Ich, ich, ich.

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Sind Sie auch so genervt von dieser ständigen Diskussion über den Klimawandel? Über dampfende Kohlekraftwerke, hungernde Eisbären und demonstrierende Schülerinnen und Schüler?

Natürlich sind wir alle für Klimaschutz, das steht völlig außer Frage. Nur eben nicht bei uns. Und darüber reden müssen wir auch nicht ständig. Schließlich bemühe ich mich schon nach Kräften und verzichte einmal in der Woche auf Eisbein. Gern geschehen, Mutter Natur! Für mich war der Punkt des Zumutbaren überschritten, als unsere letzte echte Freiheit plötzlich zur Diskussion stand: Die Freiheit, auf der Autobahn meinen Porsche Panamera bis an die Leistungsgrenze zu treiben. Ich habe zwar keinen, hier geht es aber ums Prinzip. Sicher kennen Sie dieses beißende Gefühl der Langeweile hinter dem Steuer? Rutscht die Tachonadel unter 130, verfalle ich in Lethargie. Andreas Scheuer, von Beruf irgendwas mit Lobbyismus, hat da völlig recht: Ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen wäre gegen jeden Menschenverstand. Und natürlich kann man es auch wie Scheuer sehen und sagen: Deutsche Autobahnen sind die sichersten Straßen der Welt. Beweisen lässt sich diese Aussage sowieso nicht, genauso wenig widerlegen. Aber mal Gummi bei die Reifen: Irrelevant ist sie trotzdem. Die Autobahnen könnten von Leitplanken aus Gummibärchen gesäumt und mit Airbags gepflastert sein. All das nutzt nichts, so lange Menschen für eine kaum messbare Zeitersparnis sogar Familienautos bedrängen, weil sie ihr Recht auf Temporausch durch den Dacia vor sich bedroht sehen. Diesen Menschen wünsche ich einen permanenten Schatten, der ihnen Tag und Nacht heiß in den Nacken atmet. Ich stelle mal eine gar nicht so gewagte Theorie in den Raum. Sie kennen diese abschätzigen Bemerkungen über „die“ Amis und ihren Waffenfetisch? Die deutsche Faszination für den Geschwindigkeitsrausch ist durchaus damit vergleichbar. Obwohl Allen klar ist, dass die Welt jeweils ohne eine sicherere wäre, werden Fakten ignoriert und es wird eine Pseudo-Religion um das Objekt der Begierde aufgebaut. Bleiben wir beim Tempolimit: Es würde die Sicherheit für alle erhöhen, den Verkehrsfluss verbessern sowie Klima und Geldbeutel entlasten. Das sind Fakten. Dass aber gewichtige Vertreter der Nation der Dichter und Denker stattdessen verbal auf eine 16-jährige Schwedin einhauen, die uns mit der unbequemen Wahrheit konfrontiert, spricht doch für sich schon Bände. Woher kommen diese Beißreflexe? Ist es schlicht die Erkenntnis, dass diese junge Frau das Problem erkannt hat, während wir uns weiter um Nichtigkeiten streiten? Es geht um zumutbare Einschnitte: Weniger Fleisch, weniger fliegen, weniger Auto. Sie werden kommen müssen, ob wir wollen oder nicht. Ich bin genervt von dieser ständigen Diskussion.

Sebastian Schiller

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