Beelitzer Heilstätten — Ein Ort voller Geschichte(n)

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Das große hermann-Interview mit den Initiatoren und Eigentümern, Beate und Georg Hoffmann

Seit 2015 entwickelt sich das Areal der Beelitzer Heilstätten zu einem der spannendsten, touristischen Ziele in Brandenburg. Hauptattraktion und Motor der Entwicklung ist der Baumkronenpfad, der sich über die größte Weltkriegsruine Brandenburgs windet und dieses einzigartige Relikt der Vergangenheit, mit seinem Dachwald, barrierefrei erlebbar macht. Vom zugehörigen Aussichtsturm kann man, in 40 Metern Höhe, bis weit in den Hohen Fläming, aber auch nach Potsdam und Berlin sehen. Bei gutem Wetter erkennen Besucher selbst die Spitze des Fernsehturms am Alexanderplatz. In diesem Sommer wird der Pfad baulich erweitert.

Initiatoren und Eigentümer der Anlage ist das Ehepaar Beate und Georg Hoffmann. hermann traf beide zu einem Gespräch.

 Wie kommt man auf die Idee in einem ehemaligen Kasernengelände einen Baumkronenpfad zu bauen?

Beate und Georg Hoffmann

Georg Hoffmann: Ursprünglich wurde mir hier Wald zum Kauf angeboten. Ich erinnere noch gut unseren ersten Vororttermin. Es war ein feuchtkalter, recht nebeliger Novembertag und zuerst auch ein wenig beklemmend für uns – in dieser doch recht geheimnisvollen Kulisse. Damals wurde uns rasch klar, dass wir es mit einem historischen Park und fantastischen, leider ziemlich heruntergekommenen Bauten einer großen Geschichte zu tun hatten. Das hat unsere Fantasie angekurbelt. Wissen Sie, ich arbeite seit Langem als Projektentwickler und die Überlegung, das Gelände und seine Geschichte für viele Menschen erlebbar zu machen reizte mich. Als schonendster und nachhaltigster Weg erschien mir hierfür die touristische Nutzung. Das hat mich gereizt; der holzwirtschaftliche Impuls zum Kauf war schnell verflogen. 

Beate Hoffmann: Dies war ein magischer Ort, den wir vorfanden, mit seinen fast wie schlafende Schlösser daliegenden Gebäuden und der unglaublichen Vielfalt an unterschiedlichsten Pflanzen, die zum Teil die Bauwerke eroberten – wir haben uns in die Heilstätten verliebt. Es war dann eher eine technische Frage, wie man diesen Ort nachhaltig erlebbar machen kann.

Heute genießen Besucher den spektakulären Blick auf das so genannte „Alpenhaus“ und in den Waldpark. Was war die größte Schwierigkeit beim Bau des Pfades?

Georg Hoffmann: Im Hainich, in Thüringen, fanden wir, wonach wir suchten – die technische Lösung für meine Idee, das Gelände nachhaltig, touristisch zu erschließen und auch die Partner zur Umsetzung derselben. Dort im Nationalpark hatte die Firma Vollack einen der ersten Baumkronenpfade in Deutschland errichtet. 2013 konnte ich diese Firma und Herrn Jürgen Dawo gewinnen als Gesellschafter in das Projekt einzusteigen, das war ein Meilenstein, denn an staatliche Fördermittel war nicht zu denken, auch wenn wir uns sehr bemühten diese zu erlangen.

Beate Hoffmann: Ja, die brandenburgischen Behörden hatten noch nie ein derartiges Projekt auf dem Tisch gehabt und dann war man wohl auch lange skeptisch, ob unsere Idee so gut sei, wir es zu wissen glaubten. Entsprechend würde ich das Genehmigungsverfahren als größte Hürde bezeichnen.  Allein fünf Jahre benötigten die Behörden, um das B-Plan Verfahren für den Baumkronenpfadabschnitt über dem Alpenhaus abzuschließen. Die Firma Vollack benötigte dann vier Monate Bauzeit für dieses Projekt … 

Die Zahl der Besucher spricht inzwischen für Sie, den Tourismuspreis des Landes, in Gold, haben sie ja auch bereits nach der ersten Saison gewonnen. Wie geht es weiter?

Georg Hoffmann: Ja, Erfolg verleiht Zuversicht. Seit Sommer 2019 sind wir nun ein Familienunternehmen. Den Mitgesellschaftern der ersten Stunde sind wir sehr dankbar für die Chance, die sie uns und unserem Projekt – gegen alle Widerstände – gegeben haben. Nun widmen wir uns schrittweise der Revitalisierung der historischen Gebäude. Diese Häuser – bis auf das Alpenhaus, welches seit 1945 Ruine ist, waren ja bis 1994 in Nutzung durch die Rote Armee, als Militärhospital. Man muss sich vor Augen führen, was für hochwertige Architektur und, bis zum Kriege, welch hochmoderne Technik hier für die Behandlung von einfachen Arbeiterinnen und Arbeitern zur Anwendung kam. Vandalismus und Materialdiebstahl hatten die Häuser in kürzester Frist so geschädigt, dass viele Besucher glauben, dies seien alles Kriegsschäden.

