Wir haben nur eine Chance, wenn wir effizienter arbeiten und die Qualität weiter erhöhen

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Das große HERMANN-Interview mit Maik Bethke, Geschäftsführer der Ortrander Eisenhütte GmbH

Mit Ausklang des vergangenen Jahres zeichneten sich tiefgreifende Veränderungen bei der Ortrander Eisenhütte GmbH ab. „Kapitän“, Bernd H. Williams-Boock verließ zum 31. März die Hütte und übergab das Steuer an den langjährigen stellvertretenden Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Cottbus und Manager des Kompetenzfeldes „Menschen unterstützen“, Maik Bethke. Seit 1. Februar ist er im Unternehmen und stellt sich den Herausforderungen der Aufgaben des Geschäftsführers. Er freue sich auf die neue Aufgabe, die sicherlich nicht einfach würde, sagt er. Er sei aber zuversichtlich, dass er gemeinsam mit den Mitarbeitern der Eisenhütte und den Gesellschaftern die anstehenden Aufgaben meistern werde. HERMANN sprach mit dem 46-jährigen Ortrander.

Herr Bethke, Sie sind seit 1. Februar 2021 Geschäftsführer der Ortrander Eisenhütte GmbH. Können Sie sich bitte kurz vorstellen?

Maik Bethke

Ich bin Ortrander, hier aufgewachsen, zur Schule gegangen, habe in Berlin studiert und bin vor acht Jahren durch meine Arbeit in der IHK wieder zurück in die Region gekommen. Mit der Ortrander Hütte verbindet mich auch eine persönliche Familientradition. Mein Großvater und meine Eltern haben hier gearbeitet. Während meiner Schulzeit habe ich im PA-Unterricht Ofeneinsätze zusammengeschraubt. Ich kenne viele Leute, die hier arbeiten, weil ich aus Ortrand komme. Wir sehen uns auf dem Sportplatz genauso, wie beim Einkaufen. Für mich war es unter anderem die emotionale Bindung an den Ort, die dazu beigetragen hat, mich für den Job zu entscheiden – praktisch die Seite des Tisches zu wechseln, von der Kammer- zur Unternehmensseite. Ich habe mich recht schnell mit den Gesellschaftern geeinigt, welche der Ideen für die Hütte als größter Arbeitgeber am Ort umzusetzen sind und welche Perspektiven das Unternehmen hat. In den vergangenen Monaten ist viel passiert. Die Gespräche zur Übernahme des Geschäftsführerpostens begannen schon vor längerer Zeit, sodass ich schon frühzeitig Einblick in das „Innere“ der Eisenhütte bekam. Durch einen hohen Auftragsbestand sind wir  durch das Jahr hindurch gut ausgebucht, unabhängig von coronabedingten Auswirkungen. Das waren alles Punkte, die mich in meiner  Entscheidung bestärkten, das hier zu machen. Die neuen Gesellschafter hatten den Wunsch geäußert, , dass ein Wechsel in der Geschäftsführerebene mit ihrem künftigen Engagement einher gehen soll. Und so sind wir zusammengekommen.

Wie fühlt es sich für Sie an?

Einblicke

Inzwischen habe ich ja schon die Hundert Tage überschritten… Es fühlt sich gut an. Ich bin hier gut aufgenommen worden. In den ersten Wochen war der Insolvenzverwalter noch im Haus. Dadurch konnte ich vielen Dingen und Abläufe kennenlernen, ohne dass gleich Entscheidungen getroffen werden mussten. Das finde ich aber auch ganz gut, denn ich komme ja nicht vom Fach. Ich bin kein gelernter Gießer oder Ähnliches. So konnte ich in die Prozesse erst einmal hineinschauen und sehen, was Sache ist. Ich setze mich jeden Tag in die Frühbesprechung und mache eine morgendliche Runde durch die Hütte, um zu schauen, ob es irgendwelche Themen gibt, die anstehen. Die Leute, die hier arbeiten, können mich immer ansprechen. Ich möchte das auch. Meine Tür steht dafür immer offen. Ich bin telefonisch erreichbar. Und ich merke, dass das die Mitarbeiter annehmen und sich mitteilen. Da hilft es auch, dass ich viele hier kenne und viele auch mich kennen.

Können Sie bitte kurz auf das aktuelle Profil Ihres Unternehmens eingehen?

