„Crazy. Leben mit psychischen Erkrankungen“

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– Ausstellung im BLMK

Nicht ganz dicht, bekloppt, gaga, meschugge, plemplem, psycho, freaky, verrückt oder einfach nur anormal…!?!? Die Unzahl an abwertenden, ja diskriminierenden Attributen, die uns oft unbedacht und leichtfertig über die Zunge gehen, wenn wir Menschen beschreiben, die aufgrund einer psychischen Erkrankung in ihrem Verhalten von der gesetzten Norm abweichen und somit nicht in unser kulturell vorgefertigtes Rollenverständnis passen, offenbart das Unvermögen unserer ach so fortschrittlichen Gesellschaft, sich auf vernünftige und reflektierte Art und Weise mit dem auseinanderzusetzen, was in vielen Fällen nichts anderes als die lediglich wahrgenommene Spitze des riesigen, darunter liegenden Eisbergs allgemeiner kultureller Pathologien darstellt. Und die Zahlen sprechen für sich: Mehr als jeder vierte Erwachsene durchlebt im Laufe seines Daseins eine psychische Störung. Angstzustände, Depressionen und Abhängigkeitserkrankungen treten dabei am häufigsten auf.

Louis Quail: Aus der Serie: Big Brother, 2011-2017, Inkjet Print © Louis Quail

Nicht zuletzt, weil in der Bevölkerung häufig unklare Vorstellungen über solche Bewusstseinszustände herrschen, werden die Betroffenen im Alltagsleben oft stigmatisiert und ihre Leiden tabuisiert. Schon Michel Foucault hat in seiner historischen Analyse aufgezeigt, dass die Grenzen zwischen Wahnsinn und Vernunft, wie sie von einer Gesellschaft gezogen werden, immer auch ein Spiegelbild dieser selbst sind und vielsagende Rückschlüsse über das soziale System, in dem sie verankert ist, zulassen. Mit anderen Worten: Was als psychisch krank gilt, welcher Umgang damit gepflegt und welcher Bewertung das abweichende Verhalten letztlich unterzogen wird, ist nichts Naturgegebenes, sondern verändert sich im direkten Verhältnis zu gesellschaftlichem Wandel und sozialem Fortschritt.

Letztlich sollte es aber immer darum gehen, die Person als Ganzes zu verstehen – oder doch zumindest den Versuch zu wagen. Genau dies tut die Ausstellung „Crazy. Leben mit psychischen Erkrankungen“, die derzeit im BLMK zu sehen ist. Präsentiert werden Arbeiten von sieben international renommierten FotografInnen, die sich zum Teil aus persönlichen Gründen mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Sie alle stellen in ihren fotografischen Projekten Menschen mit einer psychischen Erkrankung und deren Umgang damit vor. Einfühlsam rücken sie die Geschichten ihrer ProtagonistInnen und deren Alltag in den Vordergrund und zeigen uns so facettenreiche Persönlichkeiten, die viel mehr sind, als von einer Krankheit Gezeichnete.

Die Ausstellung zeigt in subtiler Weise auf, dass die Voraussetzung für einen humanen, verständnisvollen und somit tatsächlich am Menschen orientierten Umgang mit Personen, die unter geistig-emotionalen Störungen leiden – ganz gleich, ob diese nur latent vorhanden sind oder sich in schweren Krankheitsverläufen manifestieren – der Versuch ist, sich in die betroffenen Personen hineinzuversetzen, um wirklich zu verstehen, was in ihnen vorgeht, was sie bewegt und was die ursächlichen Gründe für ihre mentalen Leiden sind. Denn was in all den Arbeiten deutlich wahrnehmbar mitschwingt, ist ein ausgeprägtes Grundgefühl der Empathie, mit dem die FotografInnen den Fotografierten gegenübertreten. Ein Umstand, der in der Medizin, mit ihren streng wissenschaftlichen, faktenbasierten Ansätzen oft zu kurz kommt, da sich die Gefühlsebenen verschiedener, jeweils einzigartiger Individuen nun einmal schwer in allgemeine, feststehende Schemata pressen lassen.

In der Ausstellung werden nicht nur Fotografien, sondern auch Videoinstallationen gezeigt. Zudem helfen die zugehörigen Texte, in denen auch die Erkrankten selbst zu Wort kommen, bei der Einordnung der gezeigten Bilder und verschaffen einen Einblick in ihr Leben und ihre Gefühlswelt. Auch wenn die Leidensgeschichten der Abgebildeten den jeweiligen Ausgangspunkt darstellen, ist der eigentliche Fokus doch auf die Personen in ihrer Ganzheit gerichtet, welche – genauso wie du und ich – ihren Alltag und ein bewegtes Leben mit all seinen Höhen und Tiefen zu meistern versuchen. So sind es beim Verlassen der Ausstellung nicht die von einigen BesucherInnen vielleicht erwarteten Absonderlichkeiten dieser „Verrückten“, sondern die tatsächlich überwiegenden Gemeinsamkeiten mit ihnen – die sogenannten anthropologischen Konstanten –, die  im Gedächtnis haften bleiben. Diese für Manche sicherlich überraschende Erkenntnis kann dabei helfen, uns unsere eigenen stereotypen Vorurteile vor Augen zu führen und entlassen die Eine oder den Anderen gewiss mit einen veränderten Blick auf den eigenen Umgang mit dieser Thematik.

 

Pinchas Flemming / PM

 

Info:

„Crazy. Leben mit psychischen Erkrankungen“ Ausstellung im BLmK
noch bis zum 30. August
Uferstraße/Am Amtsteich 15, Cottbus, Tel.: +49(0)355 49494040,
info@blmk.de  | www.blmk.de

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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