uni-versal: „Holzbauten überstehen Jahrhunderte“

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Hochschuldozent Dr.-Ing. Diethard Steinbrecher ist an der BTU Cottbus-Senftenberg ein Ein-Mann-Betrieb. Er ist für das Fachgebiet Holzbau zuständig. Er doziert, hält Vorlesungen, gibt Seminare, lässt seine Studenten Arbeiten schreiben, kontrolliert sie und betreut Master-Arbeiten. Ende August geht er in Rente. Was dann aus seinem Fachbereich werde, wisse er nicht, sagt er.
In seinen Vorlesungen sagt er zum Beispiel: „Holz ist ein nachwachsender Rohstoff, aus dem Plus-Energie Bauteile mit einem negativen Global-Warming-Potential hergestellt werden können. Hinzu kommen sehr gute bauphysikalische als auch Festigkeits- und Steifigkeitseigenschaften bei geringem Eigengewicht. […] Die vergleichenden Ökobilanzen zeigen, dass der Einsatz von Bauteilen aus Holz oder Holzwerkstoffen in langlebigen Bauwerken zwingend erforderlich ist.“ Bei verbautem Holz bleibe zum Beispiel CO2 gespeichert, während es bei der Verbrennung freigesetzt wird. Hermann sprach mit ihm über 300-Meter-Hochhäuser, Brandgefahr und lastabtragende Strukturen.

Herr Steinbrecher, welche Bedeutung hat denn der Holzbau heutzutage?
Holzbau gehört vom Konstruktiven her, neben Massivbau und Stahlbau, zu den drei Grundfächern des Bauingenieurwesens. Die Bedeutung des konstruktiven Holzbaus hat in den jüngsten Jahren international dramatisch zugenommen.

… kann man das zeitlich eingrenzen?
Der Trend begann Mitte der 90er-Jahre, als das Umdenken in Richtung ökologische Bauweise einsetzte. Man ist inzwischen in der Lage, hochbelastbaren Straßenbrücken, die Schwerlastverkehr aushalten – wir sprechen dabei nicht von Fahrradbrücken, wie hier in Cottbus – zu bauen. Solche Brücken gibt es in den USA oder Skandinavien, speziell in Norwegen. Holzbau geht bis dahin, dass jetzt in Kanada ein 18-geschossiges Hochhaus, 58 Meter hoch, in Holzskelettbauweise errichtet wird. In London ist ein 300-Meter-Hochhaus in Planung. Die Schweiz und Österreich sind übrigens Vorreiter im mehrgeschossigen Holzbau.

Wie sieht es in Deutschland aus?
Hier bei uns klemmt die Säge ein bisschen. Das hängt mit den Brandschutzanforderungen zusammen. Im Jahre 2004 ist eine neue Bauwerkskategorie eingeführt worden, was die Brandschutzbemessungen betrifft, damit man den Einsatz für Holz auch in diesem Bereich erweitern kann. Das erste Musterhaus, was man damals vielleicht auch in der Presse mitbekam, war der Siebengeschosser in Berlin, der als Lückenbebauung in Holzskelettbauweise entstand.

Brandgefahr ist sicher ein elementarer Gedanke beim Bauen mit Holz. Sind da nicht ganze Innenstädte eben wegen Häusern in Holzbauweise abgebrannt?
Das ist richtig. Das hat aber wenig mit dem Holz zu tun, das bei lastabtragenden Konstruktionen verwendet wird. Das Problem ist die immobile Brandlast, wie die Ausrüstungsgegenstände, die sich im Gebäude befinden. Die bestimmen da auch das Brandgeschehen. Eine Holzkonstruktion verhält sich im Brandfall viel günstiger als eine Stahlkonstruktion. Während Holz kontrolliert von außen nach innen abbrennt, ist es außerdem ein guter Wärme-Isolierer. Zum Beispiel wurde bei Brand-Untersuchungen festgestellt, dass es nach 60 Minuten Brand im Inneren des Holzes kaum Veränderungen bei der Temperatur gab. Stahl ist innerhalb kürzester Zeit durchgewärmt und bricht zusammen. Holz brennt kontrolliert ab und es bleibt ein Restquerschnitt, der berechnet werden kann. Ein 24 auf 24er-Balken hält ungefähr 40 Minuten dem Feuer stand. Tragende Balken sind ja in der Regel viel größer. Wenn sie sich mit Feuerwehrleuten unterhalten, dann gehen die lieber in brennende Holzhäuser als in Stahlgebäude.

