Weit mehr als ein Trachtenladen

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Wer war noch mal die Mittagsfrau? Wie steht es um die politische Situation der Sorben/Wenden in Brandenburg? Und wie feiern sorbische Kinder eigentlich Weihnachten? Fragen wie diese beantwortet die wendische/sorbische Kulturinformation LODKA (dt. „Truhe“) am Cottbuser Schillerplatz.  

„Wenn hier jemand reinkommt und sich für die sorbische Kultur interessiert, gehen wir gerne auf seine Fragen ein. Mitunter sind unsere Besucher ganz erstaunt, weil wir uns über eine Stunde Zeit für sie genommen haben,“ erklärt Milena Stock, die Leiterin der LODKA.

Die Frauen von der LODKA tragen ihr Wissen auch in die Welt hinaus – sofern nicht gerade eine Pandemie wütet. „Wir sind als Botschafter für die sorbische Kultur unterwegs, beispielsweise auf dem Brandenburg-Tag, dem Cottbuser Stadtfest und auf der internationalen Sprachmesse Expolingua. Übrigens treten wir draußen grundsätzlich in Tracht auf. Das hilft dabei, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen.“ 

Anfänge als Fachgeschäft

Milena Stock, Leiterin der sorbischen Kulturinformation LODKA. Foto: JB

In der DDR-Zeit war die LODKA ein Spezialgeschäft für Trachtenzubehör und Brauchtumsbedarf. Zur Kulturinformation wurde sie erst nach der Neugründung im Jahr 1992. Und bis heute fungiert sie auch als Laden: Für Bücher des Domowina-Verlags, antiquarische Bücher, Trachtenzubehör und Kunsthandwerksgegenstände, z. B. handgenähte Community-Masken in Blaudruck-Optik.

Außerdem organisiert die LODKA Kulturveranstaltungen. So hat sie in knapp 30 Jahren fast 120 Ausstellungen entwickelt. Sehr beliebt sind die Vernissagen, die derzeit aber nicht stattfinden können. „Ab dem 5. November zeigen wir beispielsweise historische Fotos zu sorbischen Hochzeitsbräuchen in der Schleifer Region. Dazu hatten wir eigentlich eine richtig schöne Ausstellungseröffnung mit Schleifer Musik geplant. Doch das mussten wir canceln.“ Die Feierlichkeiten zum 30-jährigen Jubiläum des Wendischen Hauses mussten ebenfalls ausfallen.

Doch Corona hatte nicht nur negative Auswirkungen auf die LODKA. „Im April hatten wir geschlossen. Aber diese Zeit ohne Besucherverkehr haben wir gut genutzt: Wir haben unsere Ausstellung über die Sorben in der Lausitz komplett überarbeitet. Das ist eine große Wanderausstellung – sie umfasst 16 Tafeln. So etwas kann man nicht einfach nebenbei machen. So gesehen hatte Corona wenigstens ein Gutes.“ Insgesamt gibt es fünf verschiedene Wanderausstellungen; sie alle können kostenfrei entliehen werden.

Doch so viel die LODKA zu bieten hat, so wenig präsent ist sie im Bewusstsein der Cottbuser. Milena Stock erzählt: „Gestern sprach ich zum Beispiel mit einer jungen Cottbuserin, die meinte ‚Ich hab gar nicht gewusst, dass es sie gibt. Dabei gehe ich hier fast täglich vorbei!‘“

Ein Bücherschatz

Gleich neben der LODKA befindet sich die Niedersorbische Bibliothek. 2019 übernahm die Stiftung für das sorbische Volk die Trägerschaft; seither hat sich viel verändert: Simone Poetzsch und der sorbische Liederpoet Bernd Pittkunings übernahmen die Leitung der Bibliothek. Sie inventarisierten die rund 9000 Medien neu und pflegten die Daten in einen Online-Katalog ein. „Derzeit arbeiten wir daran, zu jedem Buch eine kurze Inhaltsangabe auf Deutsch zu geben,“ erklärt Bernd Pittkunings.

Die Bibliothek führt Literatur über die sorbische Geschichte, Sprache und Kultur. Simone Poetzsch spezifiziert: „Wir haben hier Chroniken von wendischen Dörfern, außerdem viel Material über Bräuche, Feste, Trachten. Hinzu kommen Kinderliteratur, ein Archiv sorbischer Zeitungen und viele CDs und DVDs. “ „Genau, und Liederbücher,“ ergänzt ihr Kollege. „Wir haben übrigens die größte Sammlung an niedersorbischer Literatur in der Niederlausitz.“

Sind bei der Bestandsaufnahme auch besondere Schätze aufgetaucht? „Ja, die Odyssee auf Obersorbisch, die ist schon über hundert Jahre alt! Und ich habe ein handsigniertes Buch vom bedeutenden Prediger Johann Friedrich Teschner entdeckt.“

Übrigens: Man muss nicht sorbisch sein oder Sorbisch verstehen, um hier willkommen zu sein. Wer die Bibliothek nutzen möchte, muss sich nur anmelden und einmalig fünf Euro zahlen. „Viele Leute fürchten leider, dass sie hier nichts verstehen. Dabei sind die meisten unserer Bücher auf Deutsch oder zweisprachig,“ meint Bernd Pittkunings.

Jasper Backer

 

Sorbische Kulturinformation LODKA:
August-Bebel-Str. 82, 03046 Cottbus/Chóśebuz
Tel. 0355 485 76 468

Mo. – Fr. 10:00 – 16:30 Uhr

Niedersorbische Bibliothek:
August-Bebel-Str. 82, 03046 Cottbus/Chóśebuz
Tel.: 0355 485 76 473

Di. – Do. 10:00 –16:30 Uhr, Fr. 10:00 – 12:00 Uhr

 

 

 

 

 

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