#33.FFC – Der Tag der Einzelkämpfer

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Vom FilmFestival Cottbus #FFC33 berichtet unser Reporter HENNING RABE.

Tag 2

In verhaltenem Sonnenschein trabe ich zur Stadthalle, dem Spielort des Wettbewerbs, von dem ich heute drei Streifen auf dem Zettel habe. Los geht es mit

M aus Mazedonien.

Der achtjährige Marko lebt isoliert mit seinem Vater in einem tiefen Wald. Der warnt ihn immer wieder vor dem Bösen, das außerhalb der grünen Ödnis lauere, und lehrt ihn die Grundregeln des Überlebenskampfes. Es ist nicht ganz klar, in welche Richtung sich der Plot entwickelt: Mal naturmystisch, mal als klaustrophobische Vater-Sohn-Geschichte lässt das Geschehen die Frage in der Schwebe.

Regisseur Vardan Tozija aus Skopje. Foto: Henning Rabe

 

Doch das Böse gibt es tatsächlich: Ein Virus hat die Menschheit befallen und verwandelt sie in Zombies. Bald ist der Junge auf sich allein gestellt und muss sich in einer Welt voller Feindseligkeit durchschlagen. Trotz der Monstren handelt es sich aber ganz und gar nicht um einen Genre-Film. Vielmehr variiert Regisseur Vardan Tozija aus Skopje ein jugoslawisches Märchen, um es gekonnt mit Roadmovie, Dystopie und Familien-Drama zu verschmelzen. Das „Blätterkind“ aus dem Märchen erreicht schließlich das „Steinerne Tal“ (wir sehen ein computergeneriertes Novi Beograd in Ruinen und echte brutalistische Hotspots in Skopje) und findet inmitten von Trostlosigkeit doch noch seine Fee. Originell und emotional berührend.

Eine der Locations von „M“ in Skopje. Foto: Henning Rabe

 

Ging es gestern in „The Hidden Web“ aus Polen darum, wie schnell Moral an ihre Grenzen stoßen kann, ist sie in

Cold as marble aus Aserbaidschan,

zumindest an dessen Ende, gänzlich abhanden gekommen. Ein glückloser Maler hat eine Beziehung mit der Frau eines reichen Geschäftsmannes. Plötzlich kommt sein Vater aus dem Knast und belastet sein Privatleben. Jeden Tag muss er sich anhören, er solle sich die Haare schneiden. Die anziehende Geliebte rät ihm, sich mit dem Vater gutzustellen. Was als ruhiges Familien-Drama beginnt, wächst sich immer mehr zu einem düsteren Dickicht von Fallstricken zwischen den vier Protagonisten aus – mit einem überraschenden und bitterböse zwinkernden Ende.

Das stillste Wasser der vier erweist sich als tiefstes und schmutzigstes Gewässer. Asif Rustamow aus Baku zeichnet das Porträt einer Gesellschaft, die nicht nur sozial, sondern auch familiär jede Spur von Anstand und Menschlichkeit über Bord geworfen hat.

Andrang vor dem georgischen Film in der Stadthalle. Foto: Henning Rabe

 

Anschließend gibt es den mutmaßlichen Gewinner-Film des diesjährigen Filmfests, mindestens den Publikumspreis wird

Amsel im Brombeerstrauch aus Georgien

erringen. Die 49-jährige Etero (Eka Chavleishvili) betreibt eine kleine Dorf-Drogerie. Sie ist Einzelgängerin und damit zufrieden. Vielleicht nicht glücklicher als ihre zänkischen Nachbarinnen, doch hat sie sich vortrefflich in ihrer Existenz eingerichtet. Doch dann tritt die Liebe in ihr Leben …

In sorgfältig komponierten, langsamen Einstellungen wird die spröde Protagonistin immer liebenswerter und erfahrbarer. Es sind auch die Kaurismäki-haften Tableaus bei den Innenaufnahmen und die warmen Ausstattungs-Farben à la Amélie, die den Film von Elene Naveriani aus Tbilissi ins Herz schließen lassen und zum Favoriten im Lubina-Rennen machen. (Zumal es ja auch eine ganze Latte von unbeirrbaren weiblichen Charakteren gibt, die den Hauptpreis gewannen.)

„The Choice“-Alleindarsteller Ilja Chodyrew, Wahlberliner. Foto: Henning Rabe

 

Am Ende gibt es im Saal 2 des Welstspiegels noch eine buchstäbliche One-Man-Show: In

The Choice aus Russland

sehen wir fast die gesamte Zeit nur den Angestellten eines Callcenters einer Bank. Eine Bombe befindet sich in seinem dunklen Büro, außerdem ist der Sucher eines automatischen Gewehrs auf ihn gerichtet. Für den Erpresser (am Telefon) soll er das Vermögen des diebischen Bank-Chefs auf andere Konten transferieren.

Mit minimalsten Mitteln und Darsteller Ilja Chodyrew gelingt Regisseur vielleicht kein Meisterwerk, aber ein Thriller, der den Zuschauer die Dauer von 77 Minuten bei der Stange hält.

Henning Rabe

Programm und mehr:

www.filmfestivalcottbus.de

 

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