Kolumne Juli 2020

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Gesundheit!

Was werden wir uns irgendwann einmal ärgern. In vielen Jahren, wenn wir im Schaukelstuhl auf der Veranda sitzen, in der Hand gezuckerter Tee mit klirrenden Eiswürfeln und einem (kleinen) Schuss Rum darin. Wenn wir davon schwärmen, dass früher alles besser war. Was werden wir uns dann ärgern. Nicht darüber, dass wir die Hälfte schon längst vergessen haben oder einfach nichts mehr vertragen. Sondern über unsere grenzenlose Naivität und den sprudelnden Egoismus. Damals, 2020. Als es galt, eine weltweit grassierende Krankheit zu bekämpfen. Als wir genau das nicht geschafft haben. Wir werden uns erinnern, dass wir damals vor der Frage standen: Wie können wir die Ausbreitung einer für viele Menschen potenziell tödlichen Krankheit verhindern. Und, dass die überraschende Antwort war: Lasst uns doch mit möglichst vielen Menschen eng zusammenstehen, laut brüllend um uns spucken und so tun, als gäbe es das Virus gar nicht. Hust. Damals, kurz bevor unsere Rentenkassen so massiv entlastet wurden. Das ist eine düstere Zukunftsvision, aber ist sie so abwegig? Packen wir die desinfizierten Karten auf den Tisch: Ja, die Einschränkungen sind ein massiver Eingriff in unsere Grundrechte. Darüber zu diskutieren, Maßnahmen und ihre Notwendigkeit kritisch zu hinterfragen ist unbedingt notwendig. Aber warum geht das nicht mit Sicherheitsabstand und, im besten Fall, Atemschutzmasken? Deren Langzeitnutzen ist hoch umstritten. Aber für den kurzen Nutzen rotiert in den sozialen Medien ein schöner Vergleich. Wenn sich zwei gegenüberstehen und einer davon pinkelt sich in die Hose, wird der andere nicht nass. Hat der Pinkelnde aber keine Hose an – Sie wissen, wie das ausgeht. Irgendwann ist die Maske durchweicht und nutzlos. Auch hier ist das Prinzip dasselbe, wie bei der Hose: bitte wechseln! Diese simple Vorsichtsmaßnahme bringt Menschen aber stattdessen dazu, sich an der Aldi-Kasse zu prügeln. Ich will das Ding nicht tragen, also hau’ ich dir eine rein. Verstehen Sie? Ich auch nicht. Vor dieser Klatsche haben wir wenigstens für das Pflegepersonal und die Verkäuferinnen applaudiert. Dass sich an deren Situation nicht viel geändert hat, ist auch schon wieder in Vergessenheit geraten. Jedenfalls: verdammter Mundschutz! Wenn Sie mich fragen, persönlich fände ich es eigentlich ganz angenehm, nicht mehr jedes Gesicht in Gänze sehen zu müssen. Vor allem die ewig grimmigen. Wobei es manche Menschen sicher selbst dann schaffen würden, nur die erkennbaren Gesichtsteile zur Faust zu ballen. Aber vielleicht irre ich mich ja auch. Vielleicht sitzen wir irgendwann auf der Veranda und sagen: Ach wie schön, dass damals alles so glatt ging. Wie schön, dass wir geeint aus dieser Krise rausgekommen sind. Aber drauf wetten würde ich nicht.

 

Sebastian Schiller

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