Sicht auf die Dinge des Lebens – historische Fotos der Lausitz

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Zwei Bücher aus dem Domowina Verlag über die Geschichte der Fotografie

Wir haben beide Bücher aus dem Domowina-Verlag bereits in unserem Märzheft kurz vorgestellt: „Mit Licht gemalt”, historische Fotos aus der sorbischen/wendischen Niederlausitz und aus der sorbischen Oberlausitz. Interessant, faktenreich und, weil es um Fotos geht, auch anschaulich, bieten die beiden von Jürgen Matschie herausgegebenen Bände viel mehr als einen Ausschnitt aus der Geschichte der Fotografie. Sie werfen zugleich Licht auf die Dinge des Lebens.

Bild 1

Was für eine Technik und für eine Kunst doch im 19. Jahrhundert entstanden sind. Die Fotografie ist in der Lage, Leben anzuhalten, es festzuhalten, einen Moment unabänderlich und unvergänglich zu machen. Dann geht das Leben weiter, neuen Momenten entgegen. Als seien die Momente Atome des Lebens.
Der kleine Täufling (Bild 1, Foto: Heinrich Steffen, Burg), der 1900 die Taufe erhalten hat, lenkt noch heute den fürsorglichen Blick seiner Mutter auf sich, während sein Vater geradeaus, wer weiß, vielleicht in die Zukunft schaut. In was für ein Jahrhundert wächst der Täufling hinein! Mit Kriegen und Krisen und wenig Chancen für kleine Kinder, kleine Leute und kleine Völker. Wie lange wird die Mutter die Tracht öffentlich tragen können?

Bild 2

Das kleine Mädchen in Rohne (Bild 2, Foto: Fam. Renate Zech, Rohne) trägt stolz seine Schultüte. Die ist, na ja, halb so groß wie sie. Lesen, schreiben, rechnen können, gehört zu den Dingen des Lebens. Wie voll aber ist die Zuckertüte? Es ist 1915. Krieg. Nicht nur, dass man dem Mädchen Schokolade und Bonbons vorenthält. Wahrscheinlich wird die Schule auch ihre Sprache ächten. Wie aber soll sie sich mit Oma unterhalten?

Bild 3

Partnerschaft, Liebe, Hochzeit (Bild 3), ein gemeinsames Leben, eine neue Familie – all das gehört zu den Dingen des Lebens. Kunst und Technik des Fotografierens haben schon zu ihren Frühzeiten Brautpaare als dankbare Motive für sich entdeckt. Kaum ein Wohnzimmer, in dem dieser Augenblick nicht für Jahrzehnte aufbewahrt wird: „Verweile doch, du bist so schön”. Arbeit gehört zum Leben.

 

Bild 4

Bild 4

Bild 5

Bild 5

Nicht immer wird sie so harmonisch verrichtet worden sein wie das Flachsbrechen bei den Mädchen in Papitz (Bild 4, Foto: Carl Metzner, CB). Das sieht aus wie Arbeit im Chor. Aber gemeinsame Arbeit schuf ja auch Gelegenheit, Lieder, Geschichten, Verse zu pflegen, sie vor dem Vergessen zu bewahren. Häufig aber war Arbeit nicht zum Leben, sondern zum Überleben nötig. Die Zeiten waren größtenteils hart. Viele hielt es nicht in der Heimat, obwohl sie hier verwurzelt waren und beide Lausitzen liebten. Sie wurden zu Auswanderern wie diese fünf aus der Oberlausitz (Bild 5). Wer ging, suchte sein Glück in Amerika oder in Australien. Lieber eine ungewisse Zukunft dort, als die Gewissheit der Chancenlosigkeit hier, sagten sie sich.

Bild 6

Bild 6

Zu den Dingen des Lebens gehört auch ein Abschied in Würde. Das „Familienbild mit aufgebahrtem Vater” (Bild 6) erzählt davon. Die Trachten und die Blumen rahmen ein vollendetes Leben ein. Man könnte über die Dinge des Lebens mit vielen anderen Bilder philosophieren. Die Schönheit und Vielfalt dieser beiden Bücher macht es möglich.

Klaus Wilke

Infos:
www.domowina-verlag.de

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