Und dann, und dann…

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Erinnern Sie sich an dieses alte Kinderlied von Rolf Zuckowski, mit dem ganzen Generationen die Reihenfolge der Monate beigebracht wurde? Januar, Februar, März, April, die Jahresuhr steht niemals still. Haben Sie die Melodie im Kopf? Dann wissen Sie auch, dass die Aufzählung in gerade mal einem Monat bedrohlicher wird: September, Oktober, November, Dezember – es wird wieder kälter, nasser, dunkler.

Folgten wir diesem Gedanken, wäre der August der letzte wirklich schöne Monat. Ob das nun empirisch belegbar ist oder nicht, sei dahingestellt. Führen wir uns lieber die Wohlfühlfakten vor Augen: Die Kinder verbringen die Sommerferien im Ferienlager oder mit der Familie an der Ostsee, die Studenten haben Semesterferien, tummeln sich an Badeseen, auf Festivals oder in der Cottbus fernen Heimat. Die Älteren vergammeln derweil vor dem Fernseher, zu schnell ging Fußball in Olympia über, aufstehen hätte sich einfach nicht gelohnt. Wenn Sie sich in dieser Aufzählung nicht vertreten fühlen, Glückwunsch. Einen Monat lang gehört die Stadt uns.

Welche Möglichkeiten sich damit eröffnen! Mal ganz entspannt mit dem Tretroller über die Tangente brettern zum Beispiel. Oder Kaffeekränzchen vor der Stadthalle. Oder wir nutzen die Gelegenheit, um uns mal wieder so richtig schön aufzuregen. Themen gäbe es genug. Nehmen wir mal die Kreisgebietsreform, marode Straßen, dieses neue Pokémonspiel für’s Smartphone. Ja, sie haben richtig gelesen, Pikachu und Co. erobern seit einigen Wochen den Globus zurück, machen auch vor Cottbus nicht halt. Statt oldschool auf dem Gameboy werden Schiggy und Co. in dieser neuen Version allerdings auf dem Smartphone in die echte Welt projiziert, weswegen noch wesentlich mehr Menschen beim Laufen mehr auf den Bildschirm als auf die Straße achten. Böse Zungen sehen darin einen nett verpackten Idiotentest, auch wegen der schon angesprochenen Schlaglochdichte.

Worüber lässt es sich denn noch aufregen? Klar, die bald denkmalgeschützte Brachfläche am Blechen-Carré. Apropos: Haben Sie eigentlich schon die frohe Kunde gehört? Der schon fertiggestellte Teil des Konsumtempelchens bekommt einen neuen Mieter. Ich sehe es schon vor mir, vor Freude weinende Jugendliche werfen ihre Bonuskärtchen für Berlins Primark in den angrenzenden Krater, denn ein Neuer ist in der Stadt.

Um es reichlich zynisch mit dem Musiker Alligatoah zu sagen: „Wie alt sind die Kinder die meine Kleidung näh’n, auf einer Skala von 1 bis 10?“ Es ist aber auch gemein, bei den ständigen Ausverkäufen haben wir doch gar keine Zeit über das Elend anderer nachzudenken. Geiz ist schließlich… (Stellen Sie sich vor, wie ich während dieses Satzes zwischen Kleiderständern am Horizont verschwinde. Und während der Ärger den anschwellenden Plastiktüten weicht, setzt der Kinderchor ein: „Und dann, und dann, fängt das Ganze schon wieder von vorne an…“)

Sebastian Schiller

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