Operation Jugendkultur

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Vor nur einem Jahr hat sich eine höchst kreative Gruppe junger Sorbinnen und Sorben zusammengeschlossen. Seither ist viel passiert – und weitere spannende Projekte sind in schon Planung. Hermann sprach mit einem der Gründungsmitglieder, der Künstlerin Hella Stoletzki, die derzeit in Wien studiert.

Was ist euer Ziel – und was steckt eigentlich hinter dem Namen?

Unser Name „Kolektiw Wakuum“ spielt darauf an, dass es in der Niederlausitz ein Vakuum gibt in Sachen sorbische Jugendkultur, gerade im städtischen Raum. Und es geht darum, welche krassen Folgen das Abbaggern von Dörfern für unsere Kultur und unsere Sprache hat. Dort ist viel verlorengegangen, das wollen wir uns jetzt zurückholen, indem wir die kulturellen Veranstaltungen machen, auf die wir selbst Lust haben. Und wir schaffen uns Räume, in denen wir miteinander Wendisch/Sorbisch sprechen können. Ohne solche Räume würde die Sprache immer weiter ins Private zurückgedrängt. Es kommt jetzt viel häufiger vor, dass ich Sorbisch in ner Bar höre und spreche.

Außerdem wollen wir zeigen, dass unsere Kultur viel diverser ist als das Bild, das normalerweise reproduziert wird. Das zeigt sich schon an unserer Gruppe: Dort sind Ober- und Niedersorbinnen, gläubige Menschen und Ungläubige, Leute aus der Stadt und vom Land, Muttersprachler*innen und Nichtmuttersprachler*innen. Man lernt so krass viel voneinander.

Wie ist euer Kollektiv entstanden?

Es hat damit angefangen, dass die Ladenräume in der Wilhelm-Külz-Straße 51 zur Versteigerung standen. Dort war ja früher diese alte Drogerie. Es haben sich dann mehrere Leute in der WK gefunden, die nach einem überzeugenden Nutzungskonzept suchten, damit die Räume in gute Hände kommen. Die erste Idee war, ein Nachbarschaftscafé zu gründen. Die Idee wurde dann weitergesponnen: Wie wäre es mit einem sorbischen Nachbarschaftscafé? Doch dieses inhaltliche Konzept war damals nicht mehr als eine Idee. Bald ging die Gruppe dann zweigleisig vor, denn die Frage war, ob das, das man sich vorstellt, auch funktioniert. Wir mussten uns also entscheiden: Wollen wir ein kommerzielles Projekt aufziehen und versuchen, uns den Laden zu holen – oder wollen wir lieber eine Art sorbisches Kollektiv gründen? Am Ende haben wir uns für die zweite Option entschieden und beschlossen, bereits bestehende Orte in Cottbus zu nutzen.

Kanntet ihr einander schon – und warst Du von Anfang an dabei?

Von Anfang an dabei waren zum Beispiel Annelie Ćemjerec aus der WK51, Ludwig, der als Musiker an total vielen Sachen in Cottbus beteiligt ist, und Alex Wacker, der hier Architektur studiert hat.

Ich selbst bin im Lauf der Gründungsphase durch Zufall dazugestoßen. Ursprünglich wollte ich nur wissen, was aus dem Laden wird…Und so erfuhr ich von den Plänen mit dem Nachbarschaftscafé.

Wir haben dann verschiedene Leute angerufen und gefragt, ob sie Lust haben, bei unserer Gruppe mitzumachen. So entstand nach und nach das Kollektiv. Es gab zwar immer ein wenig Fluktuation, aber im Lauf unseres ersten Jahres hat sich ein fester Kern herausgebildet.

Wie organisiert ihr euch? Also, ihr trefft euch derzeit vor allem per Online-Konferenz?

Ja, genau. Ich studiere ja Kunst in Wien und bin oft dort. Andere leben zum Beispiel in Leipzig. Für viele ist es nicht machbar, wöchentlich bei unseren Planungstreffen vor Ort zu sein. Hinzu kommt natürlich die Pandemie.

