Von Barbier zu Barbier – Andreas Jäpel ist Wozzeck

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Andreas Jäpel singt und spielt die Titelpartie in Alban Bergs Oper „Wozzeck”

Am 24. Juni hat im Großen Haus des Staatstheater Cottbus Alban Bergs Oper „Wozzeck“ nach dem Schauspiel „Woyzeck” des 1837 jung, mit 23, verstorbenen Georg Büchner Premiere. Die musikalische Leitung liegt in den Händen von GMD Evan Christ. Regie führt Christiane Lutz a.G. Für die Ausstattung sorgt Natascha Maraval. Andreas Jäpel singt und spielt die Titelpartie. Sie stand schon lange auf seiner Wunschliste.

Seit 1999 im Staatstheater Cottbus engagiert, hat der gebürtige Dresdner (Kruzianer und Dynamofan!) hier über 50 Opernpartien gestaltet. Eine wundervolle Jobliste auf der Bühne, die jetzt im gewissen Sinne zu ihrem Anfang zurückkehrt. Er begann nämlich als Barbier auf der Bühne und rasiert in seiner jetzigen Rolle den Hauptmann. Dazwischen „arbeitete” er als Diener, Zimmermann, Chirurg, Maler, Soldat und Soldatenveteran, Vogelfänger, Polizeichef, Besenbinder, Gefängnisgouverneur, regierte und intrigierte als Graf, König, Kaiser. Was für eine Karriere! Diese gewitzte Bemerkung gewinnt Seriosität, wenn wir an die Stelle dieser Jobs die Opern setzen, in denen Jäpel sie ausübte: „Don Giovanni”, „Zar und Zimmermann”, „Macht des Schicksals”, „La Bohéme”, „Margarete”, „Ein Maskenball”, „Die Zauberflöte”, „Tosca”, „Hänsel und Gretel”, „Fidelio”, „Der Troubadour”, „Don Carlos”, „Aida” u.v.a.m. Ein eindrucksvoller Sängerdarsteller, ein wohltönender Heldenbariton.

Nun also Wozzeck. Eine Traumrolle? Warum? „Diese Figur hat etwas Spezielles. Eine armselige Kreatur aus der untersten Charge der Gesellschaft”, erklärt Andreas Jäpel. „Sozial erniedrigt, moralisch verlacht und verhöhnt, ausgebeutet, zum Versuchskaninchen degradiert. Alles Elend einer unmenschlichen Welt hat sich in ihm angesammelt. Er muss sich, um seine kleine Familie zu ernähren, einem Doktor für Experimente zur Verfügung stellen, sich vom Hauptmann moralische Vorhaltungen gefallen lassen und ansehen, wie ihm der Tambourmajor seine Frau ausspannt.” So eine Figur darzustellen, spannt an, zehrt. Jäpel: „Ich habe große Charaktere gespielt, Helden, positiv, negativ. Aber was für ein Held ist das? Ein Anti-Held. Das hat mich fasziniert. Und dann: Wozzeck und ich haben Frau und Kind. Abends, wenn ich von der Probe kam, Aufatmen. Was für ein Unterschied in den Lebensmöglichkeiten. Ich erlebte  zwei Parallelwelten. Das half, die Wozzeckwelt zu verstehen, die Zwänge, in denen Wozzeck lebt, und wie er strampelt, um da rauszukommen, und dennoch keine Chance hat. Die Katastrophe ist unvermeidlich.”

Diesen letztgesagten Satz dachte Jäpel auch, als er die Partitur zum ersten Mal aufschlug. Er hatte ja die Wozzeck-Inszenierung eines früheren Kommilitonen in Essen gesehen und Feuer gefangen. „Die Musik war schmissig und direkt auf den Charakter gezielt. Als ich die Noten sah, dachte ich aber, ein Hammer fällt mir auf den Kopf. Bekanntlich alles in Zwölftontechnik. Fast jede Note mit einem Extrazeichen modifiziert. Das schaffst du in einem Jahr nie, sagte ich mir. Zum Glück hat man ein zweites Ego, das mir zurief: Du musst aber. Ich gab ihm nach. Als andere am Jahresanfang Urlaub machten, schwitzte ich mit einem Korrepetitor über den Noten und drang langsam, aber stetig in die Gedankenwelt des Alban Berg ein und verstand, wie er mit dem vermeintlich ,kruden Zeug‘ Wozzecks Charakter nachzeichnete. Ich war nun drin in Stück und Seele und wusste wieder, warum mich diese Oper damals in Essen so fasziniert hat.”

Weil Sängerdarsteller wie Jäpel alles über ihre darzustellende Figur wissen wollen, vertiefte er sich in Büchners „Woyzeck”, sah sich den Film mit Klaus Kinski von 1979 an, las Abhandlungen von Alban Berg darüber, wie der Opernstimmen behandelt haben will und dass man auch in der atonalen Musik Belcanto singen kann, und weitere Bücher.
Freuen wir uns auf den „Wozzeck”! Und wünschen wir dem erfolgreichen Bariton auch die Erfüllung weiterer Wünsche wie Rigoletto, den Holländer, Hans Sachs. Da hat er was vor, dieser Andreas Jäpel!
Außerdem spielen Gesine Forberger, Jens Klaus Wilde, Dirk Kleinke, Ulrich Schneider, Hardy Brachmann, Carola Fischer/Marlene Lichtenberg, Ingo Witzke, Christian Henneberg, Thorsten Coers.

Klaus Wilke
Foto: Andreas Jäpel. © Marlies Kross

PREMIERE
24. Juni, 19.30 Uhr
Großes Haus, Staatstheater Cottbus

Infos: Staatstheater Cottbus

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