Der Abend der Geheimagenten

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Unser Reporter Henning Rabe berichtet vom 32. FilmFestival Cottbus. Heute: Der vorletzte Tag.

Wenn man etwas auf Filmfestivals vermeiden sollte, ist das in erster Linie, sich zu grämen, dass man einen Film verpasst. Die Überschneidungen, die den Kinofreund einige Filme kosten, gehören nun einmal dazu. Es ist ja auch logisch, dass z. B. in Cottbus die zugkräftigsten Filme am Freitag- und am Sonnabend-Abend laufen und sich mitunter überlappen. Oder – ganz gemein – zeitgleich starten. Oder aber ein Streifen geht flöten, weil man in der Nacht zuvor gearbeitet hat und deshalb noch einen Nachmittagsschlaf benötigt.

So ging es mir heute, und ein wenig Ärger bleibt den eben doch, dass ich beim einzigen belorussischen Beitrag in diesem Jahr „The Route Recalculated“ noch im Zug nach Cottbus saß.

FFC-HInweise in der Bahnhofstraße Foto: Henning Rabe

Verspätet also starte ich mit The Game des Ungarn Péter Fazakas in der Sektion Hits, die die größten Kassenschlager der osteuropäischen Länder präsentiert. Sechziger Jahre, Kalter Krieg: Als der totgeglaubte Ex-Agent Pál plötzlich nach Ungarn zurückkehrt, bekommen seine alten Geheimdienst-Kollegen Emil und András kalte Füße. Denn sie haben den „Auferstandenen“ einst aus dem Dienst befördert, András hat sogar dessen Frau auf dem Gewissen. Sie fürchten Rache und beschließen, ihn zu überwachen.

Schöner Teppich im Gladhouse Foto: Henning Rabe

Pál indes hat seiner Nichte aus der Provinz angeboten, bei ihm zu wohnen, damit sie in Budapest studieren kann. Die beiden Offiziere gewinnen die junge, auffallend hübsche Frau, sie über alles zu informieren, was mit ihrem Onkel zu tun hat. Jeder Brief, jedes Gespräch soll hinterbracht werden. Die Nichte sagt überraschend schnell zu …

Bald teilt Pál, der tatsächlich eigene, dabei unklare Pläne verfolgt, András mit, dass die naive Landschönheit, die bei ihm lebt, nicht seine Nichte ist, es auf keinen Fall sein kann. Sie ist eine Agentin. Aber für wen arbeitet sie? Wer hier gegen wen intrigiert, wird immer unklarer. Auf wen ist noch zu zählen in einem Metier, in dem ohnehin keiner dem anderen trauen darf?

Eine Wendung des Geschehens jagt die andere in einem raffinierten Agenten-Thriller, der mit stimmigen Interieurs und Kostümen trefflich zu unterhalten weiß.

Schnell noch in die letzte Vorstellung in der Kammerbühne FOTO: Henning Rabe

Auch vor dem litauischen Spectrum-Beitrag The Generation of Evil wird übrigens inbrünstig ironischer Beifall gespendet, als auf der Leinwand um Applaus für die Medienpartner des Filmfestivals gebeten wird. Das habe ich letztes Jahr wirklich vermisst. („Kleiner Vogel, wo, ach, wo singst du heut?“ fragte Monika Herz damals so schön.)

Im Film von Emilis Velyvis wird es ziemlich blutrünstig. Eine Gruppe von fünf ehemaligen KGB-Agenten hat es sich in einem litauischen Provinz-Städtchen gemütlich gemacht. Sie alle bekleiden exponierte Positionen: Bürgermeisterin, Oberster Richter, Priester und zwei Polizeikommissare. Ihre Vorgeschichte wird häppchenweise in Rückblenden erzählt. 1990 mussten sie die Akten über sich vernichten, um anschließend nicht verfolgt werden zu können. Als sie der Dokumente habhaft geworden sind, beseitigen sie die Zeugen auf abscheuliche Weise …

FFC-Leiter Bernd Buder FOTO: Henning Rabe

Nun ist einer der beiden Kommissare auf bestialische Weise umgebracht worden. Die fünf wissen noch nicht, was ihnen blühen soll. Erst beim zweiten Mord schwant ihnen langsam ihr Ungemach. Den Priester hat man in seiner Kirche gefunden, den abgeschnittenen Kopf hält er im Schoß, statt dessen wurde ihm ein monströser Hirschkopf auf die Schultern gesetzt. Überhaupt sind die Morde in diesem Suspense-Film – alle verbunden mit dem finsteren Geheimnis aus der Umbruchzeit – ziemlich derb, dabei originell.

Wie auch die Szene mit der Obduktion der ersten Leiche. Wir alle kennen die Gerichtsmediziner, die neben einem geöffneten Toten sitzend ein feistes Mahl zu sich nehmen. Aber diese Forensiker schlagen mit ihrem ungerührten Gemampfe alles, was es bisher in der Richtung gab. Das Publikum bricht mehrfach in Gelächter aus.

Eine schwache Vorhersehbarkeit leistet sich der Film allerdings, da ging es immerhin ums Finale, doch insgesamt ist er ein lohnendes Stück morbides Genre-Kino.

Der steinige Weg des Blauen Bandes – führt die FFC-Gäste zu den Spiel- und Veranstaltungsorten durch Cottbus FOTO: Henning Rabe

Mehr Infos zum Festival und Programm:

www.filmfestivalcottbus.de

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