Kolumne April 2020

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Leben am Muskelkater-Limit

Treue Leser dieser Kolumne wissen: An dieser Stelle werden Fragen gestellt, die weh tun. Lassen Sie uns also gleich in die Vollen gehen. Wie steht es um Ihre Bikini-Figur? Der Sommer winkt schon von weitem. Näher darf er im Moment nicht heran. Corona, Sie wissen schon. Manch einer versucht sich gerade jetzt zumindest etwas in Form zu bringen. Um zu retten, was zu retten ist. Niemand möchte, dass übereifrige Aktivisten versuchen einen ins Meer zurückzurollen, obwohl man eigentlich nur einen entspannten Strandtag verbringen wollte. Andere überspringen diese Tortur und rutschen von der vorweihnachtlichen Schlemmerphase nahtlos in die nachweihnachtliche Schlemmerphase. Und dann gibt es da George Hood. Wer sagen würde, der 62-Jährige hält sich fit, der würde maßlos untertreiben. Was nämlich in Zeiten von Corona und Wirtschaftskrise völlig untergegangen ist: Hood hat einen neuen Rekord im Planken aufgestellt. Wer damit nichts anfangen kann: Im Wesentlichen befindet sich der Körper dabei im Liegestütz. Vorn allerdings nicht von den Händen gestützt, sondern von den Unterarmen. Normale Fitnessprogramme sehen vor, dass diese Position zwischen 30 Sekunden und einer Minute gehalten wird. Otto-Normal-Sportler fängt spätestens ab der Hälfte an zu zittern wie die Karibik zur Hurrikan-Zeit. Oder ein Nokia 3310, die Älteren werden sich erinnern. Dem ehemaligen Soldaten Hood war das zu langweilig. Er hat ganze 8 Stunden und 15 Minuten durchgehalten. Und das ganz ohne Stock im Hintern. Dass er danach noch 75 Liegestütze durchgezogen hat, wird fast zur Randnotiz. Sie könnten das auch, ganz ehrlich. Alles, was Sie dafür brauchen, ist Zeit und ein Käfig für die innere Schweinehundherde. Der 62-Jährige hat ein entspanntes Fitnessprogramm für Jedermann und -frau ausgearbeitet: 700 Liegestütze, 2.000 Sit-ups und 500 Kniebeugen. Jeden Tag, versteht sich. Menschen, die so etwas wirklich durchziehen, müssen eine ähnliche Willensstärke haben, wie jene, die im Moment gegen jede Vernunft und den Widerstand der Kassiererin 17 Packungen Klopapier aus dem Laden schleppen. Beide sorgen dafür, dass auch ich mich jeden Tag wenigstens kurz bewege. Ich schüttle ungläubig den Kopf. Und überhaupt, wer hamstert ist doch eigentlich nur zu faul zum Plündern. Werfen wir einen Blick über den großen Teich, in das Land der orangenen Präsidenten. Dort sind nicht wie hierzulande Schlangen vor dem Supermarkt zu beobachten, sondern vor Waffenläden. Kein Scherz. In schwachen Minuten denke ich manchmal: Vielleicht sollte die Menschheit einfach untergehen. Dann doch aber ganz entspannt, ohne Muskelkater, dafür mit einer Tafel Schokolade in der Hand.

 

Sebastian Schiller

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