hermann und radioeins-Filmkritiker Tom Zisowski berichtet vom 28. FFC

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9. November

Der Tag begann mit der „Delegation“. Polit-Farce ist das Genre, mit dem dieser Film überschrieben ist. In der Tat sitzt schon allein dem wichtigsten Protagonisten der Schalk so tief im Nacken, dass etwas zu sagen für den Charakter nicht nötig gewesen wäre. Jeder Blick von ihm sagte alles.

Er, der Professor, ließ nur durch seine Augen und vollkommen ungewollt jeden seine geistige Größe spüren, seine Kommentare sind wohlgewählt und prall an entblößender Ironie und Wachsamkeit, der Zuschauer merkt spätestens nach diesem Film, welche Stärke und Kraft politische Gefangene haben und entfalten können. Ein Film ohne Abstriche. Im Anschluss daran der Film „Jumpman“, ein Begriff, der im Film immer wieder in verschiedenen Facetten zum Tragen kommt.

Das Leben – die Umwelt, die Stadt, die Menschen – ist eine Qual. Wenn du nach Freiheit suchst, wonach suchst du dann? Und was kann es sein, dass dich dazu bringt, dich vor ein Auto zu werfen? Dieser Film schlägt, verletzt, ekelt, ist an vielen Stellen unkonventionell aber im schlimmsten Sinne eindringlich.

Und dann sieht man im Zuschauergespräch den Hauptdarsteller vor sich und und fragt sich, wie er einfach so locker und lustig weiterleben kann, diese gebrochene, allseits weggeworfene Persönlichkeit, dieser Mensch ohne Zukunft. Ist der Film gut? Oder schlecht? Ich weiß es nicht. Entsprechende Worte gibt es noch nicht.

Es folgt unmittelbar „Irina“. Irina, ein Mensch, von dem schon zu Beginn des Filmes klar wird, dass er das Leben hasst, ist von Elend umgeben. Sie fristet ihr Dasein mit dem Nötigsten, nicht einmal Nahrung aus einem Supermarkt kann sie sich leisten. In dieser Depressivität, die der Tag bereithält, fühlt sie sich, fühlt sich der Zuschauer in die Nacht gezogen. Die Nacht, Ruhe, Abstand zu allem, was den Tag bewegte, ein Stück Freiheit, ein Stück Frieden. Das wesentlichste Standbein ihres Lebens ist ihr Kind, der Gedanke an die vielleicht bessere Zukunft der nächsten Generation lässt das Publikum hoffen. Doch die Geldnot endet in Leihmutterschaft. Ein Leben zu gebären und dies als „Geld verdienen“ zu bezeichnen, wird mir noch lange zu denken geben. Dieser ist ein Film, der mitnimmt, der die Protagonistin von einer Ecke in die andere schubst, hält Überraschungen bereit, mit denen jeder Rezipient klarkommen muss. Jeden fasst das anders an. Aber es fasst.

Tom Zisowski

#hermann_FFC28

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