Wir sind eine Gießerei, die Guss für verschiedene Kunden und Branchen herstellt. Davon gibt es nicht mehr allzu viele in der Region. Unsere Ortrander Hütte wird nächstes Jahr 135 Jahre alt. In Brandenburg gibt es nur noch ganz wenige, die in unserer Liga mitspielen können.  Wir haben drei bis vier große Standbeine. Erstens: Ofenguss und alles, was mit Kaminen zusammenhängt. Zweitens: Infrastrukturguss, bei dem Komponenten, wie Wasserabläufe und anderes für Autobahnen, Flughäfen hergestellt werden. Drittens: Automobilindustrie. Hier produzieren wir Teile für namhafte Lkw-Hersteller sowie Zulieferbetriebe Gerade beim letztgenannten Bereich wissen wir derzeit nicht genau, wohin die Reise geht. Durch den neuen Schwung, den gerade die Elektromobilität nimmt, gibt es viele Verwerfungen, wodurch wir gezwungen sind, einige Prozesse und Produkte umzustellen und zu verändern. Viertens: Wir sind eine Kundengießerei. Das bedeutet, zu uns kommen Leute, die ein Modell haben, wie ein Rost zum Beispiel, dass wir dann in bestimmten Chargen gießen.

Wo sehen Sie Ihr Unternehmen im Strukturwandel in der Lausitz?

Der Strukturwandel – das kenne ich von meiner Arbeit in der IHK her –  ist hier in der südlichen Lausitz ein Thema, das zwar da ist, uns aber nur am Rande betrifft. Die Ortrander Eisenhütte ist kein Betrieb, der an der Braunkohle hängt. In unserer Nähe gibt es durchaus Arbeitnehmer, die in der Braunkohle arbeiten, keine Frage. Wenn wir auf Mitarbeitersuche gehen, schauen wir dort natürlich auch drauf. Im Strauß der Unternehmen, die hier in der Region tätig sind und die Wirtschaft der Lausitz nach der Braunkohle prägen könnten, sind wir natürlich auch mit dabei. Wir haben eine kritische Masse von 280 Mitarbeitern und geben durch die Entlohnung und die Auftragsvergabe an Zuliefer- und Dienstleistungsunternehmen etwa eine Mio. Euro pro Jahr in die Region. Das istim Rahmen der Wertschöpfungskette wichtig für die Region. Die Veränderungen, die uns betreffen, haben mit dem Strukturwandel in der Lausitz eher wenig zu tun, wir sind näher am Strukturwandel in der Automobilindustrie. Dennoch ist unsere Gießerei natürlich ein wichtiges Standbein für die Zukunft in der Region.

Sind Ihrer Meinung nach Versorgungssicherheit, wettbewerbsfähige Strompreise und Investionssicherheit auch mittel- und langfristig gewährleistet?

Die Versorgungssicherheit und die damit verbundenen Strompreise sind für uns ein wichtiges Thema. Seit vielen Jahren schon schmelzen wir mit Elektrizität, dementsprechend hoch fällt unsere Stromrechnung aus. Bei unseren rund 41 Millionen Euro Jahresumsatz gehen etwa zehn Prozent an den Stromlieferanten. Wir versuchen deshalb mit verschiedenen Energieeffizienzmaßnahmen, das Preisniveau beim Strom zu halten. Wir befinden uns derzeit in den Verhandlungen für die kommenden Jahre, die sich recht schwierig gestalten, da sich einige regionale Stromversorger aus dem Großkundengeschäft verabschiedet haben. Das Thema Investitionssicherheit spielt für uns ebenfalls eine große Rolle, denn wir können nur am Markt  bestehen bleiben, wenn wir auch weiter investieren. Der Kunde verlangt auch, dass wir immer besser werden. Wir haben nur eine Chance, wenn wir effizienter arbeiten und die Qualität weiter erhöhen. Um das zu gewährleisten, arbeiten wir zum Beispiel mit der BTU in Senftenberg zusammen oder schauen uns die Abläufe in der Gießerei und in den nachgelagerten Arbeitsabläufen genauer an.

Wie gehen Sie damit um, dass das Strukturstärkungsgesetz keine direkte Förderung der Unternehmen vorsieht?

