#33.FFC – Vom Geschlachtet- und Gehackt-Werden

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Vom FilmFestival Cottbus #FFC33 berichtet unser Reporter HENNING RABE

Inzwischen ist ja in unseren Breitengraden der November der goldene Monat geworden. Auf der Zugfahrt in die Lausitz kann man das auch immer wieder vortrefflich ablesen: Wie schön, wenn die späte Sonne das Orange aus den Blättern hervorkitzelt; und der Blick ohne Trübung bis an den Horizont entlanggleitet. Selbst wenn ein leichter Regenguss gegen die Waggonscheiben pladdert, kommt ein wohliges Gefühl auf. Ab Brand ist die Vorfreude auf das Filmfestival schon greifbar, die Ungeduld wächst.

Die Ruhe vor dem Sturm im Weltspiegel. Foto: Henning Rabe

Hält man endlich sein Papier-Programm in den Händen (das im Netz ist ja immer nur die halbe Miete) und stürzt aus dem Pressebüro der Stadthalle, ist die Euphorie vollkommen. Bevor das Filmfest offiziell beginnt, gibt es schon einige Entrées. Zum Beispiel:

Pensive

Dieser Horror-Film aus Litauen zählt zum Subgenre des Slasher-Films (von Aufschlitzer). Slasher-Filme funktionieren meist nach folgendem Muster: Eine Gruppe von Jugendlichen (die hauptsächliche Zielgruppe der Filme) begibt sich in ein abgelegenes Haus in einer idyllischen Einöde. Es finden Annäherungen zwischen einzelnen Figuren statt, gleichzeitig sorgen unliebsame Entdeckungen für eine immer unheimlichere Atmosphäre – bis dann jemand, meist maskiert, auftaucht und anfängt, die jungen Leute auf grausliche Weise hinzumetzeln. Dann gibt es vereinzelt Widerstand – am Ende bleiben jeweils aber nur ein Junge und/oder ein Mädchen übrig.

Genauso geht auch alles im Film von Jonas Trukanas vor sich. Eine Abitur-Abschlussklasse fährt mit mehreren Autos an einen malerischen See. Die Hütte dort ist ein wenig schmutzig, weil darin einst eine Familie verbrannt ist. Der einzige Überlebende, der Vater, hat als Quasi-Ersatz einige an litauische Volkskunst angelehnte Skulpturen geschaffen, die auf einem Hügel oberhalb des Feiergeländes in einem Feld stehen. Die Jugendlichen benutzen sie als Feuerholz. Ob das nicht ein Fehler war?

Da eine Erweiterung des Horrorfilm-Genres – wie z. B. durch „Midsommar“ von Ari Aster (2019) oder „Raw“ von Julia Ducournau (2016) – ohnehin nicht zu erwarten stand, gibt es nicht viel zu kritteln an dem Teenage-Grusel mit Lokal-Kolorit. Solides Genre-Kino ohne Wenn und Tiefe.

Etwas komplexer wird es anschließend in der Stadthalle bei

The Hidden Web von Piotr Adamski

Eine erfolgreiche Journalistin (Magdalena Koleśnik) untersucht den Autounfall eines bekannten Fernseh-Moderators. Sie ist sich sicher, dass es sich nicht um einen Unfall handelt. Doch soll sie an Nachforschungen gehindert werden: Zunächst wird ein privates Masturbations-Clip von ihr veröffentlicht, sie verliert ihren Job. Dann wird einfach alles von ihr gehackt, sie steht unter Dauerüberwachung und -terror. Nicht nur Computer und Telefon, auch das Babyphone und selbst die Haustürklingel sind unter die Kontrolle der bedrohenden Seite geraten.

Handlungsort von „The Hidden Web“: Das moderne Warschau. Foto: Henning Rabe

Doch will sie nicht aufgeben und wendet sich an einen Computer-Experten, der sie in der Küche eines China-Restaurants empfängt und ihr Hilfe anbietet. Der Hacker muss der Mörder des TV-Stars sein, aber was sind seine Motive?

Der Film aus der Rubrik Hits ist kein Adrenalin-Ritt, keine Tour de force. Beinahe geruhsam verlässt er sich auf die beklemmende Atmosphäre, die sich um seine Protagonistin verdichtet, und löst allmählich und unter einigen Gut-Böse-Verkehrungen die Rätsel auf, die den Zuschauer in den Bann gezogen haben. Intelligenter und ethische Fragen aufwerfender Thriller um Wahrheit, Moral und die Untiefen des Internets.

Zum Ausklang erlaube ich mir noch eine Stippvisite im Staatstheater, wo es immer noch hoch hergeht. Schön, so viele bekannte Cottbuser Gesichter wiederzusehen. Die Eröffnungsfeier wird überwiegend gelobt.

Henning Rabe

Programm und mehr:

www.filmfestivalcottbus.de

Die Eröffnungveranstaltung im Staatheater Cottbus. Fotos: The Schwartzman P. VanderbuilT

 

 

 

 

 

 

 

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