Theater in Coronazeiten

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Noch sind die Theaterpforten geschlossen, die Vorhänge herabgelassen. Noch weiß keiner, wann die Klingel zur Vorstellung ruft. Für Theaterleute wie für Enthusiasten eine unangenehme Situation. Wie haben sich die Künstler darauf eingestellt? Welche Erfahrungen, Gedanken, Gefühle und Erlebnisse haben sie mitzuteilen? Klaus Wilke hat O-Töne von fünf Theaterkünstler*innen eingefangen.

Sänger Dirk Kleinke: „Nahrung für die Seele”

Dirk Kleine Foto: Marlies Kross

Von Corona kann ich zwei Lieder singen. Das erste: Corona hat mich im Herbst für drei Wochen niedergestreckt. Ich weiß, was Covid-19 bedeutet.  Das zweite Lied: Corona bringt ständige Veränderungen im Beruf, man muss sehr flexibel sein. Wenn Salomé nicht kommt, dann vielleicht Otello. Wenn diese Produktion nicht kommen kann, dann hoffentlich Die lustige Witwe oder L’Orfeo. Alles ist im Kopf und will raus zum Publikum. Theater ist Nahrung für die Seele und wird deshalb gebraucht. Die Herausforderung ist, alle Partien ständig abrufbereit präsent zu haben, ohne genau zu wissen, wann die Stücke kommen werden, wann wir wieder unser Theater öffnen können.

Es ist ein ganz anderes Arbeiten, nicht mit den Kollegen auf der Bühne oder im Probenzentrum, sondern allein zu üben. Darauf muss man sich einstellen, sich selbst strukturieren. Da helfen  Sport, Joggen durch den Wald,  neue Partien am Klavier zu Hause einstudieren, Onlineunterricht mit meinen Studenten der BTU, zum Teil bis nach China mit sechs Stunden Zeitverschiebung.  Ich freue mich darauf, wenn es  wieder losgeht, wenn am Theater wieder gearbeitet und sich mit den Freuden und Sorgen von uns allen auseinandergesetzt werden kann.

Tänzerin Emily Downs: „Mehr als ein Wimpernschlag”

Emily Downs Foto: Marlies Kross

Nachdem ich fast ein Jahr lang nicht auf die Bühne getreten oder an einer Probe teilgenommen hatte, bemerkte ich, dass ich mich langsam in eine Depression schlich und beschloss, drastische Maßnahmen zu ergreifen. Ich habe mir einen Wochenplan mit verschiedenen Trainings wie Ballettbarre, Pilates, Yoga und Krafttraining zusammengestellt, gemischt mit grundlegenden Aufgaben wie dem Ordnen meiner Unterlagen in Akten und dem Aufräumen meines Raums. Ich machte lange Spaziergänge. An manchen Abenden schlich ich mich spät abends ins Studio und improvisierte stundenlang. Armer Pförtner, der die  laute Rockmusik mit anhören musste. Wie viele habe ich in dieser Zeit viel gelernt, insbesondere Geduld. Vor allem aber wurde mir in dieser Zeit klar, wie wunderbar meine Freunde sind. Ich kann es kaum erwarten, die Bühne wieder mit ihnen zu teilen!

Nun freue ich mich auf das Ballett „Nur ein Wimpernschlag” und hoffe ganz stark, dass die neue Begegnung mit meinem Publikum länger ist als nur ein Wimpernschlag!