Die Ortrander Eisenhütte

Vom Strukturstärkungsgesetz haben wir nichts. Es gibt eine Förderschiene, aus der zum Beispiel das KEI (Kompetenzzentrum Klimaschutz in energieintensiven Industrien, Anm. d. Autors) bedient wird. Von dessen Arbeit könnten wir eventuell profitieren. Wir müssen über die normalen Förderwege gehen, aber dort Förderungen zu bekommen, ist schwierig. Wir finden es schade, dass es nicht gelungen ist, mehr für Unternehmen, wie uns, im Gesetz freizuschaufeln. Wenn man sich die Projektlisten anschaut, die umgesetzt werden sollen, stellt man auch fest, dass es häufig Dinge sind, die eigentlich hätten schon lange gemacht sein sollen. Oder die sogar aus anderen Töpfen als der Strukturstärkung hätten gefördert werden müssen. Und dann kommt noch die leidige Diskussion dazu, dass der Bund dort zusätzlich eingreift und meint auch noch etwas davon abhaben zu müssen, wie das Beispiel des RKI in Wildau zeigt. Es war der Kardinalfehler der Kohlekommission, dass man gedacht hat: Wir nehmen die Gebietskörperschaft der Landkreise als Begrenzung. Damit ist aber zum Beispiel Schönefeld, das im Landkreis LDS liegt, mit drin. Die LMBV hatte ja damals den Plan, die Aufschlüsselung des Gebietes anhand der Grundwasserproblematik vorzunehmen. Das hat man politisch nicht gewollt. Damit war für mich klar, dass Mittel auch in den Berliner Speckgürtel gehen werden und dass es für uns im Süden schwieriger wird.

Wenn Sie Forschung und Entwicklung betreiben, wer übernimmt das für Sie?

Wir arbeiten derzeit schon mit Themen, wie KI (Künstliche Intelligenz, Anm. d. A.) und Digitaler Zwilling. Letzterer kann den gesamten Produktionsablauf digital darstellt und wir können so vorab prüfen, ob im Produktionsablauf etwas verbessert werden könnte, ohne dass der Produktionsprozess angehalten werden muss. Die Forschung dazu läuft schon seit mehreren Jahren mit der RWTH (Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule) Aachen und einem Doktoranden des Fraunhofer-Instituts für Gießerei-, Composite- und Verarbeitungstechnik in Augsburg. Dafür haben wir schon vor vielen Jahren eine sehr hohe Datenbasis ermittelt – was für die Forschung ein wichtiger Baustein und fast einmalig in der Gießereibranche ist. Denn ohne weitreichende Datensätze geht beim theoretischen Ansatz nicht viel. Wir arbeiten jetzt daran, diese Ansätze in die Praxis umzusetzen. Bei uns wurden schon mehrere Master- und Bachelorarbeiten abgeschlossen. Als es noch die Fachhochschule Lausitz gab, war die Zusammenarbeit einfacher. Mit der BTU Cottbus-Senftenberg ist es  schwieriger, mit unseren Projekten hineinzukommen. Dabei hilft mir aber mein Netzwerk, was ich in der IHK-Zeit aufgebaut habe und jetzt auch nutzen kann. Aus unserem Hause ist meistens der Produktionsleiter und der Leiter der Abteilung Technik und Instandhaltung mit dabei. Beides junge Leute, die aber schon eine ganze Weile im Unternehmen und über eine Menge Erfahrung verfügen. Aus Schweden kommen unsere Entwickler für den Laser, der den Vergiessprozess optimiert. Diese Ideen laufen eher in Richtung KEI  bzw.  in Richtung einer  ZIM-Förderung (Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand, Anm. d. A.) aus dem Bundesforschungsministerium.

Wie sichern Sie den Berufsnachwuchs?

Wir bilden seit vielen Jahren selber aus und haben pro Lehrjahr sieben bis acht Lehrlinge. Wir werden unsere Aktivitäten mit den regionalen Schulen auch wieder aufnehmen, sobald es die Corona-Lage es zulässt. Eine der Ideen unserer Mitarbeiter ist, dass wir uns am Werkunterricht inn den Schulen vor Ort beteiligen. Da bringen wir unsere Gussteile mit und daran können die Schüler dann arbeiten. Seit Anfang des Jahres versuchen wir auch verstärkt, über soziale Medien unseren Bekanntheitsgrad zu vergrößern und so junge Leute für die Arbeit in unserem Betrieb zu gewinnen. Da sind wir auf einem guten Weg und haben schon mehrfach Erfolg gehabt. Auf normalem Weg hätten wir diese Mitarbeiter nicht gewonnen.

