Seit nunmehr 20 Jahren ist Kelle3000 aktiver Musiker und Produzent. In seinem Studio bastelt der selbsternannte Klangforscher und Soundtüftler an Beats, schraubt an Sounds herum und baut sich seine eigenen Klangwelten zusammen. Bereits über 80 Alben sind das Resultat seiner immensen Schaffenskraft.
Die experimentell-elektronische Musik von Kelle ist gekennzeichnet von einer überaus eigenwilligen Sound-Dynamik durchzogen von Spannungsbögen, deren ungeheurer Facettenreichtum seinesgleichen sucht. Sein unkonventioneller Stil lässt sich nicht auf ein einzelnes Genre festnageln. Er ist eine bunte Mischung aus Intelligent Dance Music, TripHop, Industrial, Ambient, down tempo und Breakcore, die trotz oder gerade aufgrund ihrer unerwarteten Wendungen einen klaren Wiedererkennungswert aufweist.
Fest steht: Kelle3000 produziert keine massentaugliche Ware für den Mainstream, was aber fraglos auch nicht seinem Anspruch entspricht. Wer seine Musik fühlen will, muss sich Zeit nehmen, sich ihr hingeben. Als Belohnung dafür wartet jeder einzelne seiner liebevoll und detailversessen durchkomponierten Songs mit seinen ganz besonderen spielerischen Eigenheiten auf.
Kelle ist nicht nur Vollblut-, sondern auch Vollzeitmusiker. Leben heißt für ihn, voll und ganz in der Musik aufzugehen. Dabei verfolgt er kein finanzielles Interesse, sondern versteht sein Tun als Mechanismus der Selbstfindung und Selbsterfüllung, nicht zuletzt als eine Art Eskapismus, durch den er sich der großen Maschinerie zu entziehen vermag, um auf einer ganz eigenen Wellenlänge zu schwimmen. Das Studio ist sein zweites, wenn nicht gar sein erstes Zuhause. Hier steht er Tag für Tag und geht obsessiv seiner Berufung nach. Es ist zugleich auch seine Werkstatt, in der er an selbst gebauten Instrumenten tüftelt, aus deren Sounds er neue Samples für seine Musikstücke kreiert. Hierfür kommt ihm seine Nebentätigkeit in der Instrumentenrestauration zugute. Bezüglich seiner Solo-Projekte arbeitet Kelle komplett unabhängig. Vom Samplen seiner selbst erzeugten Klänge und Geräusche über das Bauen seiner Beats bis hin zum Mixen und Mastern der Songs erledigt er alles selbst – ein für ihn unabdingbarer Umstand, da er nur so zu hundert Prozent für seinen eigenen, ganz speziellen Sound bürgen kann.
Neben seinen Solo-Projekten ist Kelle stets auf verschiedenen Baustellen gleichzeitig zugegen und arbeitet – immer auf der Suche nach außergewöhnlichen Persönlichkeiten – eng vernetzt mit anderen Musikern und Künstlern anderer Sparten zusammen. So gehören auch Filmmusik und Soundtracks für Galerien und Performance Künstler zu seinem Repertoire. Erst kürzlich hat er für die in deutschen Bahnhöfen installierte Wanderausstellung „entkoppelt“, in der obdachlose Jugendliche porträtiert werden, die Musik beigesteuert. Solidarität, so betont er, wird bei ihm groß geschrieben. Zugleich beklagt er den seines Erachtens fehlenden Zusammenhalt innerhalb der Szene. Für ihn wichtige Wegbegleiter waren die Cottbuser HipHop-Pioniere Die Klöten, mit deren ehemaligen Mitglied Pimpone er seit zwei Jahren das Sample-Musik-Festival mitgestaltet. Der Illustrator Glönn hat bereits mehrere seiner CD-Cover gestaltet. In diesem Jahr steht zudem ein für ihn ganz besonderes Ereignis an, wenn er mit seiner Live-Drum‘n‘Base-Combo Jonny Cräsh nach 18-jährigem Band-Bestehen und unzähligen Auftritten das erste Studio-Album releasen wird.
Als Gegenpol und akustischer Ausgleich zu seinem meist sehr brachialen Sound ist Kelle als Gitarrist Teil der Band Die Schinkenklopfa. Das ungewöhnliche Dreier-Ensemble mit Klarinette und klassischem Gesang versorgt das Publikum zu verschiedenen Anlässen mit entspannten Eigenarrangements vorrangig jiddischer Songs.
Absolut empfehlenswert sind darüber hinaus Kelles bis ins kleinste Detail durchinszenierte Live-Shows, die jedes Mal aufs Neue ein Ereignis für sich darstellen. Man darf gespannt sein, was als Nächstes ansteht.
Pinchas Flemming
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