Von Adlern in Siebenbürgen und Belgiern im Donbass

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Unser Reporter Henning Rabe berichtetet vom 32. FilFestival Cootbus. Heute, Freitag, Tag 4:

Heute bin ich nun endlich richtig in der Kammerbühne. Auf dem Programm steht Die Adler von Taga aus Rumänien. Taga ist ein kleines Dorf, der Fußball-Verein spielt in der untersten Liga und kann einfach nicht gewinnen. Ein 1:2 ist schon ein großer Erfolg. Doch auf einer Fahrt durch die Hütten der Siedlung, viele verfallen, die Straße voller Schlaglöcher, wird klar, dass hier einfach kein schlagkräftiger Sportclub entstehen kann. Nicht einmal die Linien des Sportplatzes kann Manager Nelu gerade ziehen, der verwahrloste Rasen lässt nur krumme und bogenförmige Markierungen zu. Das Rasenmäher-ähnliche Gerät pfeift auf dem letzten Loch.

Die „Adler“-Regisseure Adina Popescu und Iulian Manuel Gharvas FOTO: Henning Rabe

Anderthalb Jahre haben die rumänischen Regisseure Adina Popescu und Iulian Manuel Gharvas die Geschicke des Dorfvereins „Vulturu“ verfolgt und dabei ein liebevolles, herzerwärmendes Porträt der Beteiligten geschaffen. Die Nähe, die Ruhe und Intimität, die das Porträt vor allem mit dem Alten Nelu und seiner Frau erreicht, ist genau das, was ich gestern bei „Ein Tunnel“ ein wenig vermisst habe.

Mit der Zeit ist der Zuschauer beinahe Bewohner des Dorfes und hat die Nachbarn ins Herz geschlossen. Und als die „Adler“ einmal bei einem internationalen Turnier in der Slowakei gewinnen, gehen die Zuschauer im Saal richtig mit. „Europa-Pokal“ nennen die Spieler scherzhaft den Wettbewerb, bei dem vier Dorfmannschaften gegeneinander antreten. Sie werden Dritter! Und Manager Nelu bekommt von den slowakischen Gastgebern einen neuen Linien-Markierer geschenkt! Dokumentar-Film vom Feinsten!

Andrang in der Kammerbühne FOTO: Henning Rabe

Kaum noch Plätze gibt es bei Eurodonbass. Das Präludium-Video von Finch Asozial aus Frankfurt/Oder läuft erstmal ohne Musik. „Ist besser ohne Ton“, ruft jemand und bekommt dafür gleich Beifall aus dem Saal. Was ich schade finde, ist, dass der Clip ein wenig Aufmerksamkeit vom diesjährigen Festival-Trailer abzieht, der wirklich sehr gelungen ist.

Nun aber in den Osten der Ukraine. Der junge Dokumentar-Filmer Kornij Gritsjuk aus Donezk geht der Frage auf den Grund, wann und wie die Industrialisierung des Donbass eigentlich begann und fördert dabei einiges Erstaunliche zutage. Zugleich ist es sein Anliegen, den Mythos, dass erst Stalin die Region zu einem bedeuteten Industrie-Standort entwickelte, zu brechen und zu widerlegen. Das ist schwer, da das, was er professionell und griffig erzählt, in seiner Heimat nahezu unbekannt ist.

Dokumentar-Filmer Kornij Gritsjuk aus Donezk FOTO: Henning Rabe

Ein Ausschnitt aus der Fülle der Mitteilungen: Ende des 19. Jahrhunderts siedelten sich zahlreiche Westeuropäer im Donbass an. Das Russische Reich war bekanntlich nicht in der Lage, die ungewöhnlich zahlreichen Bodenschätze der Gegend auszubeuten und verkaufte deshalb Konzessionen. Hauptsächlich an Franzosen und Belgier; letztere Volksgruppe machte Anfang des 20. Jahrhunderts im Donbass ganze 20.000 Bewohner aus. Geschaffen wurden riesige Minen, Förder- und Transportanlagen für Salz, Eisenerz und natürlich Steinkohle. Wie bei Volksaktien konnten auch Daheimgebliebene im Westen in Anteilsscheine investieren, was sich für die Anleger überaus lohnte.

Schluss mit dem Geldregen war 1917, als die Anlagen nationalisiert wurden. Alle Westeuropäer mussten nach der Oktober-Revolution das Land verlassen – bis auf eine Gruppe: Die Deutschen. Ihr Ansehen ist bis heute groß, da ihr Sinn für Ordnung und die Organisation der Landwirtschaft die Einheimischen stark beeindruckte. Überdies waren sie keine Eigner von Fabrikanlagen, daher blieben sie, bis sie im Zweiten Weltkrieg zwangsumgesiedelt wurden.

Diese Einsichten und noch viele mehr werden mit (ausschließlich) ausländischem Archiv-Material, sowie Befragungen von Nachfahren und Historikern begleitet, sodass eine anschauliche, dichte Dokumentation das Ergebnis ist.

Die Sonne am richtigen Ort FOTO: Henning Rabe

Als die Sonne untergeht, muss ich leider für ein kurzes Intermezzo nach Berlin und so auf zwei gewiss ebenso sehenswerte Filme verzichten. Bis morgen!

 

Mehr Infos und das Programm:

www.filmfestivalcottbus.de

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