„Das ist ein Langstreckenlauf“

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Das beste Marketing für die Stadt ist, „wenn die Cottbuser selbst Gutes über ihre Stadt erzählen“, sagt Gabi Grube. Sie ist Geschäftsführerin des Stadtmarketing- und Tourismusverband Cottbus e.V. und steht uns im großen hermann-Interview Rede und Antwort.

Wer seid ihr?

Der Stadtmarketing- und Tourismusverband Cottbus e.V. ist ein eingetragener Verein, der überall dort wirkt, wo Leute Ideen haben für die Lebensqualität, die Kultur oder die Vermarktung von Cottbus. Stadtmarketing ist ja ein weites Feld und man ist schnell für alles zuständig: Von der Wirtschaft über den Einzelhandel bis zu den Veranstaltungen. Dafür braucht man Mitstreiter und Macher, die nicht nur reden, sondern auch anpacken. Die alle sind Mitglieder bei uns – von der Kirche, über wichtige Veranstalter, die städtischen Betriebe bis zur Universität sind wir derzeit rund 40 Mitstreiter. Der Oberbürgermeister ist satzungsgemäß der Vorsitzende. Es gibt uns in dieser Form seit 2009. Mit einem kleinen Zuschuss unterstützt die Stadt seitdem stabil unsere Personal- und Sachkosten. Weil es Kosten spart, sitzt unsere Vereinsgeschäftsstelle im Rathaus. Das führt manchmal dazu, dass man denkt, wir wären ein Amt bzw. Teil der Verwaltung. Dabei geht’s bei uns zu wie in jedem anderen Verein auch: Unsere Mitglieder entscheiden einmal jährlich darüber, was mit ihren gemeinschaftlichen Beiträgen passieren soll und wählen alle zwei Jahre einen Vorstand. So sind in dieser „Gemeinschaft der Macher“ ein paar schöne Projekte auf den Weg gebracht worden.

Wer bist du?

Hier im Ehrenamt unterwegs beim Ostseefenster des Fördervereins Cottbuser Ostsee: Geschäftsführerin Gabi Grube im Cotti-Sesselchen, Foto: Denis Kettlitz

Ich bin die einzige hauptamtliche Mitarbeiterin in diesem Verein. Und damit die, auf deren Schreibtisch alle Ideen und Projekte zusammenlaufen. Wir versuchen, mit unseren bescheidenen Mitteln viele Räder am Laufen zu halten und neue Initiativen zu unterstützen. Manchmal braucht es dazu nur die richtigen Netzwerke und Verbindungen, damit einer dem anderen hilft. Manche Projekte machen wir aber auch selbst. Auf jeden Fall kann ich manche Fähigkeiten gut gebrauchen, die ich in meinem vorherigen Berufsleben erlernt habe: Ingenieurmäßiges Herangehen, journalistisches Denken, Moderationsfähigkeiten, Interesse an Kultur und Innovation und die Lust auf die Menschen in dieser Stadt.

Was habt ihr bisher gemacht?

Unser erstes Projekt war 2010 ein Imagefilm. Den haben wir inzwischen schon überarbeitet. Aber es gab viele weitere Ideen, die wir umgesetzt haben: Von den Straßenüberspannern an den Ortseingängen bis zum Cottbuser Geschenkgutschein. Auf uns geht auch das Beschilderungsprojekt für interessante Gebäude in Cottbus zurück, an dem wir gemeinsam mit der DSK noch eine Weile zu tun haben. Und einmal im Jahr verbinden wir das radtouristische Thema mit der Kultur und veranstalten das Fahrradkonzert. Es ist inzwischen sehr beliebt und findet nächstes Jahr zum achten Mal statt. Gemeinsam mit der CMT und dem Tourismusverein sorgen wir dafür, dass Cottbus regelmäßig in der Hauptstadt Werbung für schöne Termine und Themen in Cottbus macht. In Handarbeit packen unsere Vereinsmitglieder rund 4000 Begrüßungsbeutel jährlich für die Neubürger der Stadt, die dann im Stadtbüro ausgereicht werden und zeigen, dass Cottbus eine Stadt ist, die sich über Zuzug freut und viel zu bieten hat. Und wir helfen unseren Mitgliedern bei ihren eigenen Projekten, die im Sinne eines positiven Stadtgefühls wirken, wie z.B. beim „Cottbuser des Jahres“, dem Wochenkurier oder bei der Etablierung der „Walzernacht“ dem Staatstheater. Aber nicht nur all diese vielen operativen Projekte sind wichtig, sondern auch das gemeinsame Nachdenken über langfristige strategische Ziele. So haben wir das Leitbild „Cottbus 2035“ gemeinsam mit den Bürgern erarbeitet und dann zuletzt auch eine neue Stadtmarke an den Start gebracht. Eine, die alle benutzen können. Damit sind wir Vorreiter in den neuen Bundesländern.