Wirken Sie auch auf Universitäten ein, um Fachpersonal zu bekommen?

Ja, am 1. Juni ist zum Beispiel der „Matching Day“ an der BTU, dort sind wir mit dabei. In Nicht-Corona-Jahren waren und sind wir natürlich auch auf Ausbildungsmessen dabei. Gerade auch auf dem Gebiet KI sind wir sehr interessiert, wissenschaftlichen Nachwuchs von den Unis zu gewinnen. Erste Schritte sind da meist Master- oder Bachelorarbeiten. Dann versuchen wir die Leute hier festzuhalten. Das gestaltet sich allerdings schwierig, wenn die Leute aus Cottbus oder Dresden kommen. Die Infrastruktur lässt es kaum zu, von dort zu pendeln. Viele unserer Ingenieure zum Beispiel sind hier aus der Region. Die haben das „Hütten-Gen“ während ihrer Arbeit bekommen und sind so hiergeblieben.

Welche Vision haben Sie für die Lausitz, Ihr Unternehmen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?

Wenn Sie, wie ich, in ein bestehendes Unternehmen kommen, müssen Sie mit der Mannschaft kommunizieren. Na klar, Sie müssen auch mal entscheiden. Aber Sie müssen die Mannschaft mitnehmen, ihr bis zu einem bestimmten Punkt freien Lauf lassen. Das ist hier im Betrieb auch gegeben. In diesem Rahmen bewegen sich die Visionen, die man in so ein Unternehmen hineinbringen kann. Mit den Gesellschaftern haben wir besprochen, dass wir in fünf Jahren eine Gießerei sein wollen, die auf mehreren Standbeinen feststeht, die aber immer auch neue Märkte entdeckt. Die das Potential der Mannschaft, aber auch die neue Technik – Stichwort Künstliche Intelligenz – nutzt. Wir bezeichnen uns als „Internationales Gusszentrum in der Lausitz“. Unsere Mitarbeiter kommen auch aus Polen. Zukünftig will ich in unser Unternehmen auch hier meinen Background aus der Kammer einbringen. Dort gibt es auch Netzwerke in andere Länder, z.B. in die Ukraine, um Fachkräfte nach Deutschland zu holen. Ich will auch mal unkonventionelle Wege gehen, um Fachleute nach Ortrand zu holen.

Ich möchte meine Mannschaft auch dahin bringen, dass sie stolz auf ihre Hütte sind. Sie wissen, dass die wichtig ist für den Ort und die Region ist.  Ich will, dass die Menschen, die hier arbeiten, stolz sind, auf das, was sie machen. Dass sie  bewusst und gern Verantwortung übernehmen wollen. Ich kann logischer Weise nicht alles selbst machen, dafür brauche ich Mitarbeiter, die verantwortlich mit mir für den Erfolg des Unternehmens arbeiten Sie dürfen dabei natürlich auch mal Fehler machen. Nur so lernt man, wie man es beim nächsten Mal besser machen kann. In diesem Sinne möchte ich den Leuten hier auch ein bisschen Freiheit lassen, damit Ideen generiert oder geboren und dann auch umgesetzt werden können.

 

Interview: Heiko Portale

Daten und Fakten:
Jahresumsatz 2020: 22.000 t Guss; 41 Mio. Euro

Heizgeräte (Öfen, 38 % des Umsatzes im Jahr 2020) – Export Europa, aber auch Japan

Teile für Nutzfahrzeuge (z.B. für Motorblöcke und Bremsbelegsträgerplatten) und Teile für PKWs (Kupplungsdruckplatten); beides machte 35% des Umsatzes in 2020 aus

Infrastrukturguss (Wassereinlaufroste für Autobahnen, Flughäfen oder die Formel 1-Strecke in Indien); 27% des Jahresumsatz in 2020; weltweiter Export.

Schlagwörter
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ZIM: Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand ist ein Förderprogramm des Wirtschaftsministeriums mit dem die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen, einschließlich des Handwerks und der Freien Berufe 

KEI: Kompetenzzentrum Klimaschutz in energieintensiven Industrien (KEI) ist der Ansprechpartner für Industrie, Politik, Wissenschaft und Öffentlichkeit zum Thema industrielle Dekarbonisierung in Deutschland. Erreicht werden soll eine treibhausgasneutrale Industrie.

RWTH: Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen

 

 

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