Mein Bücherbord – Klaus Wilke empfiehlt

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Ein altbekanntes Gummibandspiel

Jan Böttchers Roman mit dem geheimnisvollen Titel „Y“ (Aufbau, 253 Seiten, 19,95 EUR) erzählt eine reizvolle Liebesgeschichte zwischen einem Deutschen und einer Albanerin aus dem Kosova.  Liest man Besprechungen des Buches, ist man eher abgeschreckt. In der Tat, die Handlung mag verschachtelt und kompliziert erscheinen. So hätte das Buch wohl eher „X“ heißen müssen. Aber wer beim Lesen in Texte eindringen möchte, dem wird der Roman durchaus Gewinn bringen. Die Liebesgeschichte kommt nicht in Pilcher-Art daher, sondern mehr als eine Art „altbekanntes Gummibandspiel“ des Miteinander und Auseinander und Durcheinander. Ein Spiel, das man durchaus auch auf die gegenwärtigen Entwicklungsprozesse in Europa und auf das Verhältnis zu diesem Buch übertragen kann.

Europa ist nicht (nur) Brüssel. Europa ist auch Kathlow zwischen Cottbus und Forst. Es ist einer zunächst mehr zufälligen Begegnung zwischen dem Cottbuser Autor Hartmut Schatte und dem 93-jährigen Paul Bothe zu verdanken, dass mit „Schlesischer Himmel und Lausitzer Erde“ (Regia, 236 Seiten, 15 EUR) das Porträt eines Zeitgenossen entstanden ist, das weit über die Dorfgrenzen hinaus lesenswert ist. Kathlow ist eben wie ein Tautropfen, in dem sich die Welt und damit Europa spiegelt. Es stecken in dem Buch ernsthafte, tiefgründige Recherchen, deren Ergebnisse gewandt und mit Humor aufbereitet worden sind.

Mit „Paradise Ost“ (Ullstein, 348 Seiten, 20 EUR) möchte ich Lesern, die sich noch was aus Büchern über die DDR machen, einen interessanten Roman ans Herz legen. Dies ist ein DDR-Buch fern von Nostalgie und auch von Verteufelung. Jo McMillan erzählt die Geschichte ihrer Mutter, einer englischen Lehrerin und Kommunistin, die in den Siebziger- und Achtzigerjahren während der Sommerferien DDR-Englisch-Lehrer unterrichtete. Was sie dabei erlebte, bei Exkursionen in das Land sah und wie die Liebe einer aus dem Westen zu einem aus der DDR beargwöhnt wurde, zeichnet ein interessantes und ehrliches Bild von dem Land.

Da diesmal alle Bücher einen politischen Anhauch haben, möchte ich Sie auch an einem Sachbucherlebnis teilhaben lassen. Der amerikanische Journalist und Autor Michael d’Antonio verbreitet darin „Die Wahrheit über Donald Trump“ (Econ, 543 Seiten, 24 EUR). Er zeichnet den märchenhaften Aufstieg des Milliardärs nach, gibt aber auch ein Bild von Raffgier und Skrupellosigkeit. Das liest sich wie ein Roman und wirft den Blick auf einen Mann, dem man gern an seinen Familiennamen – Sie wissen ja, wie der ausgesprochen wird – ein  -el  anhängt.
Klaus Wilke

Foto: TSPV

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