Mein Bücherbord – Klaus Wilke empfiehlt

0

Wege durch Hölle, Fegefeuer und Himmel

Wer mit Lippen, Zunge und Gaumen liest, wer in dieser Art Erzähltes zu genießen weiß, ein Bücher-gourmet also, der bekommt aus der Worte-, Bilder- und Texteküche von Sibylle Lewitscharoff wieder einmal beste Kost. Achtung, ihr neuer Roman „Das Pfingstwunder“ (Suhrkamp,  347 Seiten, 24 EUR) ist aber keine Diät. Gut verdaut ihn, wer in einem Buch nicht nur unterhalten werden, sondern auch staunen und es am Ende mit neuen Erkenntnissen wieder zuklappen will. Erzählt wird von einem Kongress, auf dem sich 34 Dante-Experten aus der ganzen Welt über die „Göttliche Komödie“, ein Wunderwerk mittelalterlicher und erstaunlich aktuell gebliebener Literatur, austauschen. Kapitel für Kapitel begleiten wir Dante und Vergil durch Hölle, Fegefeuer und Himmel, begegnen – mehr in der Hölle als im Himmel – prominenten Personen, Päpsten und Königen. Wir erleben in satirischem Ton Kongressatmosphäre und Wissenschaftlerallüren sowie das pfingstliche Sprachenwunder von Babylon und das geheimnisvolle Verschwinden  aller Teilnehmer (bis auf einen). Das Ganze ist ein stiller Thriller; Action vollzieht sich in ihm mit brillanter Sprache, samt abenteuerlicher Wortschöpfungen, vorgetragener philosophischen und literarischen Betrachtungen.

Um Wissenschaft geht es auch in dem Roman „Unter Professoren“ (Aufbau, 510 Seiten, 22,95 EUR) des Niederländers Willem Frederik Hermans (1921 – 1995). Professor Dingelam hat den Nobelpreis erhalten. Die Freude verklingt schnell, bald fühlt sich Dingelam in der Hölle. Der Neid der Kollegen ist riesengroß. Sie sehen in Dingelam einen Fachidioten, einen Nichtstuer, einen unverdienten Emporkömmling. Studenten haben sich gerade den Tag, an dem Dingelam in der Universität gewürdigt werden soll, ausgesucht, für soziale Anliegen zu demonstrieren und sein Labor zu besetzen. Hermans‘ Roman ist eine beißende Satire auf den Universitätsbetrieb, pseudo-intellektuelle Kleinkariertheit und Engstirnigkeit. Das Buch liest sich gut, hat relativ wenig Handlung, weist aber famose Dialoge auf, die uns oft an Loriot erinnern.

Die Hölle holt ja nicht nur Menschen, sie entlässt auch welche zu teuflischem Werk. „Hilfe, die Russen kommen“ (Regia,  68 Seiten, 10 EUR) heißt ein kleines Büchlein von Wolf D. Hartmann (Text) und Gertrud Zucker (Zeichnungen). Es setzt sich satirisch mit einer verbreiteten Russophobie auseinander und führt sie ad absurdum. Von Androphobie -Angst vor Männern wie Putin – bis Zoophobie – Angst vor Tieren wie dem russischen Bären – listet es 26 Ängste (auch solche, die mit J, Q, X, Y beginnen) auf, die die vermeintliche Hölle bedeuten, wenn eben „die Russen kommen“.

Klaus Wilke

Teilen.

Hinterlasse eine Antwort