Ein Knabe auf der Suche

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Er entwarf die Plastik für den Grünebaum-Preis und schmückte das SLOW im Cottbuser Gladhouse mit 141 Gesichtern. Die Rede ist von Mattes Knabe (*1968), Maler, Skulpteur und freier Gestalter. Aus beiden Plastiken spricht Knabes große Begabung, sie wecken den Wunsch, mehr von seinen Arbeiten zu sehen – doch der Künstler macht sich rar, zeigt seine Werke nur selten auf Ausstellungen. Weshalb eigentlich? Und: Was steckt hinter seiner Kunst?

Mattes Knabe. Selbstporträt. Repro: Künstler

HERMANN begab sich auf Spurensuche und traf auf einen tiefsinnigen Menschen, der gedanklich beharrlich nach den innersten Zusammenhängen der Welt, dem doppelten Boden der Wirklichkeit sucht. Und der sich in seiner Kunst auf eine andere Art Suche begibt, eine, in der die Gedanken zurückstehen, damit die schöpferische Intuition freie Hand hat.

Der Künstler erläutert: „In meinen bildnerischen Arbeiten will ich nichts erzählen, will ich nichts sagen, sondern will, dass der Betrachter meine Arbeiten zu fühlen versucht. Ich bin bestrebt, mich so einfach wie möglich auszudrücken. Die Gefühle, die ich dabei habe und im besten Falle auch beim Betrachter erzeuge, sind dagegen sicherlich nicht einfach, sondern sehr komplex.

Darum geht es: Im Einfachsten das Komplexe eines Gefühls auszudrücken. Das ist beim Porträt ebenso der Fall wie bei meinen Stillleben. Ich baue das Bild einfach auf, fast so simpel wie ein Passfoto. Dann beginnt das Experimentieren: mit Licht und Schatten, mit den Räumen, mit Farben. Ich probiere, bis es mit mir selbst „Ja!“ macht; bis ich sagen kann: ‚Genauso fühle ich das, genauso meine ich das.‘ Ich versuche immer, auf das Minimum herauszukommen. Es geht letztlich um eine Reduktion auf den Wesenspunkt.“

Am Rande erwähnt: Mattes ist der Sohn des bekannten Malers Gerhard Knabe. Schon früh wurde augenfällig, dass er die Begabung seines Vaters geerbt hat. 14-jährig wurde er in den Erwachsenen-Malzirkel seines Vaters aufgenommen, setzte dann seine bildnerische Ausbildung bei Dr. Hans Lägel fort. Später schloss er sich dem Zirkel von Hans-Georg Wagner an und beteiligte sich an Arbeitsgruppen und Pleinairs.

„Nehmen und Geben“, Pokal zum Max Grünebaum-Preis. Foto: Phillip Mahrla

Eine sehr eindrucksvolle Arbeit von Dir befindet sich ja mitten in Cottbus, im Gladhouse – Deine Wandgestaltung, bestehend aus vielen Gesichtern …

  1. K.: Ja. 1995 arbeitete ich gerade als Haus- und Bühnentechniker im Gladhouse, da kamen Pläne auf, die Eckkneipe SLOW zu renovieren. Ich sprühte gleich vor Ideen und bot an, die Gestaltung zu bereichern, erstellte Entwürfe. Die Verantwortlichen waren begeistert. Und so verbrachte ich fünf Monate in dem Raum, insbesondere mit 141 Beton-Nasen, viel Farbe und einer kniffligen Beleuchtung.

Und 2004 hast Du dann die Preis-Skulptur für den Max Grünebaum-Preis entworfen?

  1. K.: Ich habe einen guten Freund, einen kunstsinnigen, feinsinnigen Menschen, der mich auf die Wettbewerbsausschreibung hinwies. Wir haben uns umfassend über die Stiftung informiert, haben uns in den Schillerpark hinterm Theater gesetzt und angefangen, Ideen zu spinnen. Ich hatte schon so eine vage Vorstellung von einem Weberschiffchen mit seiner hohen schlanken Figur, doch mir gefiel der technische Touch daran nicht. Später, als ich zuhause weiter Skizzen machte, kam dabei auch eine Einstrichzeichnung heraus. Du weißt schon: so‘ n einfacher Schlenker aus dem Handgelenk, der erst mal nur die Proportion anreißen soll. Bei dieser Linie spürte ich jedoch gleich: Das ist es. Das ist die Figur. Da steckte schon alles drin, diese strebende Geste… Diese Einstrich-Figur habe ich dann nur noch in eine Skulptur umgesetzt. Parallel zur Arbeit an der Plastik schrieb ich am Exposé. Das half mir bei der inhaltlichen Filtrierung. Dann reichte ich alles ein und zwei Monate später bekam ich Bescheid: Meine Skulptur wurde zum Modell für den Grünebaum-Preis-Pokal. Das ist sie bis heute. Wenn ich nun noch die Zeit finden würde, die Vorstandsmitglieder der Stiftung an unseren Vertrag zu erinnern, der vorsieht, dass die jährlich verliehenen Figuren durch meine Hand gehen sollten um die Güte zu gewährleisten, wäre ich sehr zufrieden. Auch die Tantiemen würden meinen Atelier-Betriebskosten einige Entlastung bedeuten.

Was symbolisiert die Figur?

  1. K.: Die Figur symbolisiert das Streben nach Höherem, vom Animalischen zum Geistigen. Der raue Sockel steht fürs Chaos aber auch für die Basis, während die klaren Linien und reduzierten Formen der Figur mit ihrer auspolierten Oberfläche für Ordnung und Klarheit stehen. Die Geste der Hände ist zugleich als nehmend wie auch als gebend zu verstehen. Darauf verweist auch der Titel ‚Das Nehmen und Geben‘. Die Reihenfolge ist wichtig, denn nur, wer etwas empfangen hat, kann auch etwas geben. Das ist ja die Essenz dieser Stiftung.

Suche nach dem perfekten Ausdruck

2010 machte sich Mattes Knabe selbstständig als freier Gestalter. Sein Portfolio ist erstaunlich vielfältig, er verleiht Weihnachtsmärkten ein historisches Flair, gestaltet Innenräume nach Feng Shui-Prinzipien, designt Werbegrafiken. Er verwandelt alte Möbel in herrliche Einzelstücke, denn wie in seiner Kunst überarbeitet er auch bei kunsthandwerklichen Projekten mit gestalterischem Feingefühl jede Kurve und Kante, jede Farbnuance, jede Oberfläche, bis die Gesamtgestalt stimmig ist.

2019 illustrierte er das Buch „Ein wildes Schwein mit Namen Wilfried“ von Reinhard Stöckel.

Und er malt, zeichnet. Doch viel zu wenige Menschen bekommen die Arbeiten in seinem Atelier zu sehen. Wie wäre es mit einer Ausstellung?  Der Künstler wiegelt ab: „Ich bin nicht sicher, ob ich ausstellen möchte, bevor ich künstlerisch da bin, wo ich hinwill. Horst Janssen hat mal den schönen Satz gesagt: ‚Jetzt kann ich endlich so zeichnen, wie ich immer schon sehen konnte.‘ Und so weit bin ich noch nicht.“

Jasper Backer

 

 

 

 

 

 

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