T-Shirts, Buttons und allerhand mehr zur neuen Stadtmarke gibt es bei CottbusService an der Stadthalle. Mehr zur Marke hier: www.cottbus-bist-du.de, Foto: Gabi Grube

Was habt ihr 2020 vor?

An unseren laufenden Projekten ist immer etwas zu tun: Neue Geschenkgutscheine, die nächsten Gebäudeschilder, ein nächstes Fahrradkonzert am 28. Juni. Und auch mit der Stadtmarke haben wir noch viel vor. Derzeit entsteht ein kleines Büchlein „Cottbus für Angeber“ mit kurzen Geschichten über Cottbus und seine Menschen, die den Lesern ein erstauntes „Wow!“ entlocken sollen. Man sagt ja, den Cottbusern fällt es traditionell schwer, Gutes über ihre Stadt zu berichten. Das Büchlein soll also dabei helfen, dass es den Cottbusern schwer fällt, „Gutes über ihre Stadt zu berichten? (Wow! – alte Cottbuser Redensart) Und wir wollen in den nächsten Monaten intensiver darüber nachdenken, wie wir die Cottbuser „Wow!“-Geschichten überregional ins Gespräch bringen. Die wichtigsten Botschafter sind dafür die Cottbuser selbst. Es ist am

Lokalstolz zum Verschenken: Der Cottbuser Geschenkgutschein im neuen Design ist bei CottbusService an der Stadthalle zu haben. Ein gutes Beispiel für Projekte des Stadtmarketingverbandes – hier in Kooperation mit der CMT Cottbus, Foto: Gabi Grube

glaubwürdigsten, wirkungsvollsten und außerdem auch noch am preiswertesten – viel mehr als gedruckte Werbung, Prospekte oder PR-Texte – wenn die Cottbuser selbst Gutes über ihre Stadt erzählen. Zu Ende gedacht, ist das natürlich nicht nur eine Aufgabe des Marketings, sondern funktioniert nur, wenn diese positive Grundstimmung auch gelebt wird. Die Frage in dieser Stadt ist: Wie gehen wir miteinander um und lernen wir es, weniger auf die Defizite zu schimpfen, sondern mehr auf die Chancen und Möglichkeiten unserer Stadt zu schauen? Im Marketing können wir hier immer nur die guten Beispiele sammeln, herausstellen und erzählen. Und dadurch ermutigen, dass es sich lohnt, sich zu engagieren. Das ist ein Langstreckenlauf und Effekte für einen nachhaltigen Imagewechsel darf man immer nur auf lange Sicht erwarten. Da hilft nur Dranbleiben und sich nicht entmutigen lassen.

Wie könnt ihr den Kitt liefern, um diese Region zusammenzuhalten, damit sie in den Zeiten des neuen Strukturwandels nicht auseinanderbricht?

Das Schöne ist: Die neuen Perspektiven unserer Stadt im Strukturwandel und mit dem Cottbuser Ostsee geben neue Hoffnung und wir sprechen mit vielen Leuten, Unternehmern und Verbänden, die alle auf ihre Weise mithelfen wollen, dass es gelingt. Diese gute Aufbruchstimmung versuchen wir zu unterstützen und die Macher zu vernetzen. Mit allen wichtigen ehrenamtlichen Initiativen, vom „Förderverein Cottbuser Ostsee“ bis zu „Cottbus ist bunt“ sind wir ständig im Gespräch, um möglichst alle einzubeziehen. Ich bin sehr froh, dass es überall dort ein hohes Maß an Eigenorganisation und Engagement gibt. Da Stadtmarketing zu den freiwilligen Aufgaben einer Stadt gehört, waren und sind wir nie ausfinanziert, sondern brauchen immer Sponsoring und Hilfe für unsere Projekte. Aber ich bin überzeugt davon, dass der „Kitt“, den Du ansprichst, nicht immer im Geld liegt, sondern in der Hingabe und Liebe zur Stadt und in der Fähigkeit, zusammen zu arbeiten. Und das spüren wir verstärkt. Im letzten Jahr haben wir wieder einige neue Mitglieder gewonnen. Das ermutigt uns.

