Dialektpop zum Runterkommen

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Die Band Granada ist Teil der österreichischen Invasion im Musikbereich und kommt bald auch nach Cottbus

Österreich, immer wieder Österreich – seit geraumer Zeit ist das Nachbarland auf der Popmusikkarte wieder ein ganz großer bunter, auffallender Fleck. Bilderbuch und Wanda kennt ja nun jeder, und nun gibt es mindestens noch einen Namen, der sich bis zu den hiesigen Musikfreunden herumgesprochen hat: Granada. Granada?! Klingt jetzt nicht eben nach Österreich und schon gar nicht nach österreichischem Mundartpop. Der Name der Provinzhauptstadt im spanischen Andalusien passt aber insofern, als die Musik der fünf Bandmitglieder klanglich doch eher sonnig daherkommt als grantelnd. „Sehr gut gelaunten, kraftvollen PowerPop, ein bisschen wie die tollen Hives, nur mit österreichischen Texten“, schrieb die Süddeutsche Zeitung. Tatsächlich klingen Songs wie „Piña Colada“ überhaupt nicht nach Alpen und Bergkäse, sondern nach Strand und Karibik (wo übrigens Falco selig seine letzte Fahrt unternahm).

Auf dem vor einem guten Jahr erschienenen Debütalbum „Granada“ befanden sich noch einige andere bemerkenswerte Lieder wie zum Beispiel „Ottakring“, das eigens für den Spielfilm „Planet Ottakring“ entstanden war. Ja, der Film von 2015 war überhaupt der Anlass für das deutschsprachige Bandprojekt Granada, denn eigentlich ist Band-Kopf Thomas Petritsch mit seiner Band Effi im englischen Idiom unterwegs. Und auch noch instrumental völlig anders. Bei Granada spielt das Akkordeon eine wichtige Rolle. Weil es ein urwienerisches Instrument und auch in der steirischen Musik sehr wichtig sei, wie der Steiermärker Petritsch sagt. Der Planet Ottakring liegt freilich nicht in der österreichischen Provinz, sondern mitten in Wien, Ottakring ist der 16. Wiener Bezirk, wo wegen der vielen Migranten „eine schöne Mischkultur entstanden“ sei, wie Petritsch sagt. Dass aus dem Auftrag für den Filmtiteltrack letztlich ein dauerhaftes Bandprojekt erwachsen ist, lag offenbar daran, dass die Arbeit nach anfänglichen Berührungsängsten – wegen des deutschen Gesangs – plötzlich in einen mitreißenden Fluss übergangen ist. Schnell waren mehrere Songs entstanden, die Petritsch nicht dem Hop und ex anheimgeben wollte.

Zu Recht, denn dann wären auch Songs wie „Palmen am Balkon“ oder „Wien wort auf di“ möglicherweise nicht an die Öffentlichkeit gedrungen. Letzteres ist eine besonders tolle Coverversion des Billy- Joel-Klassikers „Vienna“. Thomas Petritsch hatte das musikalische Schaffen des Amerikaners ziemlich spät für sich entdeckt, sich dann aber fix in diese Materie verliebt. Den „Vienna“-Song hätte er besonders toll gefunden, weil der ein (in vielen westlichen Gesellschaften) aktuelles Thema behandele: „Der Leistungsdruck und das Hochbuckln und nicht mehr Zur- Ruhe- Kommen. Der Anreiz, dieses Thema österreichisch aufzubereiten, war für mich das Spannende“, erläuterte Petritsch in einem Interview. „Im Prinzip ist die Nummer ein abstrakter Begriff für ‚komm einmal runter’.“ Was sehr charmant im Video umgesetzt wurde, wo Sänger Thomas Petritsch und Akkordeonist Alexander Christof völlig entspannt, aber ohne demonstrative Relaxtheit, im Fiaker durch Wien zuckeln. Die Lust zur Entschleunigung und vor allem die Muße, es zu tun – das macht die Nummer so sympathisch. „Druck macht man sich immer nur selbst“, sagt der Grazer. „Er entsteht aus den eigenen Erwartungen, aber ich möchte meinen nur genügen. Wenn ich nichts Gutes schreibe, dann geht halt mal nichts. Das muss man auch akzeptieren. Ich glaube, man kann sich rausnehmen. Aber das ist die Entscheidungssache von jedem Einzelnen. Zurückdrehen und runterschalten ist aber essenziell im Leben.“

Dass solche Erkenntnis auch unter vielen Deutschen auf reichlich Zustimmung trifft, ist klar (ob daraus praktische Konsequenzen entstehen, steht auf einem ganz anderen Blatt) und dürfte ein Teil der Zustimmung zum Granada-Pop sein. Andererseits kommt Austropop hierzulande schon immer ganz gut an, was Petritsch nicht entgangen ist. „.Österreichischsprachige Musik hat immer gut funktioniert. Auch früher mit Hubert von Goisern oder den Ausseer Hardbradlern. Der einzige Unterschied ist jetzt, dass durch den Erfolg in Deutschland die österreichischen Medien einen stärkeren Fokus auf österreichische Musik legen.“ Ob man ihre Musik den Deutschen zumuten könne, sei allerdings die andere Frage. Kleines bissl Wiener Schmäh’ am Rande. „Als Österreicher wird man (von den Deutschen) immer geschätzt, mitunter auch wegen unseres netten Dialekts. Deutsche mögen Österreicher einfach sehr gern, auch wenn sie nicht alles verstehen.“

Das kann man wohl so unterschreiben, vor allem, wenn die richtige Grundstimmung rüberkommt. Und für die sorgt der Dialektpop von Granada auch bei vielen „Piefkes“ definitiv. In ihrer Heimat ist die Band damit sowieso schon preisverdächtig. Bei den diesjährigen Amadeus Austrian Music Awards (dem Pendant zum deutschen „Echo“) wurden Granada in der Kategorie Alternative nominiert. Gewonnen haben dann zwar andere, aber damit können Thomas Petritsch und seine Bandkollegen auch entspannt umgehen. Das Einzige, was es vom Hermann aus gegen Granada zu granteln gibt, ist denn auch die Jahreszeit, in der die Band in Cottbus gastiert. Ihr Konzert hätte natürlich besser in den Sommer gepasst, aber drinnen gegen den Winterblues anzuspielen, ist ja auch nicht schlecht.

Thomas Lietz

Granada spielen am 10. November im Bebel, Cottbus

Foto: pr/Granada

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