hermann- und radioeins-Filmkritiker berichten vom 27. FilmFestival Cottbus

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Sonntag, FFC17

Gut gefüllt ist der Saal in der Stadthalle zum „Nachspiel“. Jan Svérak gibt sich die Ehre. Gestern Abend wollte er lieber in einen russischen Film gehen, doch die Organisatoren sagten: „Sie müssen leider bitte zur Preisverleihung.“

Der sympathische Tscheche hatte ja nicht am Wettbewerb teilgenommen und dachte, dass er eigentlich nur für einen Lifetime Award in Frage käme. Und dass diese Auszeichnung an sich doch etwas für alte Herren wäre, die sich dann bitteschön zur Ruhe setzen sollten. Schade!
Doch er bekam den Publikumspreis verliehen. Klar, kann man da schon sagen. „Barfuß“ ist ein herzallerliebster, warmer, rundum beglückender Film. Der kleine Eda muss 1943 von Prag aufs Land ziehen. Er lebt sich gut ein, mit den neuen Freunden sitzt er in einer Höhle, die sie aus Friedhofskränzen gebaut haben, oder streunt herum. Besonders aber interessiert ihn der Nachbar, ein verstoßenes Familienmitglied, den sie den Wolf nennen. Seinem Geheimnis möchte der Junge auf die Spur kommen …
Es gibt so viele kleine Episoden in dem Film, die schon für sich unglaublich charmant, mitunter poetisch sind. (Der Film erscheint mir hin und wieder wie eines der herrlichen Bücher von Bohumil Hrabal.) Manchmal wird drollig überzeichnet, dann wieder ins Märchenhafte gezogen. Die historischen Bezüge mit deutschen Besatzern und Partisanen sind nicht ausgespart, aber auch nicht ins Zentrum gerückt; so dargestellt, wie sie ein Kind eben wahr- und hinnimmt.
Der Applaus in der Stadthalle ist der längste, den ich auf dem Festival gehört habe. Ich habe tüchtig mitgeklatscht.

Henning Rabe

Bild: Jan Svérak. Foto. Henning Rabe

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