Lauschige Stimmung beim Fahrradkonzert, das das touristische Thema Radfahren mit der Kultur verbindet. Nächstes Jahr findet es zum 8. Mal statt, Foto: Daniela Paulig

Wie wollt ihr dazu beitragen, dass die Einheimischen sich hier weiter wohlfühlen und Besucher so überzeugen, dass sie hierbleiben wollen?

Im Marketing haben wir darauf nur begrenzten Einfluss, denn dabei sind auch Politik, Stadtentwicklung, Gemeinwesen und viele weitere gesellschaftliche Gestaltungsbereiche gefragt. Wir können nur „verkaufen“, was da ist, die guten Geschichten nach vorne stellen. Fakt ist ja: Cottbus hat die richtige Größe, um alle Vorteile einer lebenswerten Großstadt zu bieten und trotzdem viele Chancen zum Ausprobieren für Neues. Ob man hier Gründer, Fachkraft, Gastronom oder Studierender ist – man kann mit eigenen Ideen hier immer ganz nach vorn kommen. Denn so groß sind wir dann doch nicht, dass sich nicht Neues in Windeseile herumsprechen würde. Aufmerksamkeit lässt sich in einer Stadt unserer Größe leichter erreichen als in Metropolen, in denen es an jeder Straßenecke neue Eindrücke gibt. Und jede Menge Straßenecken.

Welche Rolle spielen die Studierenden bei euren Überlegungen und Projekten?

Die Universität ist der wichtigste Jungbrunnen dieser Stadt und Region. Deshalb haben wir schon lange auf diese Zielgruppe geschaut und Vieles probiert, um sie anzusprechen. Wir haben die Vorteile der Universitätsstadt Cottbus in der Cottbus-App besonders herausgehoben und versenden zusammen mit der BTU den Link dazu in den Zulassungsbriefen. Wir sind präsent, wenn die neuen Studierenden zur Antrittsvorlesung kommen und machen sie mit den Cottbuser Vorteilen bekannt. Und sie bekommen natürlich auch unseren Begrüßungsbeutel, wenn sie sich mit dem Wohnsitz in Cottbus anmelden. Aber auch die potenziellen Nachwuchswissenschaftler der BTU müssen oft überzeugt werden, dass Cottbus eine lebenswerte Stadt ist. Dafür haben wir vor ein paar Jahren geeignete Paten angesprochen, die den Professoren, die sich im Berufungsverfahren befinden, helfen, in der Stadt anzukommen, Wohnungen für ihre Familien und Schulen für ihre Kinder usw. zu finden. Ein aufwendiges Projekt, das viel persönliches Engagement braucht. Daran wollen wir weiterarbeiten, wenn die BTU bald eine neue Leitung hat.

Mit dem Elbenwald Festival kommt zum ersten Mal ein großes Festival in den Spreeauenpark, Welche Pläne habt ihr, die Besucher auch für unsere Stadt zu begeistern?

Wir haben uns über diese Entscheidung von Elbenwald sehr gefreut. Zumal die Firma auch eine interessante Gründergeschichte hat, die für Cottbus spricht. Und es ist auch schön, dass unser Spreeauenpark, 25 Jahre nach der BuGa, so ideale Bedingungen bietet und wieder mehr erlebbar wird. Derzeit überlegen wir tatsächlich intensiv, wie wir mit dem „Zauberfieber“ die ganze Stadt anstecken können. Die Händler und Unternehmer erkennen teilweise schon, dass das Festival eine Chance ist, mit einem emotionalen Thema an eine ganz neue Zielgruppe und in die mediale Berichterstattung zu kommen. Wir können uns gut vorstellen, dass vor dem Festival vom kleinen Bäcker über den Bahnhofsbereich und den öffentlichen Nahverkehr bis zu den Veranstaltungen in den Kultureinrichtungen Bezug auf das Festivalthema genommen wird und auch die Cottbuser zu „Zauberern“ werden. Ganz im Sinne unserer partizipativen (beteiligenden) Ansätze. Das wirft, wenn es kraftvoll und sichtbar wird, ein ganz anderes Licht auf unsere Stadt, das sicher auch medial interessant ist. Aber auch hier ist es wie immer im Stadtmarketing: Man kann das nur mit beherzten Partnern zusammen schaffen. Deshalb: Eine Taskforce ist schon gegründet.

Interview: Heiko Portale

 

 

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