Perlentaucher

0

Fahrradtour von Cottbus nach Spremberg

Bismarckturm und Heldenehrenmal

„Heute bin, ich allein, ja, auch das, muss ab und zu mal sein. (…) Und mein altes Fahrrad bau’ ich auf dem Korridor. Ich glaub, du fielst glatt um, kämst du dazu, grad zur Tür herein!“ Warum Reinhard Lakomy nun ausgerechnet im Flur auf dem Fahrrad rumschraubt, liegt auch daran, dass im Februar der Keller saukalt ist. Viel besser aber als die Flickerei am Drahtesel ist es, sich als Strohwitwer auf das Bike zu setzen und von Cottbus aus nach Spremberg zu radeln. Ich verspreche, da wird einem richtig warm. Belohnt wird man mit einer wunderschönen Strecke, dem Gefühl, mal wieder was für den Körper getan zu haben, und einem interessanten Zielort.

Es war einmal…

Über die Kutzeburger Mühle und Groß Oßnig geht es auf der Bräsinchener Seite des Stausees Spremberg auf dem Seerundweg weiter durch Wald und Heide, bis man beim Örtchen Bühlow rauskommt. Einfach den Anweisungen der Radwegschilder bis nach Cantdorf folgen und danach ist es geschafft. Zirka 27 Kilometer Strecke und wir tauchen mitten auf und ein in die Perle der Lausitz „also known as“ Spremberg! Um diesen Namensbegriff hatten sich Grodk (niedersorbisch) und Guben ein wenig gestritten, sei es drum, seit 2013 trägt Spremberg offiziell die Zusatzbezeichnung. Die Altstadt liegt zwischen zwei Spreearmen auf einer Insel, der Georgenberg erhebt sich hinter dem Schloss und die Uhren ticken deutlich langsamer (Boah der arrogante Cottbuser) – all das hat Charme. Auf dem Marktplatz wird Kaffee und Kuchen verzehrt und dann geht es ins modernste Gebäude am Platz, nämlich ins Bürgerhaus, in dem sich das Tourismusbüro befindet. Hier erhält man kostenlos eine gut gemachte Broschüre mit dem Titel „Stadtrundgang durch Spremberg“. Der Name ist Programm. Insgesamt 16 Sehenswürdigkeiten sind auf dem Stadtplan eingezeichnet und los geht’s.

Das Jänschwalder Christkind im Heidemuseum

Beginnend vom Marktplatz geht es zum Schloss und den Georgenberg hoch und wieder runter, mit kurzem Bogen zurück zur historischen Altstadt. Die Stadt zeigt, was sie hat und trägt Interessantes zutage. Hätten Sie gewusst, dass Spremberg von 1871 bis 1920 der geographische Mittelpunkt des Deutschen Reiches war? Ein Gedenkstein erinnert an diese Anekdote. Überhaupt Geschichte. Auf dem Georgenberg hat man nicht nur eine tolle Aussicht auf Spremberg und Umgebung, sondern hier erleben wir die mahnende Seite von historischen Umwälzungen und Katastrophen. Der Georgenberg ist seit 1828 ein Friedhof. Rund um ein Wahrzeichen der Stadt, dem Bismarckturm, 1898 zur Erinnerung an den verstorbenen Reichskanzler Otto von Bismarck aufgestellt, liegen die Gebeine der Soldaten aus beiden Weltkriegen, wurde ein sowjetischer Ehrenfriedhof errichtet, steht die Gedenkstätte der Opfer des Faschismus (bis 1958 noch Heldenehrenmal für die Gefallenen Spremberger Soldaten des 1. Weltkrieges). Das alles wirkt so gedrängt, so komprimiert, die Toten immer noch im Kampf um Deutungshoheit von Geschichte, dass man über den Wahnsinn nachdenklich und bescheiden hoffnungsvoll auf den friedfertigen Horizont blickt. Nie wieder Krieg, bleibt hier oben nicht Floskel. 

Erwin Strittmatter

Natürlich muss ich das Schloss Spremberg am Schwanenteich erwähnen. Ich zitiere die Tour-Broschüre: „Aus einer romanischen Turmburg um 1100 entstanden, wurde das Schloss Spremberg unter der Regentschaft der Herzöge von Sachsen-Merseburg in eine frühbarocke Vierflügelanlage umgebaut. Im Schloss ist heute neben der Bibliothek und der Musik- und Kunstschule auch das Niederlausitzer Heidemuseum untergebracht.“ Zack! Museumsklinke gedrückt, ran an den Kassentresen, Eintritt gezahlt und sich die Ausstellungen angekiekt. Neben den klassischen Heimatmuseumsexpositionen – also Stadtgeschichte, sorbische Geschichte (toll!), Flora und Fauna der Heimat – waren die interessantesten Räume für den Autor, diejenigen über das berühmteste Kind der Stadt: den Schriftsteller Erwin Strittmatter. Geboren und aufgewachsen in bzw. nahe Spremberg – ein Bestandteil des Stadtrundgangs ist das Erwin-Strittmatter-Gymnasium – hat er in der berühmten Roman-Trilogie „Der Laden“ die Perle der Lausitz wohl für alle Zeiten literarisch verortet. Auch die kontroversen Seiten im Leben des Schriftstellers sind erwähnt. Auf einem Strittmatter-Plakat in der Ausstellung, und damit möchte ich meinen Katzensprung beenden, stehen folgende Worte von ihm geschrieben: „Viele Jahre meines Lebens gingen dahin, bis ich Mut genug beisammen hatte, das Hohngelächter der Dummköpfe und den Spott der Besserwisser für nichts zu achten, bis ich zu sagen und zu schreiben wagte, was ich sah, was ich fühlte, was ich dachte, und nicht, was ich hätte sehen, fühlen und denken sollen.“              

Daniel Ratthei

Mein Tipp: Auf dem Rückweg nach Cottbus überholte ich einen Mann auf seinem Fahrrad. Wenig später überholte der Mann wiederum mich. Hilfe – es entspann sich unverhofft ein (sportliches!) Wettrennen. Sollten sie jemals in eine solche Situation geraten, nehmen sie gelassen an. Sie sind wesentlich schneller zuhause.   

 

 

 

 

 

 

Teilen.

Hinterlasse eine Antwort