Neulich mein Sohn, seit einer Woche aus England auf Besuch in Cottbus: „Woran glaubt ihr eigentlich?“ Ich darauf, überrascht: „Wer wir?“ Achselzucken bei ihm: „Ihr halt, am Theater.“ Obwohl ich ahne, dass der junge Mann vor mir damit nicht zufrieden sein wird, versuche ich einen Witz: „Wir glauben an unser Talent!“ Statt Protest Schweigen. Dann sagt er: „Immerhin.“ Stochert im selbstgekochten Kidney Pie und schränkt ein: „Nur eben jeder für sich allein.“ Und stochert weiter. Das war’s noch nicht, spüre ich und höre mich gleich darauf sagen: „Ich glaube nicht, dass heute noch mehrere an das Gleiche glauben können.“
Überrascht blickt er auf: „Glaubst’de nicht? Du glaubst eben nicht.“ – Erwischt, denke ich, schon wieder. Dieser Unterschied zwischen ihm und mir! Für den einen ist Glaube Kulturgeschichte, die man studieren kann. Für den anderen eine Tatsache, ohne die man nicht leben kann. Jetzt nur nicht aufgeben, mach‘ ich mir Mut: „Unser Schauspiel hat den ‚Paulus‘ zum Programm gemacht.“ Er weiß sofort, wovon ich rede: „Den Saulus-Paulus? Mit seinem Korinther-Brief über Glaube, Liebe und Hoffnung?“ Und dann zitiert der Theologiestudent, der heute als IT-Spezialist arbeitet, aus dem Stand: „Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles… Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“ – „Genau! Glauben, Lieben, Hoffen – soll ich mal erläutern, was wir damit…“ Er wehrt ab: „Kann ich doch sicher im Web nachlesen, oder? Aber typisch ist schon, dass, wenn das Theater sich um den Glauben kümmert, daraus ein Hohelied auf die Liebe wird.“ – „Schön wär’s.“ Der Gedanke gefällt mir. „Aber so ist es nicht. Wenn der Glaube mitmischt, hat die Liebe heute selbst auf dem Theater keine Chance.“
K. Lang