Im Osten stets Neues

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Der Eastclub in Bischofswerda feierte 25. Geburtstag – wie immer gemeinsam mit Jesus und einsamen Herzen

 Der Schiebocker Eastclub feiert alle Jahre wieder Weihnachten. Und: Geburtstag. Gleichzeitig. Diesmal war es just der 25. – und dabei ward es nicht nur voll, sondern international musikalisch, denn die Kiewer Hypotunez, bekannt dank der seltsamen Song-Europameisterschaft, machten einen netten Abstecher in die Lausitz – und bliesen dem Heiligen Abend, direkt unterm Baum und einem roten Weihnachtsstern, bis weit nach Mitternacht mit eigenwilligem, schrägen Speedfolk das Lametta von den Ohren. Im dreistöckigen Haus, wo oben in der Bar die kompakte Tekknojugend houste, während sich unten an der Bar im Gartenfeeling sich die Altrocker mit ihren echten Jeanswesten treffen, darf generell geraucht werden. Überall herrscht lockere Stimmung nach der Bescherung – mindestens drei Partygenerationen unter einem Dach.

So erinnerten sich garantiert auch einige Zeitzeugen an diesen Einschnitt in die Lausitzer Jugendkultur, als vor 25 Jahren der Klub in exzellenter Lage aufmachte. Direkt in Sichtweite vom Bahnhof, anfangs betrieben als Clubhaus der Biker von „Black Saxon“, die es hier schon vor der Wende gab. Der Start begann mit einer neuntägigen Fatsche – für die gab es eine Sammeleintrittskarte zum Einheitspreis. Inbegriffen waren Bands wie Freygang zum Auftakt am 23. Dezember 1994, Subway to Sally bis hin zu Highlander als erstem britischem Szeneimport.

Damals wie heute Inhaber, privater Betreiber und im Prinzip sein eigener Weihnachtsmann: Heiko Düring, Bautzener des Jahrgangs 1970, heute dreifacher Vater und eine Art Clubfamilienoberhaupt, denn: „Die Neffen, Nichten und Kinder meiner Freunde sind alle schon im Club integriert.“ Er war 1989 als Schlosser in den Westen gegangen, kam 1994 als Bundesbahnbeamter zurück und ist seither als Kulturmanager selbstständig. Er habe schon immer einen starken Drang zur Aktivität, begründet er die beiden Wechsel schmunzelnd: „Jemand anderes hilft als Arzt oder Krankenpfleger – bei mir darf getanzt werden.“

Mit Zugkraft gen Osten wie Hauptstadt

Die allgegenwärtige Diskussion über Generationenkonflikte und Strukturwandel kennt er – auch ihm wird gutes Personal oft weg gelockt. Doch seit der Kredit für das Haus bei der Stadt abbezahlt ist, sieht er das Ganze gelassener, muss nicht mehr jede Woche etwas veranstalten und betreibt den „East“ als passenden „Versammlungsort“ mit Magnetwirkung dank Zugkraft gen Osten nach Bautzen, Löbau, Görlitz, gen Süden mit Zittau – und andererseits gen Dresden im nahen Westen. „Es beruhigt mich, daran teilhaben zu dürfen. Wir sind eine Familie: die Macher und die Gäste. Wir werden zusammen alt.“

Während sich Dresden gern an seiner Hochkultur derart ergötzt, so dass dort das überbordende Liveklubangebot unter öffentlichen Aufmerksamkeitsproblemen leiden muss, wofür weder betroffene Künstler noch Veranstalter Verantwortung tragen und sich Qualität dennoch irgendwie durchsetzt, beginnt genau hier die ostsächsische Pampa, wo die Fans guter Rockmusik dann bis zur Grenze unter genau acht Adressen wählen können.

Dabei ragen sowohl der Eastclub als auch das Kesselhauslager Singwitz südlich von Bautzen nicht nur programmtisch heraus, weil beide von profunden Erwachsenen betrieben werden und bislang ohne die stadttypische Fördergeldgier auskommen. Die Stadt Bischofswerda ist (wie Singwitz) wegen der einstigen Mähdreschermassenproduktion unter dem hinweisenden Kombinatstitel „Fortschritt“ immer noch weltbekannt. Passend dazu auch das Programm, kuratiert und finanziell verantwortet von Geschäftsführer Düring, den Schiebocker Eastclub selbstbewusst als „Heimstadt des Rock’n Roll im ostsächsischen Niemandsland“ betrachtend. So beginnt die „Hall of Fame“ mit Placebo, Kraftklub und Anne Clark, reicht über Gunter Gabriel bis Monokel, verweist darüber hinaus auf Element Of Crime, Culcha Candela oder Los Banditos als Ehrenmitglieder. Auch Phillip Boa & The Voodooclub, West Bam oder Pro Pain aus New York gehören zu den Stammgästen.

Der Eastclub der einsamen Herzen zum : The Hypotunez mit Rauch unter Baum und Stern. Foto: AH

Café der einsamen Herzen

Schön dicht geriet so – wie alle Jahre wieder – das ostklubige Weihnachtsprogramm: Dem heiligen Spätabend, mit dem „Café der einsamen Herzen“ betitelt und angekündigt als das „alljährliche Gipfeltreffen der Weggezogenen und Daheimgebliebenen unserer Lausitz“ und von Düring als der wohl „geselligste Fluchtort vorm heimischen Weihnachtswahnsinn“ beschrieben, ward gekrönt mit The Hypotunez, einer bekannten wie überbordenden Eurovision-Band aus Kiew, die furiosen Speedfolk zum Besten gab.

Am ersten Weihnachtsfeiertag folgte dann ebenso eintrittsfrei die Geburtstagsgala zum 25. mit den in Dresden bekannten Diskjockeys Barrio Katz und Dicktator, beides als Ex-Booker alte Bekannte im Club, aber von Dresden abgeworben, dazu ein Heimspiel für WWB aus BIW, die sich ausgeschrieben World-Weekend Brothers nennen. Am zweiten Feiertag folgte dann mit dem Trio Volter aus Hannover und den Oberlausitzer Quartett The Flaming Fridges als Vorband ein Gang in härtere Gefilde – in jene des Ursprungs als Rockerclub, dem auch per „Clubhausparty Black Saxon MC 2020“ am 8. Februar gehuldigt wird.

Auch 2020 fing sehr gut an: Olaf Schubert kam Anfang Januar samt Freunden gratulieren – natürlich restlos ausverkauft. Am 1. Februar ein ganz anderer Ton: Eric Fish & Friends spielt „Zwischen Ebbe und Flut“ – und danach am Schaltjahrbonusabend (29. Februar, 22 Uhr) ein guter, nahezu jährlicher Bekannter: jener Westbam auf „Risky Sets Tour“, um bis 5 Uhr morgens in den Ex-Tag der NVA reinzufeiern.

Aber wer fehlt denn nun noch in Dürings “Hall of Fame” – so als Ziel für die nächsten 25 Jahre? „Meinen Sie Jesus, Marx – oder besser noch lebende Superstars? Mir sind nette Gäste viel lieber. Seit 1994 wollen wir unseren Frauen eigentlich nur einen schönen Abend bescheren. Der Anspruch gilt noch immer!“ Außerdem sei es mittlerweile die einzige Kulturadresse im Städtchen – und Kultur auf dem Land sei urst wichtig. Deshalb sollen durchaus die junge Generation bald übernehmen, aber da ist er ganz zuversichtlich.

 

Andreas Herrmann

 

Eastclub Bischofswerda (Neustädter Straße 6)

Netzinfos: www.east-club.de

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