Neustes Testament

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Auch wenn die Überschrift es vermuten lässt, diese Kolumne soll keine religiösen Gefühle verletzen. Zumindest nicht sofort. Stattdessen stehen zwei konkrete Fragen im Vordergrund: Kann man eigentlich eine Kolumne über den Tod schreiben? Lässt sich ein thematisch und emotional so schweres Thema in wenige Zeilen verpacken und im besten oder schlimmsten Falle aus einem ironischen Blickwinkel betrachten?
Schauen wir uns die Fakten an. Wir haben Sado-Maso in Büchern und Filmen kultiviert, bebildern Titelgeschichten über Abnehmtrends in ermüdender Regelmäßigkeit mit (halb-)nackten Frauen und können stundenlang über das Für und Wider von veganer Bockwurst diskutieren. Der Tod hingegen ist kurioserweise immer noch ein Tabu-Thema, obwohl keiner von uns daran vorbeikommt. Nicht einmal Nichtraucher. Auch Zeitung und Fernsehen lassen uns einfach nicht damit in Ruhe und zeigen unablässig Bilder aus Syrien und vom Mittelmeer. Aber gut, das ist eine andere Art von Tod, richtig? Tod und Politik: Check. Führen wir uns den Tod als das vor Augen, was er ist: normal. Stinknormal sogar.
„Der letzte Wagen ist immer ein Kombi“, sang schon Gunter Gabriel. Und Ralf „ IC Falkenberg“ Schmidt gab kürzlich bei einem Konzert in Cottbus zu, es mache ihn verrückt, nicht wissen zu können, wer auf seiner Beerdigung auftauchen wird. Es liegt in der Natur der Sache, dass sich ältere Menschen eher Gedanken über das Thema machen. Das aber auch die Generationen Y, Babyboom und Facebook darüber nachdenken sollten, liegt eigentlich auf der Hand. Am Ende eines jeden Lebens stehen normalerweise zwei Ereignisse, auf die wir selbst keinen Einfluss haben: der Tod an sich und die Art und Weise, wie andere von uns Abschied nehmen.
Ich konnte meinen Lebtag nicht stillsitzen, warum sollte ich das also bei meiner Trauerfeier von anderen verlangen? Pietät wird überbewertet. Wenn ich eines Tages das Betriebssystem endgültig herunterfahre, sollen in der Kapelle Stehtische auf die Gäste warten und Häppchen gereicht werden. Während sich „Paradise City“ von Guns ’n’ Roses mit dem Besten von Billy Idol abwechselt, werden Gläser mit gutem Whisky oder Federweißer gereicht. Zum Abschluss darf mir jeder sein Glas auf den Deckel hauen und sich auf den Weg zum anschließenden Barbecue machen. Wir betrauern den Tod, anstatt das Leben zu feiern. Ein Umstand, der historisch und vor allem religiös begründet ist. Das waren Hexenverbrennungen aber auch, dieses Argument zieht nicht. Ich finde, wir sollten unsere Definition von Normalität überdenken, erweitern und abseits verstaubter Rituale nach Wohlfühlmaximierung suchen. Darf man also über den Tod schreiben? Unbedingt!

Sebastian Schiller

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