BTU-Präsident Prof. Dr. Jörg Steinbach sieht seine Universität auf einem guten Weg
Am 10. Oktober beginnt das neue Semester an der BTU Cottbus/Senftenberg. Viele neue Studenten werden dann das Uni-Leben und die Stadt Cottbus bereichern. Insgesamt 70 Studiengänge in Natur- und Ingenieurwissenschaften sowie Wirtschafts-, Kultur- und Gesundheitswissenschaften stehen zur Auswahl. Seit 2014 steuert BTU-Präsident Prof. Dr. Jörg Steinbach (60) seine Uni. Die Stichworte lauten: Fusion, Neugründung, Neuanfang. Wo steht die Uni jetzt, wollten wir unter anderem von ihm wissen und sprachen mit ihm darüber.
Der Oktober ist ran, das neue Semester geht los, wie fühlen Sie sich?
Der Uni und mir geht es hervorragend, weil wir wissen, dass wir uns auf einem guten Weg befinden und uns sicher sein können, dass das auch von außen bemerkt werden wird. Nachfrage und Reputation der BTU werden wieder weiter wachsen.
In einem Interview – im Jahre 2014 mit dem Tagesspiegel – haben Sie gesagt, dass Sie an der Cottbuser Uni „weitestgehend von null anfangen“ könnten. Wo stehen Sie jetzt?
Vielleicht bei 30 Prozent. Prozentzahlen geben aber eine falsche Information wieder. Die Arbeit hier könnte besser mit einem Flug verglichen werden: Wir haben einen ordentlichen Start hingelegt und nähern uns sicher der Reiseflughöhe an. Wir kennen den Kurs und wissen, dass wir genug Benzin an Bord haben. Die kritischen Phasen sind Start und Landung. Insofern haben wir die erste kritische Phase erfolgreich hinter uns gebracht.
Sie sprechen von einem „wir“. Wer ist das?
Das Präsidium gemeinsam mit den Fakultäten. Unser Dank, dass wir das geschafft haben, geht genauso an die Dekaninnen und Dekane, die uns in den vergangenen Monaten loyal und intensiv unterstützt haben. Es ist ein Team-Erfolg, den wir erreicht haben.
Wie sehen Sie die Akzeptanz der Fusion?
Der größte Teil meiner Universität hat sich durch die Macht des Faktischen überzeugen lassen. Viele haben gemerkt, dass es einen Aufbruch in eine neue Welt gibt, den man nicht verpassen sollte. Dann gibt es eine kleinere Gruppe, die im Augenblick immer noch am Beobachten ist und eine in der Größenordnung von fünf bis sieben Prozent, sowohl in Senftenberg wie auch in Cottbus, die sich innerlich verabschiedet hat.
Wie schätzen Sie die Entwicklung des Senftenberger Standorts ein? Ist die Integration gelungen?
Das muss man hinsichtlich Verwaltung und Fakultäten getrennt betrachten. Bei Forschung/Lehre ist sie gelungen, weil wir gemischte Fakultäten haben. Durch diese Aufbauorganisation, die sicherlich von mir maßgeblich selbst bestimmt wurde, ist eine Struktur geschaffen worden, in der Professorinnen und Professoren von allen Standorten gemeinsam in einer Fakultät zusammen arbeiten müssen. An dieser Stelle, glaube ich, ist die Integration gut gelungen und auf einem guten Weg. In diesen Zusammenhang passt auch der jüngst geschlossene Vertrag mit dem Ferdinand-Braun-Institut, einem Institut der Leibnitz-Gemeinschaft, ein gemeinsames Labor in Senftenberg zu betreiben. Das ist die erste außeruniversitäre Ansiedlung in Senftenberg. Das sollten Standort und Stadt als ein entsprechendes Signal für sich selbst wahrnehmen. Im Verwaltungsbereich gibt es immer noch viel zu tun, viele Prozesse sind zu optimieren und auf neue Informationstechnologien umzustellen.
Wie sehen Sie die BTU im bundesweiten Vergleich verortet?
In einer Aufholjagd. Wir können im Augenblick mit einer Reihe – von den üblicherweise in einem Vergleich herangezogenen – Benchmarks auch mit kleineren Universitäten noch nicht hundertprozentig konkurrieren. Die Fusion hat eine Entwicklung, die bis dahin durchaus bei beiden Hochschulen positiv war, unterbrochen und in Teilen zu einem Verlust von Stärke geführt. Ich sage immer: Mir fällt viel schneller etwas runter, als ich nachher Zeit brauche, um es wieder zusammenzukleben. Diesen Verlust aufzuholen, braucht Zeit und darüber hinaus noch eine Entwicklung nach vorne zu machen braucht noch etwas mehr Zeit.