Ihr verabredet euch wöchentlich? Das klingt, als hättet ihr viel vor!

Ja.Wir haben schon im letzten Jahr viel auf die Beine gestellt. Das hat sehr gut funktioniert. Und gefühlt ist aus jeder Veranstaltung, die wir gemacht haben, etwas Neues entstanden –

entweder, wir hatten neue Projektideen oder wir wurden eingeladen, irgendwo teilzunehmen oder uns als Projektpartner zu beteiligen. Darum haben wir für dieses Jahr ziemlich viele Projekte auf der Agenda. Es wird sich zeigen, ob wir überhaupt die Kapazitäten haben, die alle umzusetzen.

Was plant ihr für dieses Jahr?

Wir machen in der Krabat-Mühle in Schwarzkollm eine sorbische Karaoke-Party. Das ist ein recht großes Projekt, da wir die Karaoke-Videos selbst produzieren. Wir wollen zum einen sorbische Volkslieder verwenden, es gibt ja im Sorbischen/Wendischen überhaupt eine lange Tradition des gemeinsamen Singens, die auch die Sprache lebendig hält. Aber auch modernere Lieder werden eine Rolle spielen – von den Bands, die uns heute umgeben, beispielsweise Titel der obersorbischen Folk-Pop-Band Berlinska Dróha oder auch ein Track einer obersorbischen Punkband und von einem Rap-Kollektiv. Außerdem übersetzen wir Karaoke-Klassiker wie Mamma Mia ins Sorbische. Du siehst schon, dieses „Krabaoke“-Projekt wird sehr umfangreich, aber es kann richtig gut werden und man kann es weiterführen und immer wieder diese Partys machen.

Zweitens planen wir, im Rahmen Sommer-Filmakademie, die wieder in Görlitz stattfindet. Wir haben die Möglichkeit, Musikvideos zu drehen für Hara Crash, das ist ein elektronisches Duo, sorbisch, aus Berlin. Zudem wollen wir wieder etwas zum Filmfestival machen. Und dann gibt es einen sehr tollen freien Fernsehsender in Leipzig, den Hitness Club, der ist online und bedient sich dieser 80er-Jahre Trashästhetik. Mit denen zusammen werden wir eine sorbischsprachige Fernsehshow machen. Wir wollen dafür ganz klassische TV-Formate übernehmen, beispielsweise eine Kochshow oder MTV-mäßige Musikvideos, doch das alles in sorbischer Sprache, mit sorbischen Themen und Akteur*innen.

Es sind wirklich viele schöne Projekte!

Viele Veranstalter sind aktiv auf euch zugekommen?

Ja, zum Beispiel beim SERBPOP 2.0.-Festival im Gladhouse hatten wir einen kleinen Infostand – und da sprach uns Susann Vogel an und meinte, dass sie gerne mal etwas mit uns gemeinsam veranstalten wolle. Und so wurde unser Krabaoke-Projekt geboren …

Und schon bei unserer allerersten Veranstaltung im Strombad kam Grit Lemke auf uns zu. Sie kuratiert ja die Filmreihe HEIMAT | DOMOWNJA | DOMIZNA beim osteuropäischen Filmfestival. Sie meinte: Lass uns zusammen eine Party machen. Und so haben wir als Rahmenprogramm zum Netzwerktreffen von Łužycafilm eine Party in der Galerie Fango veranstaltet.

Anscheinend habt ihr einen Nerv getroffen.

Ja, voll, das merken wir immer wieder. Und wir haben auch festgestellt, dass man in Cottbus mit relativ geringen Mitteln Dinge auf die Beine stellen kann, weil es hier sehr gute Netzwerke gibt.

Mal angenommen, jemand ist begeistert von eurem Kollektiv und möchte sich gerne einbringen. Seid ihr offen?

Wir freuen uns über Leute, die sich beteiligen wollen. Es gibt durchaus einen festen Kern, der die Dinge plant. Doch wir hätten gerne weitere Unterstützer*innen. Wer interessiert ist, kann sich also gerne bei uns melden und mitmachen.

Jasper Backer

 

 

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