Kolumne Oktober 2020

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Flausen im Asphalt

Die deutsche Sprache hält fantastische Wörter bereit. Buchlust ist so eines, das Verlangen danach ein Buch zu lesen. Hermannlust in Ihrem Fall. Grimmbebend gehört auch dazu, eine Umschreibung für bebend vor Zorn. Nachtgefunkel, Sommerabend, sehnsuchtstrunken. An ein Wort musste ich aber auf meinen Streifzügen durch die Cottbuser Straßen in den vergangenen Jahren sehr häufig denken: rumpeldipumpel. Ich bin mir gar nicht sicher, ob man das überhaupt als Wort im herkömmlichen Sinne sehen sollte, oder ob es eher eine vage Beschreibung des eigenen Körpergefühls ist, nachdem man mit einem schlecht gefederten Fahrrad über die Kopfsteinpflasterstraßen der Innenstadt gerumpelt ist. Oder über die Radwege entlang der Willy-Brand-Straße. Stehen die brüchigen Platten und das dazugehörige Hinweisschild (irgendetwas mit „Vorsicht: Survivalpfad“) eigentlich schon unter Denkmalschutz? Angeblich atmen selbst gebirgserfahrene Downhill-Biker kurz tief durch, bevor sie sich in dieses Abenteuer stürzen. Wundern würde es mich nicht. Dass es anders gehen kann, zeigt sich nur ein paar hundert Meter weiter. Schon wieder wurde die Straßenunterführung in Richtung Branitz auf links gekrempelt. Wie oft hat die Stadt hier mittlerweile versucht, wenigstens die Anmutung einer echten Fahrbahn an dieser Stelle aufrecht zu erhalten? In früheren Zeiten hätte man dieses 100 Meter lange Stück in Sandow als Bollwerk betrachtet, falls die Forster oder Kahrener angreifen wollen. Niemand hätte sich mit schwerem Gerät dort lang getraut. Mittlerweile wäre vermutlich sogar ein Schiffshebewerk über die Bahngleise billiger gewesen. Nur eben für Autos. Ein Autohebewerk. Die Unterführung ist so etwas wie das Gallische Dorf der Cottbuser Straßen. Die eigentlich übermächtige Baubehörde versucht alles, um dem widerspenstigen Teilstück Herr zu werden – aber scheitert. Immer und immer wieder. Ein neues Kapitel in dieser Geschichte wurde Mitte September abgeschlossen. Laut Stadt vorerst das letzte. Drainasphalt soll es richten, ein neuartiger Asphalt, der sich durch seine Wasserdurchlässigkeit auszeichnet, heißt es dazu. Dieser „ermöglicht das Ableiten des eindringenden Grund- und Schichtenwassers in die Regenwasserableitung am Tiefpunkt des Troges“. Jetzt soll Ruhe sein, mindestens 10 Jahre lang. Klingt in der Theorie richtig gut. Um aber zu den schönen Wörtern der deutschen Sprache zurückzukommen: Mein Bauchgefühl vermutet hier ein Luftschloss. Lausbuben voll Übermut würden von Kokolores sprechen. Vielleicht entspricht es aber auch nur dem Zeitgeist, größere Bauprojekte immer gleich als vergebliche Liebesmüh abzutun.

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