– der Weg zum Cottbuser Ostsee erscheint lang
Es ist ein gigantisches Projekt, das vor den Toren der Stadt Cottbus unter der Anstrengung vieler jahrelang vorbereitet worden ist. Im Frühjahr letzten Jahres sollte dann die Natur die Regie in diesem Projekt übernehmen. Doch die Natur scheint sich Zeit zu lassen, beim Fluten des Cottbuser Ostsees, dem bald größten künstlichen See Deutschlands.
Seine Größe von 1.900 Quadratkilometern genauso wie sein Vorleben als Tagebau haben ihm bereits deutschlandweit viel Aufmerksamkeit beschert. Der Cottbuser Ostsee soll einmal das Aushängeschild der Stadt Cottbus und Erholungsort für Einheimische und Besucher werden. Als Teil einer Modellregion „Cottbuser Ostsee“ soll an seinen Ufern die Stadtentwicklung unter dem Fokus der Nachhaltigkeit stehen und die Herausforderungen des Strukturwandels mit innovativen Ideen angegangen werden. Eine entsprechende Absichtserklärung haben die Stadt Cottbus, die BTU Cottbus-Senftenberg und die LEAG, als Eigentümerin des ehemaligen Tagebaus Cottbus-Nord, im Herbst 2020 unterzeichnet. Der Wille zum Gestalten ist also da. Doch nach zwei zu trockenen Jahren in Folge stellt sich die Frage, wo das Wasser für den See bleibt?
Bis auf kurze Perioden vor allem in den Wintermonaten konnte der Hahn des Einlaufbauwerkes noch nicht über längere Zeit aufgedreht werden. Kann der Plan, den See bis zur Mitte der 2020er-Jahre fertig zu fluten, überhaupt noch aufgehen? Mehr als 80 Prozent des Seewassers sollen aus der Spree in den See fließen, der restliche Anteil ergibt sich aus dem aufsteigenden Grundwasser, so hat es die LEAG geplant. Auf seiner Internetseite gibt das Energieunternehmen aktuell einen Füllstand an, der bereits über 40 Prozent ausweist. Gemeint ist damit allerdings der Füllstand bezogen auf die aufzufüllende Wasserhöhe und gemessen wird in den tiefen Randschläuchen. „Sobald der Wasserstand darin die Höhe der durch die Förderbrücke geschütteten höher liegenden Innenbereiche des ehemaligen Tagebaus erreicht haben wird, verteilt sich das Wasser über die gesamte Seefläche und der Anstieg des Füllstandes wird sich deutlich verlangsamen“, erklärt die für den See verantwortliche Leiterin der Geotechnik bei LEAG Franziska Uhlig-May. Auf die Frage, ob die Flutung noch im Plan liegt, versichert sie, dass ein Flutungsende in der Mitte der 2020er-Jahre weiterhin möglich sei. „Mit dem Eintreten solcher Trockenzeiten, wie wir sie in den vergangenen Sommern erlebt haben, haben wir gerechnet. Denn unserem Flutungsplan liegen verschiedene Wettersituationen mit unterschiedlichen Niederschlagsmengen für einen Vorhersagezeitraum von 2003 bis zum Jahr 2102 zugrunde“, so Franziska Uhlig-May. Auch Temperaturerhöhungen in Folge des Klimawandels seien bei den Berechnungsszenarien und Bewirtschaftungsmodellen für den See mitbetrachtet worden.
Doch ist für viele Skeptiker der See überdimensioniert. Sie befürchten weiterhin langanhaltende Trockenzeiten verbunden mit hohen Verdunstungsraten für alle Gewässer in der Region und damit Wassermangel auch für den Cottbuser Ostsee. Die LEAG selbst weist in ihren Veröffentlichungen darauf hin, dass der mittlere Seewasserstand wie bei allen natürlichen Gewässern witterungsbedingt schwanken wird. „Der künftig mittlere Wasserstand von +62,5 Meter NHN wird ohne zusätzliche Wassereinleitungen um etwa einen halben Meter nach oben und unten schwanken. Der Grundwasser-Zufluss genauso wie Niederschläge werden nach unseren Berechnungen dazu beitragen, die Verdunstung im jährlichen Mittel auszugleichen“, versichert Franziska Uhlig-May und erinnert an die geografische Lage des künftigen Sees im Baruther Urstromtal unterhalb des Lausitzer Grenzwalls. „Das Grundwasser fließt entsprechend dem Gefälle vom Grenzwall auf seinem Weg Richtung Spreewald auch dem Cottbuser Ostsee zu. Ist der See einmal geflutet, reicht der Zufluss aus seinem eigenen Einzugsgebiet also aus, um den Wasserstand zu halten“, so Franziska Uhlig-May.
Für einen später ungestörten Badegenuss wird allerdings auch sauberes Wasser gebraucht. Dass der jahrzehntelange Bergbau in der Lausitz zu erheblichen Problemen in der Wasserwirtschaft geführt hat, lässt sich in der Lausitz immer noch beobachten. So ist die braune Spree bei Spremberg ein Resultat des mit der Wende stillgelegten Altbergbaus. Die Wasserbeschaffenheit im Cottbuser Ostsee wird durch die LEAG mit regelmäßigen Messungen überprüft und scheint auf einem guten Weg zu sein. „In den mit klaren Spreewasser gefluteten Seebereichen messen wir aktuell pH-Werte zwischen 7 und 7,3 und sehr geringe Eisengehalte von kleiner 2 Milligramm pro Liter. Damit liegen wir voll in der Beschaffenheitsprognose“, zeigt sich Franziska Uhlig-May zufrieden.
Im Vergleich zu anderen Tagebauseen würden sich vor allem die kalkreicheren Abraumsubstrate im ehemaligen Tagebau Cottbus-Nord günstig auf die Wasserbeschaffenheit im künftigen See auswirken. „Unter diesen Voraussetzungen werden sich Fische, Wasservögel und auch andere Tiere im und am Wasser wohlfühlen“, ist sich Franziska Uhlig-May sicher. Nach flächendeckenden Niederschlägen im Einzugsgebiet der Spree bei Bautzen im Oktober hat sich die Wassersituation in der Lausitz an Spree und Schwarzer Elster zuletzt entspannt. So ist der Wasserstand in der Talsperre Spremberg um fast einen halben Meter gestiegen. Dennoch bleibt ihre Füllhöhe mit rund 91 Metern Normalhöhennull weiter auf niedrigem Niveau. Wasser für den Ostsee aus der Spree kann auch erst wieder fließen, wenn entsprechend der Rangfolge der Wassernutzung die Bedarfe der Trinkwasserversorgung, des Spreewalds, der Binnenfischerei und der Füllstände für die Talsperren gedeckt sind. Für den Ostsee heißt es also noch warten bis auch die Natur in ihrem Drehbuch Wasser für den Ostsee vorsieht.
Robert Gordon