Schauspieler Markus Paul: „Chance für neue Kreativität”

Markus Paul Foto: Birgit Hupfeld

Was für unbewegte, aufgewühlte Zeiten. Am 13. März 2020 wurde das alte Theatergesetz gebrochen: die Premiere findet statt. Grund war der erste Lockdown. Etwas ganz Neues. Auch ich suchte mir zum Ausgleich Neues, begann mich mit Holzverarbeitung zu beschäftigen, vom Schnitzen bis zum Fräsen. Versuchte mich an Möbeln und Küchen. Dann ging es zum Glück weiter im Theater. Aus dem Schauspielvorhaben „Der Wald” wurde ein gleichnamiges Filmprojekt. Aus einer wunderbaren Zusammenarbeit mit Künstler*innen aus England, Frankreich, Italien, Luxemburg entstand die Performance „Antigone Neuropa”. Dann wieder Proben, endlich! Aber selbstverständlich: mit Abstand.  Für uns auf der Bühne jedoch ein geradezu unnatürlicher Zustand, ist doch Theater ein Erlebnis aller Sinne. Aber ebenso wichtig die Erfahrung, dass aus solchen Widerständen neue kreative Impulse erwachsen können. In den Durststrecken ohne Theater mache ich Musik, halte mich fit und laufe an gegen den Lagerkoller. Zum Glück blieb auch Zeit für das mit Kommilitonen vor Jahren gegründete Chanson-Ensemble „Die Damen und Herren Daffke”. Aber nicht nur die Daffkes wollen, müssen weiterarbeiten. Viele meiner freiberuflichen Kolleg*innen fallen durch’s Raster, sie brauchen Aufmerksamkeit und Solidarität. Denn erst wenn die Kunst ganz verstummt ist, werden die Menschen die Stille vernehmen und erschrecken.

Chorsängerin Jenny Bleidorn: „Als mich die Corona erwischte”

Jenny Bleidorn Foto: Marlies Kross

Wenn auch im Theater keine Vorstellungen stattfanden, haben wir natürlich bis Mitte Dezember  probiert , die Oper „Carmen“  und die  Operette „ Die lustige Witwe“.

Einen Einschnitt für mich gab es auf jeden Fall, als ich kurz vor Weihnachten positiv auf Corona getestet wurde. Da war erst einmal  gar nicht ans Singen zu denken.

Seitdem ich wieder gesund bin,  übe ich  zu Hause, beschäftige mich mit den Opern „Carmen“  und „Mazeppa“.  Wir singen diese Stücke  in französischer bzw. russischer Sprache. Es geht mir einerseits darum, die Musik und den Text präsent und andererseits meine Stimme fit zu halten. Auf jeden Fall freue ich mich wieder auf das gemeinsame Musizieren mit dem gesamten Opernchor. Für einen Chor braucht es ja die unterschiedlichen Stimmen, die den Klang und die Farben ausmachen, und das stellt sich zu Hause alleine einfach nicht her. Nicht zu vergessen auch die Vorfreude darauf , mal wieder auf der Bühne zu stehen und einen gut besuchten Zuschauerraum zu erleben und zu sehen.

Solorepetitor Andreas Simon: „Akkordarbeit am Klavier”

Andreas Simmon Foto: Marlies Kross

Dieses Coronajahr ist für mich eine ungewünschte Ruhepause, ein ungewollt wohltuender Kontrast zu dem sonst ganz straffen Alltag als „Akkordarbeiter“ am Klavier. So hat sich ein ganz neuer Tagesablauf etabliert. Dazu gehört freilich auch tägliches Arbeiten am Klavier für die absehbar nächsten Stücke und  vor allem für die innere Balance. Fast jeden Tag sitze ich im Großen Haus am Klavier. Als Solorepetitor Solist*innen auf ihre Partien vorzubereiten setzt voraus, dass man selbst seine Psyche fit hält. Das gilt auch für die gelegentlichen Einsätze im Orchester, die ich sehr mag. Dort – zumal in so einem großartigen Klangkörper – muss sich jeder auf jeden verlassen können.

Zum Glück kann meine Frau voll arbeiten und  unsere Tochter im Hausschuhschulmodus braucht elterliche Anwesenheit. Dafür jetzt Ruhe zu haben, gehört zu den guten Effekten dieser Situation.

Überhaupt gibt es luxuriös viel Zeit im Familiennest, lange Spaziergänge und einen erhöhten Kerzenverbrauch. Wir sind sehr dankbar dafür, in dieser Zeit keine materielle Sorgen haben zu müssen.

 

 

 

 

 

 

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