Filmfestival-Reporter Henning Rabe berichtet vom 28. FFC

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Mittwoch, 7. 11. 18

Cottbus badet in heiterster Sonne – das diesjährige Film-Festival ist ganz gewiss das wärmste, das die Stadt je erlebt hat. Irritierend wie eine weiche, aber riesige Schneeflocke ist dagegen der aserbaidschanische Spectrum-Film „Gebirge ohne Namen“ in der Stadthalle.
Bei minus zwanzig Grad gedreht, komponiert Regisseur Hilal Bajdarow eine ambitionierte, stark stilisierte Parabel auf eine in althergebrachten Regeln erstarrte Gesellschaft. Bewegung und Handlung finden hier hauptsächlich in der Off-Tonebene statt. Diese strenge, beinahe hermetische Form ist in einem autokratisch geführten Land wie Aserbaidschan wohl die beste Möglichkeit, Kritik an patriarchalischer Überkommenheit und kultureller Restriktion zu üben. Diese aus den fast starren Tableaus herauszulesen, erfordert Geduld – Geduld, die sich die meisten Besucher im fast vollen Saal auch genommen haben, fast niemand trat die Flucht in die Wärme an.

Darja Shuk (Chrystal Swan)

Darja Shuk (Chrystal Swan)

Nach einem wie immer üppigen Mittagsteller bei Rays Catering ging es für mich in „Mira“ von Denis Schabajew aus Russland in den umkämpften Osten der Ukraine: Mira, ein slowakischer Ex-Soldat kommt aus Liebe in den von Zerstörung gezeichneten Donbass. Doch es stellt sich heraus, dass seine Skype-Bekanntschaft aus der Region ihn an der Nase herumgeführt hat. Was soll er nun mit sich anfangen? Zunächst einmal restauriert er Denkmäler aus der Sowjetzeit …
Der nahe am Dokumentarischen agierende Film verleiht den Menschen aus der betroffenen Region eine Stimme – viele der Laiendarsteller spielen sich selbst – und führt den Betrachter der Frage näher, wer denn diese Separatisten eigentlich sind. Was sind ihre Motive, ihre Beweggründe? Und auch wenn ich politisch mit Schabajew nicht einer Meinung bin, ist diese Herangehensweise überzeugend. Jedenfalls mehr als das holzschnittartige Hämepamphlet „Donbass“ von Sergej Losnitsa, das im August in unsere Kinos kam. Zwei Mitgucker allerdings waren genau anderer Meinung …
Wir bleiben in der Region. In „Elefanten können Fußball spielen“ (Russland) verguckt sich Geschäftsmann Dmitri in Odessa in die 17-jährige Tochter eines Freundes. Keine gute Idee. Zurück in Moskau das gleiche Spiel. Doch nun stalkt er die Teenagerin auch noch, was beim Zuschauer einiges Befremden auslöst, denn mutmaßlich könnte er auch ihr Vater sein …

Regisseur Michail Segal (Elefanten können Fußball spielen)

Regisseur Michail Segal (Elefanten können Fußball spielen)

Bei all seiner emotionalen Zerrissenheit versucht er immer und überall, in Geschäften einen Rabatt zu bekommen, was dem ganzen Geschehen einen Touch ins Satirische gibt.
Regisseur Michail Segal sagt im anschließenden Gespräch, er habe einen sehr tragischen, traurigen Film machen wollen, aber in jeder Vorführung gäbe es immer wieder Erheiterung und Lacher. Das fände er „nicht nett“ vom Publikum; kein Scherz. Was er aber auf jeden Fall getan hat, ist, gut zu unterhalten.
Dann folgt mein absolutes Highlight des Tages: „Crystal Swan“ von Darja Shuk aus Belorussland. Minsk 1996. Ewelina ist House-Fan und möchte raus aus ihrer Heimat. Am liebsten in die USA. Nach Chicago, der Heimat der House-Musik. Doch das Visum ist nur mit viel List und Umtriebigkeit zu beschaffen. Ein kleiner Fehler, den sie beim Ausfüllen eines getürkten Briefes macht, macht die Dinge noch viel, viel komplizierter, als sie es ohnehin sind …

Weltspiegel (außen)

Weltspiegel (außen)

Der ungeliebte Begriff der Tragikomödie darf hier mit voller Berechtigung verwendet werden. Es gibt so viel Komisches im Unerfreulichen, so viel Ernüchterung im Hoffnungsschimmern; der Plot weiß immer wieder zu überraschen und zu packen. Der Film ist köstlich, mitreißend, überzeugend, herzbrechend, herzerwärmend usw. usf. Auf jeden Fall wird er in der Gunst von Jury und Publikum ganz weit vorn liegen!

Henning Rabe

 

#hermann_FFC28

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