkleckliche Summen von privaten Spendern zusammen. „Wir haben uns entschieden, diese direkt an die Künstler weiterzureichen. Dann haben wir die Bands, die wir sowieso gern veranstaltet hätten, einfach der Reihe nach eingeladen. Alle haben sofort zugesagt“, freut er sich.

Das Ergebnis ist beachtlich und bietet nun ein professionelles, aber kostenfreies Konzerterlebnis am Endgerät. Damit man den Livecharakter (im leeren Saal) erahnt, ertönt dazwischen durchaus lauter Beifall der drei Techniker und des ebenso musikliebenden Chefs, die mit Abstand im Saal weilten. Die Konzerte waren zuvor aufgezeichnet und von Torsten Hauser, Tontechniker der ebenso geschlossenen Lausitzhalle drüben in der HoyWoyer Neustadt (der größten, wie akustisch besten Konzerthalle zwischen Berlin, Breslau, Dresden und Prag), akribisch nachbearbeitet und zusammengeschnitten. Die Aufnahmen werden den Musikern im Nachgang als Bonus für deren Netzauftritte zur Verfügung gestellt.

Quotenkrösus bei den Zugriffszahlen über die hauseigenen Youtube- und Facebook-Kanäle  war Tolyqyn , die über ein Drittel der bislang insgesamt 6.137 digitalen Konzertbesucher anlockte. Aber auch Hand in Hand hatten schon über 500 Zuschauer – Uwe Proksch ist hochzufrieden: „Die Bands sind alle begeistert von der Professionalität der Aufnahmen von Torsten Hauser und von der gezahlten Gage in diesen komischen Zeiten. Auch wenn man nicht weiß, wie lange jemand zugesehen hat – eine gute Werbung für uns als Kufa war es allemal.“ Auch die Reaktionen in Livechats oder per Mail waren durchweg positiv – und nach jedem Konzert kamen da noch Spenden zwischen 100 und 350 Euro hinzu.

Knallbunter Sommer in Aussicht

Was bei und nach Erscheinung dieser Zeilen an Frühlingskultur passieren wird, stand beim Schreiben noch in fernen Sternschnuppen und harrte einer neuen Runde des ewigen Wartezyklus‘ zwischen komisch begründeten Inzidenzgeboten und staatlichen Schutz-vor-Kultur-Verordnungen – der Mensch gilt (frei nach Ibsen, aber gegen Goethe) narrativ schon das zweite gottferne Osterfest hintereinander als sein bester eigener Volksfeind. 

Und eigentlich hatte man auch hier auf sanfte Öffnungen und Kulturglück schon ab jenem Frauentag gehofft, nun ist leider das ganze Aprilprogramm aus wirtschaftlichen Gründen schon abgesagt. „Wenn es die Zahlen zulassen, dann starten als erstes wieder Kino, Kurse sowie Kinder- und Jugendarbeit“, erläutert Proksch.

Dazu will die HoyWoyer Kufa ihren Kunstfreunden das früheste Frühjahrsende und den längsten Kultursommer aller Zeiten bieten. Denn schon ab 1. Mai soll der Sommergarten öffnen – und bis 18. September andauern. Er ist geplant als großes, wie ausdauerndes Freiluftfestival im weiträumigen Außengelände des relevanten Kulturtempels – sobald es geht, natürlich mit Livemusik. Man kann sich also schon mal vorsichtig vorfreuen auf den „Kunstlandstrich“ als kulturelle Landpartie am 6. Juno, die Hoyschrecken-Preisträgerinnenmugge von 2020 am 19. Juno und das Braugassentheater en miniature am 4. Juli.

Dazu Vernissagen, Kabarett, Filme – und auch zwei, drei Bands der wichtigen Überbrückungshilfe-Reihe, die durch ansonsten trüben wie trost- wie kulturlosen Jahresanfang half, sollen dann live spielen – im Gespräch sind Land über, Tolyqyn und auch Hand in Hand. Wenn das so klappt, dann wird der Sommer durchaus „knallbunt“. In Vorbereitung dessen kann man sich auch das Konzert vom 6. März auf dem Videoröhrenkanal noch einmal anschauen, denn drei der frischen Titel wurden dort schon gespielt, die „Froh“ übers „Decrescendo im Treppenhaus“ ins „Nichts“ führten, aber Lust auf Genuss leibhaftiger Erlebnisse machen.

 Andreas Herrmann

Netzinfos: http://duohandinhand.de
Alle sechs Kufa-Konzerte: https://www.youtube.com/user/kufahoyerswerda;

 

 

 

 

 

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