Beate Hoffmann: Schon jetzt kann man ja die Gebäude bei unseren Führungen besichtigen. Dieses Angebot ist ausgesprochen beliebt. Bei unterschiedlichen Touren erhält man Einblick in den Alltag der einstigen Patienten sowie Informationen zu den gestalterischen Ansätzen der Architekten und kommt der Schönheit der Gebäude, trotz deren teilweisen Verfalles, sehr nahe. Natürlich möchten wir diesen Charme, die Patina, welche unsere Besucher ja auch lieben, erhalten. Auf der anderen Seite gibt es so viel Raum, den wir kreativ für touristische Angebote nutzen wollen – das ist immer eine Abwägungsfrage. Sicher ist: Alle Gebäude werden denkmalgerecht behandelt und neuen Nutzungen zugeführt. Schön wäre es, wenn unser Unternehmen endlich auch ordentliche Büros, Lagerräume und Werkstätten hier einrichten könnte. Für die Besucher wird die Verlängerung des Baumkronenpfades sicherlich der nächste, spürbare Entwicklungsschritt sein. Und es ist ein Neubau der Gastronomie, samt Erweiterung des beliebten Biergartens – in Arbeit, denn wir wollen gute Gastgeber sein und alle Ausflugsbedürfnisse bestmöglich bedienen.

Wo wird dieser nächste Bauabschnitt die Besucher hinführen? Ab wann?

Beate Hoffmann: Vom jetzigen Aussichtsturm, gelangt man, ab den großen Ferien, zwischen Baumkronen wandelnd, zu einer Plattform, von welcher der erste, historische Frauenpavillon – aus einer großartigen Perspektive – zu sehen sein wird. Noch imposanter ist dann der Ausblick auf die gesamte Südseite der alten Chirurgie, den man sich auf diesem Rundkurs erläuft, bevor diese Strecke wieder am Turm endet.

Georg Hoffmann: Für Kinder und alle, die Herausforderungen lieben, sicherlich mindestens so spannend, wie für die Erwachsenen die Gebäude, werden wohl die Erlebnisstationen sein.  Die Überschrift hier könnte lauten: „Mut zur Brücke“. Eine Skyboa umschlingt den Pfad und darf von den Kleinen durchklettert werden, ein großes, schwebendes Liegenetz lädt zum gemeinsamen Träumen unter den Baumkronen, mit Blick in die Wolken – unser Angebot an Verliebte. Und dann ist da noch mein Liebling, der „Zittersteg“. Er führt über 700 Meter, in einer Höhe von 16 bis 23 Meter und wird sicherlich zu Herzklopfen und weichen Knien bei einigen Besuchern führen. Allerdings haben wir auch bei diesem neuen Projekt an die Barrierefreiheit gedacht. Sowohl mit dem Kinderwagen als auch mit dem Rollstuhl kann man die neue Schleife absolvieren und dabei die Abenteuerlustigen im Auge behalten.

Sie erwähnten bereits die historische Parkanlage und die Notwendigkeit der Revitalisierung der Bauten. Wie viel „Heilstätte“ steckt denn in ihrem Park künftig noch?

Georg Hoffmann: Inhaltlich schwebt uns ein Ort vor, in dem unsere Gäste durch die Natur und die Geschichte wandeln, wo sie sich – wie die Pfleglinge einst von der Tuberkulose – von ihren alltäglichen Bedrückungen erholen, wenn man so will „heilen“ können. Ein Park der Freude – ein „Freuzeitpark“.

Beate Hoffmann: Die historischen Heilstätten bestehen aus vier durch die Landstraße und die Bahnlinie getrennte, einst jeweils zwei den Männern und den Frauen zugewiesenen und nach ansteckend und nichtansteckend aufgeteilten Bereichen, so genannten Quadranten. In allen anderen Quadranten entstehen neue Wohnungen und Häuser. Auch Handel und Kleingewerbe werden zur Umnutzung beitragen. Ein fast schon verlorener Ort – ein Lost Place – lebt wieder auf. Bei uns werden sich Menschen wie seit über hundert Jahren erholen – natürlich zeitgemäß. Und vergessen sie nicht, wir leben auch vom Mythos der alten Heilstätten. Entsprechend sorgsam gehen wir mit diesem Erbe um. Wir sehen vor allem Familien, in denen sich Kultur- und Geschichtsinteressierte, Natur – und Gartenliebhaber oder auch Fotografen finden. Unser Angebot richtet sich durch seine Diversität auch an Reisegruppen mit unterschiedlichstem Hintergrund. Natürlich spüren wir auch das wachsende, internationale Interesse – auch diesem wollen wir gerecht werden.

