hermann- und radioeins-Filmkritiker berichten vom 27. FilmFestival Cottbus

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Therapie mit Stas
Der ukrainische Film 5 Therapy ist eine emotionale Katharsis der besonderen Art. Stas, die Hauptperson lernen wir in einer Stuhlkreistherapiesitzung kennen, und wie es das übliche Vorstellungs-Ritual will, erfahren wir direkt nach seinem Namen, dass er drogensüchtig ist.
Der Film geht danach in die Rückblende, wir sehen, wie Stas als Teenager von seinem HIV-positiv Status erfährt und danach von Freunden und Bekannten gemieden wird. Wie auch seine Mutter die Berührungspunkte mit ihm durch Leerräumen des Badezimmers zu verhindern versucht. Wie sich seine Scham in Frust und Aggression verwandelt und er, so Stas über sich selbst, einfach rausgehen und Leute verdreschen will. Als Träumer und Poet sei er in seinem Land ja sowieso geradezu dazu verdammt, drogenabhängig oder kriminell zu werden. In seinem Fall geschieht beides: wir erleben, wie er völlig zugedröhnt auf stillgelegten Gleisen liegt und seiner Freundin schwört, er werde ganz sicher morgen ein neues Leben beginnen. Kurz darauf schlägt er, immer noch unter Drogen stehend, einem Polizisten den Schädel ein und landet dafür im Knast, wo er neben alten Bekannten auch neue Antagonisten trifft, allen voran seine inneren Geister. Und immer schreibt er dabei in einer Prosa, die zwar durch Untertitel etwas einbüßen muss, aber immer noch voller Poesie und Wahrhaftigkeit steckt.
Wie Stas trotz seiner Krankheit, seiner Sucht, seiner Gaunerei und seiner inneren Wut sein Leben versucht, wieder in den Griff zu bekommen, zeigt dieser Film sehr eindrücklich und authentisch. Authentisch müsste ich wahrscheinlich an dieser Stelle in Großbuchstaben schreiben, denn echter geht es eigentlich nicht- für die, die die Beschreibung im Programm nicht gelesen haben: den Mann gibt es wirklich, und er spielt sich in dem Film selbst. Genauso wie gut die Hälfte der Gefängnisinsassen und anderen Weggefährten.
Seine sehr persönliche und ganz eigene Stimmung erlangt der Film aber nicht nur durch die Echtheit der Personen und Ereignisse, sondern auch durch seinen äußerst schwarzen Galgenhumor. Hier nur ein Beispiel: nachdem er den Cop zusammengeschlagen hat, flüchtet Stas in seine Wohnung und versucht, mit dem Sofa die Tür zu verriegeln. Er flüchtet danach in den Schrank (DIREKT NEBEN DER TÜR!) , um sich dort vor den herannahenden Polizisten zu verstecken.
Dann läuft er plötzlich aber mit einem dringlichen Tempo noch mal raus, rein in die Küche, greift sich eine Kippe und begibt sich, genüsslich rauchend, zurück in den Schrank!
Der Film verdient nicht nur wegen der Therapie im Film seinen Titel. Stas therapiert sich in und mithilfe dieses Streifens selbst, und dabei irgendwie auch uns alle- mit solch unerwartet bissigen Lachern, mit einer turbulent-bewegenden Geschichte, und mit Hoffnung.

Judith Lippelt

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