Warum hat Holz als Baustoff so sehr an Bedeutung verloren?
Das Hauptargument war immer: Es brennt ja! Die meisten wissen vom Lagerfeuer her, dass Holz brennt. Das wurde automatisch umgelegt auf eine Holzkonstruktion, aber auch ganz bewusst geschürt durch die Ziegelhersteller. Da geistern schöne Sachen durchs Internet, die zeigen, wie schädlich Holz sein kann. Da wird aber verschwiegen, dass es sich meistens um Baufehler handelte, die zum totalen Abbrand führten. Die Menschen sterben nicht wegen der Konstruktion, sondern weil die brennenden Einrichtungsgegenstände Pyrolyse-Gase entwickeln, bei denen sie kaum Überlebenschance haben. Da spielt die Bauweise keine Rolle.

Kann es daran liegen, dass Holz schneller verrottet?
Nein, das sind immer nur Bau- oder Konstruktionsfehler. Das kann ihnen beim Steinhaus genauso passieren, dass dort zum Beispiel Schimmel wächst. Wenn Holz richtig eingesetzt wird, steht so ein Holzhaus tausend Jahre. Man kann sich das bei den Stabkirchen in Norwegen anschauen. Die ersten  wurden 1015 gebaut. In vielen dieser Kirchen finden wir innen noch das ursprüngliche Material. Außen rum nicht mehr, das ist klar, das sind Verschleiß-Schichten, wie Schindeln usw., die wurden erneuert. Aber die lastabtragende Struktur ist in großen Teilen noch vorhanden.

Es besteht nicht die Gefahr, dass durch verstärkten Holzbau der Wald zerstört wird? Es geht ja die Mär um, dass England früher dicht bewaldet war und wegen des Flottenbaus seine Wälder verloren hat.
Das ist tatsächlich so. Das war nicht nur in England so, sondern es kam in ganz Europa aufgrund des Flottenbaus zum Holznotstand. Das führte soweit, dass es Energiemangel gab und selbst solche Leute wie Johann Wolfgang von Goethe sich mit der Entwicklung von Energiesparöfen beschäftigten. Das Problem bei der Nutzung als Baumaterial besteht nicht, sondern bei der Nutzung als Energieträger. Man hat in diesem Zuge angefangen, Schnellumtriebs-Plantagen anzupflanzen. Das heißt, Holzarten anzupflanzen, die innerhalb von fünf Jahren Holz entwickeln, um sie dann zu „ernten“, wie Pappeln oder Weiden. Das schädigt nachhaltig unser Ökosystem. Ein Baum, den ich als Konstruktionsholz  einsetze, braucht einen bestimmten Anteil an Kernholz, sonst ist der Balken nicht tragfähig. Eine Kiefer muss normalerweise 80 bis 100 Jahre wachsen, bevor sie geschlagen werden darf, um als Konstruktionsholz verwendet werden zu dürfen. Eine Buche sogar 200 Jahre. Eiche noch länger. Fichte pegelt sich auch bei 100, 120 Jahren ein. Wenn ich also Holz als Konstruktionsholz verwende, garantiere ich für die eben genannte Zeitspanne einen gesunden Wald. In 80, 120 Jahren kann sich ein ordentliches Ökosystem entwickeln. Nach dem Fällen der Bäume muss natürlich wieder aufgeforstet werden. Und dann muss diese Aufforstung auch wieder diese lange Wachstumsphase bekommen.

Gibt es so etwas irgendwo?
Ja. Wir haben in Deutschland derzeit den glücklichen Umstand, dass mehr Bäume nachwachsen als geschlagen werden. Das zeigen die Waldberichte. Das ist statistisch sichergestellt.

Interview: Heiko Portale
Foto: Dr.-Ing. Diethard Steinbrecher © TSPV

Tipp
31. März, ab 9 Uhr, Brandenburgischer Bauingenieurtag mit dem Schwerpunkt Holzbau, BTU Cottbus-Senftenberg – Gespräche, Vorträge (öffentlich)
Infos >> HIER <<

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