Können Sie ein Beispiel nennen, woran Sie den Verlust erkennen?
Zum Beispiel daran, wie viele Leute bei uns ihren Doktor abschließen. Derzeit sind es etwa 40 pro Jahr. Damit wir vergleichbar mit anderen sind, müssten es zwischen 80 und 120 Promotionen pro Jahr sein.
Warum sollten Studenten gerade die BTU als Studienort wählen?
Weil man bei uns vernünftig studieren kann. Bei den großen Konkurrenzuniversitäten, Berlin und Dresden, ist das verloren gegangen. In jüngster Zeit sind diese Universitäten noch mal gewachsen, ohne dass der Lehrkörper und alles, was dazugehört, in gleichem Maße mitgewachsen sind. Diese Unis sind finanziell nicht mehr in der Lage zum Beispiel eine vernünftige Kleingruppenarbeit zu leisten. Junge Menschen müssen unter diesen Bedingungen schon sehr reif und selbstziel-orientiert sein, um an diesen Universitäten zu bestehen. Und das ist für einen 17-Jährigen mit Abitur eine heftige Herausforderung. Da kommt uns an der BTU unsere Kleinheit zu Hilfe, weil wir genau das anbieten. Wir können garantieren, dass die Profs noch selber im Hörsaal stehen und sie die Gesichter ihrer Studierenden noch kennen. Wir haben unter anderem auch deshalb einen hohen Prozentsatz Studierender, die innerhalb der Regelstudienzeit fertig werden.
Der Ausländeranteil an der BTU ist prozentual höher als in Cottbus oder Senftenberg. Fühlen sich ausländische Studenten bei ihnen wohl? Erreicht Sie als Präsident, eine Resonanz von diesen Studenten?
Oh ja, die erreicht mich durchaus. Aber die erreicht auch die ganze Stadt. Stellen sie sich „Cottbus open“ ohne das Engagement der ausländischen Studenten vor. Das wäre nur noch die Hälfte der Story. Ich glaube, dass die Stimmung diesbezüglich gut ist. Man muss ehrlich sein, es gibt bestimmte Ecken in Cottbus, wo auch ich nach zehn Uhr abends nicht langlaufe. Das betrifft aber nicht nur unsere ausländischen Studierenden, sondern die anderen auch.
Der Campus liegt räumlich nah am Zentrum der Stadt. Eigentlich. Dennoch haben viele Einwohner den Eindruck, dass die BTU ganz weit weg ist. Was machen Sie, macht die Uni, um den Abstand zu verringern?
Es gibt zwei Dinge, die schon aktiv laufen: Ich lade jedes Jahr zum Tag der offenen Tür alle Cottbuserinnen und Cottbuser auf das Gelände der Uni ein und noch etwas spezieller geht es bei der Nacht der kreativen Köpfe zu, bei der die BTU ein Besuchsmagnet ist. „Cottbus open“ ist eine Aktion, bei der die Studierenden in die Stadt gehen. Es läuft aber auch noch etwas Anderes, was vielleicht nicht jeder gleich mitbekommt. Wir sind an der Uni dabei, in den nächsten Jahren 70 neue Kolleginnen und Kollegen auf der professoralen Ebene zu berufen – sowohl in Senftenberg als auch in Cottbus. Die Stadt, der OB und das Stadtmarketing haben es geschafft, dass sich rund 20 Paten bereitgefunden haben, neu nach Cottbus berufene Kolleginnen und Kollegen, an die Hand zu nehmen, um ihnen zu zeigen, wo die Schulen, die Kindergärten sind, wo man ein gutes Haus kaufen kann oder wo man was unternehmen kann. Das war für mich ein Signal, für das ich allen Beteiligten sehr dankbar bin. Das geht weiter, indem wir gemeinsame Stadt-Apps entwickeln. Und unsere neuen Studierenden bekommen zum Beispiel den QR-Code für die Cottbus-App in ihrer Begrüßungs-Mappe. Ich glaube, das alles sind gute Ansätze, die wir weiter ausbauen können.
Wenn man Sie fragte: Was wollen Sie als BTU-Präsident mit „ihrer“ Uni erreichen, was würden Sie sagen?
Ich will zwei Dinge erreichen: Ich will erreichen, dass wir die BTU noch weiter zukunftsfähig ausbauen, so dass sie mit ihrem neuen Profil ein selbstverständlicher Bestandteil des Landes Brandenburg ist. Langfristig möchte ich erreichen, dass wir durch unsere Profilschärfung ein Renommee bekommen, wodurch wir international noch stärker nachgefragt werden, als das bisher der Fall war.
Das Interview führte Heiko Portale
Foto: BTU-Präsident Prof. Dr. Jörg Steinbach (TSPV)
Die BTU im Netz: www.b-tu.de