Neuer Bautzener Puppenchef agiert mit Witz und vollem Einsatz

0

„Warten in Godow“ hieß es in der Reihe „Spieltrieb“ am Bautzner Burgtheater – von und mit Stephan Siegfried, dem frischen Puppenspartenchef aus dem Norden und in Regie von Jungschauspieler Richard Koppermann. Gemeinsam liefern sie einen furiosen Puppenstreich als Uraufführung für Erwachsene, der Siegfried als Solo mit eingebauten Filmchen im 3-D-Fernseher und zwölf Puppen spielerisch, wie bastlerisch wunderbar gelingt.

Die Grundidee ist die des Einwohnerschwundes auf der kleinen Ostseeinsel Godow mit zehn Einwohnern. Diese erwarten mehrheitlich eine syrische Flüchtlingsfamilie, damit Schule, Konsum und Einmannpolizeiwache vielleicht doch bleiben können. Dabei geht es vor allem um interkulturelle Kommunikation: und zwar nur zwischen Sachsen und Fischköppen. Also um stetes Missverstehen schon ganz ohne andere Fremde – um Humus, Hummus oder Homos, um „Nu“, „Ne?“ und „Ni“, Aische oder Eiche. Der Inselreporter Peter Godow hat Probleme mit Tochter Greta, der Fischer ist nur Angler, der einzige junge und tatkräftige Mann ist der Pole Oleg als Krankenpfleger. Nur Frührentner Günther, als Ex-Fremdenführer der einzig Belesene am Ort, mosert griesgrämig intolerant rum – und das Warten dauert wie bei Beckett mählich an. Die zweite Folge („Windstrom & Artensterben“) ist schon angedacht.

Der Dorfkonsum auf Godow ist auch Bank & Post (Szene mit Maike Maier und Dörte Bromsböttel). Foto: Miroslaw Nowotny

Schon zuvor begann die Spielzeit per Hammer: Der Görlitzer Musiktempel, der sich im Rahmen des eigentlichen jüngst recht schleppenden Kulturraumaustausch ab und an Schauspiel aus Bautzen holt, begann seine Spielzeit mit Dürrenmatts „Der Besuch der alten Dame“. Aber: mit Puppen von Marita Bachmaier auf der großen Bühne und in Regie von Stephan Siegfried. Für die Bautzner Puppensparte, generell eine der fleißigsten der Republik, eine Art Seligsprechung. Auch die zweite Bautzner Puppenpremiere, Anfang Oktober,war ähnlich ambitioniert: „Angst essen Seele auf“ von Rainer Werner Fassbinder für Leute ab 14.

Siegfried kennt vermutlich mindestens eines der drei Godows von Wikipedia persönlich, denn er wurde 1988 in Waren (Müritz) geboren und spielte früh und oft bei der bekannten „Müritz-Saga“ mit. Nach dem Puppenspieldiplom mit Siegel von Ernst Busch, Ostberlin, kam er 2012 nach Bautzen – als jüngstes Ensemblemitglied. Und spielte hier die Titelrolle in „Faust“ und den Wolf des Rotkäppchens, ehe ihn die Neugründung einer Puppentheatersparte für vier Jahre ans Theater Koblenz sog. Seit seiner Rückkehr im November 2018 leitet er das Bautzener Puppentheater. Beim jüngsten Sonnenallee-Sommertheater auf dem Hof der Ortenburg spielten beide – Koppermann und Siegfried – insgesamt 35 Vorstellungen mit je tausend Leuten in sechs Wochen. Im Repertoire taucht der Name Siegfried derzeit in zwölf Stücken mit Rollen auf, dazu kommen sechs mal Regie und je zweimal Verantwortung für Bühne und Puppen. Darunter auch: „50 Shades of Red – Rotkäppchen P18“ – eine Art Theatersport für Märchenfiguren mit  Kultpotenzial.

Andreas Herrmann

 

 

 

Teilen.

Hinterlasse eine Antwort