Fritz Lattke – zurück in die Heimat

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Ausstellung zum 125. Geburtstag des wendischen Malers in Cottbus

Es hat sich mittlerweile herumgesprochen – im Großenhainer Bahnhof  Cottbus etablierte sich ein neuer Hotspot der Kultur der Spreestadt. Zur Eröffnung im August vergangenen Jahres wurde die erste Ausstellung mit Künstlern der beiden dort beheimateten Galerien gezeigt, der Galerie Brandenburg und der Galerie Fünf.

Die zweite Ausstellung präsentierte Werke der in dem Haus beheimateten sieben jungen Künstler*innen und zum Jahresende gab es „Das kleine Format“ – originale Kunstwerke zum kleinen Preis. Am 7. Februar wird nun die nächste Schau eröffnet – Gemälde von Fritz Lattke.

Fritz Lattke, Lattke? Da war doch was, da war doch mal einer, wird sich der Kunstfreund vielleicht fragen. Ja, ganz vergessen ist unser Maler nicht, im Gegenteil. Öffentlich präsent ist er nur in den beiden sorbischen/wendischen Museen in Cottbus und Bautzen, weitere Museen in Weimar, Berlin, Altenburg und Prag besitzen Lattke-Bilder. Vor allem aber schmücken seine Landschaften zahlreiche Privatwohnungen. Das nicht vollständige Werkverzeichnis führt 600 Werke auf, die nach Hunderten zählenden Illustrationen nicht einzeln gerechnet. Die Ausstellung präsentiert über 40 Werke von Fritz Lattke, dokumentiert auch in einem kleinen Katalog. Die Gemälde stammen aus einer privaten Cottbuser Kunstsammlung, die neben Werken anderer Künstler der Lausitz auch eine umfangreiche Suite von Lattke-Bildern umfasst. Dazu gesellen sich Gemälde aus dem Wendischen Museum, insbesondere sieben für den Erwerb vorgesehene. Fast alle Gemälde wurden noch nie in der Öffentlichkeit gezeigt.

Das Leben des Künstlers spiegelt exemplarisch fast ein Jahrhundert deutscher Geschichte, Kaiserzeit, Weimarer Republik, Naziherrschaft und Sozialismus. Geboren 1895 in einer wendischen/sorbischen Familie in Neuendorf, getauft in Peitz, aufgewachsen im Cottbuser Vorort Sandow, besuchte der talentierte Junge, versehen mit einem Stipendium der Stadt Cottbus, 1909/10 die Zeichenklasse der Kunstgewerbeschule Berlin. Als er mit 14 Jahren seine Heimat verließ, dachte er wohl daran, dass er nur als gelegentlicher Besucher wiederkommen würde? Doch zunächst ging es zum Militär, zehn Jahre seines Lebens musste Fritz Lattke dem Vaterland dienen. Endlich konnte er 1921 ein Kunststudium aufnehmen. Bis 1929 studierte er an der Kunsthochschule Weimar, war Schüler bei den Professoren Walter Klemm und Alexander Olbricht. Hauptsächlich bestritt er seinen Lebensunterhalt mit Illustrationen für Zeitschriften und Heimatkalendern, erste Comic-Zeichnungen für Zeitungen kamen hinzu. In den 1920er-Jahren wurde er Mitglied im Verein sorbischer bildender Künstler und bekam Kontakte zur sorbischen Intelligenz, was seinen weiteren Lebensweg bestimmen sollte. In den 1930er-Jahren hatte er dann große Erfolge mit den noch heute bekannten Kinderbüchern von Hanni, Fritz, Putzi und dem Raben Kolk. Damit erlangte er eine gewisse wirtschaftliche Unabhängigkeit. Die ging so weit, dass sich Lattke nicht den Nazis andienen bzw. unterwerfen musste. Lattke bleib seinem Stil und seinen Sujets treu. Ja, was waren sein Stil und sein Thema? Die Erinnerungen an die Bilder seiner Kindheit, verstärkt durch vielfache Besuche in der Heimat, hielt er ab Anfang der 1940er-Jahre in einer wachsenden Zahl von Ölgemälden fest. Die Landschaftsbilder aus seiner Niederlausitzer Heimat zeichnet eine poetische, melancholisch-traurige Grundstimmung aus: Teich-, Moor- und Wiesenlandschaften, knorrige, kahle Bäume, morastige Ufer, zerfahrene Wege, überschwemmte Äcker, ein hoher Himmel, manchmal mit wenigen Figuren staffiert, die deutlich trotz ihrer häufigen Winzigkeit als wendische Bauersfrauen, Fischer oder Jäger zu erkennen sind. Es ist die Landschaft seiner Kindheit, seiner Heimat, hundertfach variiert, doch jedes Mal ein Solitär.

1948 gründete sich die Vereinigung sorbischer Maler neu, den Vorsitz übernahm Conrad Felixmüller und auch Lattke beteiligte sich an den Veranstaltungen und Ausstellungen. Aber seine „trostlosen“ Landschaften entsprachen sogar nicht den Anforderungen der neuen Machthaber, die doch die Darstellung sozialistischen Frohsinns erwarteten. Und so wurde Fritz Lattke 1954 aus dem sorbischen Kunstverein ausgeschlossen. Das brachte naturgemäß die neuen Funktionäre nicht von ihrer Maßnahme ab, aber auch Lattke beugte sich nicht, auch nicht, als er selbst aus dem Verband Bildender Künstler der DDR ausgeschlossen wurde. Er konnte weiterhin von seiner Kunst und für seine Kunst leben. Wieder waren es zahlreiche Buchillustrationen, die ihm das Überleben sicherten. Daneben hatten sich zunehmend Freunde seiner Gemälde gefunden, vor allem Mediziner, Professoren, Lehrer, Pastoren und andere Vertreter der Intelligenz erwarben Lattke-Bilder. Eine bemerkenswerte Beziehung entstand zwischen Fritz Lattke und dem Bischof von Erfurt, dem späteren, streitbaren Kardinal Joachim Meisner. Der Kirchenfürst war sowohl häufiger Gesprächspartner, als auch eifriger Sammler von Lattke-Bildern. Eine Besonderheit im Œuvre des Malers sei noch erwähnt: Er fertigte etwa 50 Soldatenbilder, wohl Aufträge von Zinnfigurensammlern, die mit ihren kleinen Figuren nicht nur große Schlachtenbilder nachstellen, sondern gerne auch Gemälde für die Wand haben wollten. Die Sammler hatten Geld, der Maler musste leben, Staatsaufträge gab es keine. Einige dieser Soldatenbilder sind auch in der Ausstellung präsent.

Fritz Lattke starb 1980 in Weimar. Auf dem gemeinsamen Grabstein mit seiner Frau Irmgard steht: „Hier ruht der Maler und Zeichner Fryco Latk, genannt Fritz Lattke.“ Das, so will mir scheinen, ist doch eine Botschaft, eine letzte? Nein, in seinen Bildern lebt Fryco Latk weiter und auch die niedersorbische Sprache lebt weiter und das beweist uns auch die junge Dichterin Źilka Francis Ketlicojc, in Anspielung auf den Maler genannt: Jil-Francis Käthlitz, die zur Eröffnung Gedichte in niedersorbischer und deutscher Sprache vortragen wird.

Siegfried Kohlschmidt

 

 

 

Vernissage:7. Februar, 19 Uhr
Galerie Brandenburg/ Galerie Fünf
Großenhainer Bahnhof, Cottbus

 

Öffnungszeiten:
Donnerstag/Freitag 14 bis 19 Uhr
Samstag 10 bis 16 Uhr

 

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