Eine letzte Frage: Dies ist ja für Gastgeber und potenzielle Gäste eine sehr unplanbare Saison. Wann empfehlen Sie den Besuch in diesem Jahr?

Beate Hoffmann: Ach wissen Sie, hier ist es ja immer schön – im Hochsommer lockt der Schatten unter den alten Baumriesen zum Verweilen, im Herbst die bis zu 60 Nuancen Rot und Gelb der Blätter unserer verschiedenen Gehölze, von den aufsteigenden Nebeln am Morgen, nach dem ersten Frost ganz zu schweigen, wenn der Park einem Feengarten gleicht. Wir gehen davon aus, dass eine gewisse Sorgsamkeit miteinander noch lange und mit eigenen Regeln gelten wird, was übrigens zur Geschichte der Heilstätten gut passt. Davon abgesehen sind wir ein großer Park, die Gäste haben viel Platz sich zu verteilen und die Kinder, um zu spielen. Und Schlange stehen braucht man auch nicht mehr. Ab diesem Sommer kann nun auch online das Ticket zum Eintritt oder die Führung erworben werden. Wir freuen uns täglich auf unsere Besucher. Bei uns kann es sich jeder, an jedem Tag gut gehen lassen – Urlaub vor der Haustür sozusagen. Aber auf die verlängerten Öffnungszeiten zu den „Langen Nächten“ und die besonders schöne Parkgestaltung im August möchte ich schon hinweisen.

Georg Hoffmann: Ja, da kann ich kaum noch etwas hinzufügen. Ein Besuch lohnt sich immer, denn wir sehen uns erst am Anfang und arbeiten schon jetzt an unserem Park der Zukunft – den Wandelwelten. Wir laden Ihre Leser ein uns auf dieser Zeitreise zu begleiten und zu schauen, wie besondere Erlebnisräume in den Gebäuden und neue gärtnerische Höhepunkte gestaltet werden. Da gibt es immer Neues, das es zu entdecken lohnt. Wir freuen uns auf Sie.

Interview: Robert Gordon

 

Infokasten:

Termine „Lange Nächte“ 2020 am Baumkronenpfad

Immer wieder etwas ganz Besonderes sind die „Langen Nächte“ am Baumkronenpfad. Dann wird das Gelände bis weit in die Nacht offengehalten. Es verbleibt mehr Zeit die „blaue Stunde“ im Waldpark zu genießen, dem Abendkonzert der Vögel zu lauschen, den Sonnenuntergang vom Aussichtsturm aus zu verfolgen oder sogar eine der beliebten Taschenlampentouren durch die Ruine des Alpenhauses oder gar durch die alte Chirurgie zu nutzen. Musiker und Kleinkünstler bevölkern an derartigen Abenden den Pfad, den Park und die Gebäude. Der Dachwald wird beleuchtet und Installationen verführen zum Betrachten und Lustwandeln.

Verlängerte Öffnungszeiten – Lange Nächte 2020 am Baumkronenpfad:

    • 06. – bis 24 Uhr: Verlängerte Öffnungszeiten: Glühwürmchen-Nacht 
    • 06. – bis 24 Uhr: Verlängerte Öffnungszeiten: „Sommernacht mit Kunst & Musik“                  
    • 08. bis 23.08.:  Gestaltetes Parkthema „Überirdisch schön“
    • 08. bis 24 Uhr : Verlängerte Öffnungszeiten: Sternschnuppennacht
    • 08. bis 24 Uhr:  Verlängerte Öffnungszeiten: „Überirdisch schön mit Kunst & Musik“
    • 08. bis 24 Uhr:  Verlängerte Öffnungszeiten: „Überirdisch schön mit Kunst & Musik“
    • 09. bis 22 Uhr:  Verlängerte Öffnungszeiten:  „Magischer Herbst – mit Kunst & Musik“

Für alle oben benannten Termine gilt der reguläre Parkeintritt.

 

Anfahrt: https://baumundzeit.de/anfahrt/

    • Auto: A9 Abfahrt Beelitz-Heilstätten à dort direkt auf den Parkplatz (Navigation: Straße nach Fichtenwalde 13, 14547 Beelitz-Heilstätten)
    • Bahn: RE 7 bis Bahnhof Beelitz-Heilstätten à 450 m Fußweg bis zum Geländeeingang
    • Bus: Plusbus 641 ab Beelitz oder Werder Havel bis Haltestelle „Beelitz-Heilstätten Reha-Kliniken“ à 15 m Fußweg bis zum Geländeeingang

 

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