Diabolischer Cocktail

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Musiktheaterkollektiv „glanz und krawall” sorgt für besonderen Theaterabend in Cottbus

 Ein besonderes Erlebnis erwartet die Cottbuser demnächst in der Ströbitzer Theaterscheune des Staatstheaters. Das Berliner Musiktheaterteam glanz & krawall um seine Gründerin und Leiterin Marielle Sterra inszeniert unter dem Titel „Der Teufel auf Erden” eine Collage der gleichnamigen Operette von Franz von Suppé (1819 – 1895) mit dem Roman „Der Meister und Margarita” von Michail Bulgakow (1891 – 1940). Ein reizvolles Vorhaben, das Literatur und Musiktheater verbindet. Mit dabei als Dramaturg und Mitspieler Dennis Depta, den jüngere Cottbuser als Gründer und Gitarristen der wunderbaren Band „Do I Smell Cupcakes” kennen. Ein Gespräch mit den beiden eröffnet den Blick auf das Theatervorhaben.

Marielle und Dennis Foto: priv

Schon der Name „glanz und krawall” verdient es, mit Augenzwinkern ausgesprochen zu werden. „Das eine sind Opern und Operetten, das andere die Unterhaltungsmusik, Rock und Pop”, erklärt Marielle Sterra, die u.a.  Musik, Medien, Gender Studies, Journalismus, Musiktheater- und Schauspielregie studiert und Regieassistenzen an der Staatsoper Berlin und bei den Bayreuther Festspielen absolviert hat. „Die einen sitzen im bequemen Theatersessel und sehen zum zehnten Mal genüsslich Tannhäuser, die anderen sind Stammgäste im Bebel und im Scandale. Oft rümpfen die einen über die anderen die Nase. Mit unserer Art von Theater wollen wir Brücken zwischen ihnen bauen, auf denen sie sich unaufgeregt und interessiert austauschen können.”

 Was würde Wagner sagen?

Dennis Depta Foto: priv

Dennis Depta, der nach seinem Studium von Germanistik, Musik und Medien in einem Theaterverlag und einer Theaterbuchhandlung tätig war, ehe er glanz & krawall mitgründete, erinnert sich an von der Truppe initiiertes Theaterfestival „Berlin is not Bayreuth”. „Wir versuchten, Wagner auf neue Art erlebbar und verständlich zu machen. Was zurecht oder unrecht als elitär und verstaubt gilt, bekommt in einer neuen Umgebung eine andere Bedeutung, überraschende Bilder. Wir spielten Tannhäuser, nahmen ihn gewissermaßen auseinander und setzten ihn neue zusammen. Die Auswahl der Szenen war uns überlassen. Auf vier Bühnen parallel, richtig wie bei einem Rockfestival,  spielten Sänger*innen und Schauspieler*innen, klassische Orchester-  und Rock- und Popmusiker*innen, Puppenspieler*innen und Performer*innen. Vielleicht hätte sich Wagner im Grabe rumgedreht, aber da er nicht nur Opernkomponist war, sondern sein eigener dramatischer Textdichter, hätte er vielleicht Freude an den Ideen, an der neuen, ergänzten oder veränderten Figurengesaltung seine Freude gefunden. Und an dem einen oder anderen Opernfreund.” Monteverdis „L’Orfeo” in einer psychiatrischen Einrichtung, „Carmen” aus der Sicht zweier streitender Frauen, inspiriert durch das Bild von einem Lebensmitteldiscounter, das Thema des Hasses, dargestellt im Wrestlingkampf zwischen Monteverdi und Kleist, und das Thema der Sucht im „Trinkerpark” sind weitere Beispiele dafür, was  Marielle Sterra so sieht: „Wir wollen die Figuren von der konventionellen Opernbühne herunterholen und ihnen neue Facetten hinzufügen. Oper muss, wenn sie überleben will, zu unserem Leben gehören und dieses anregen, bereichern.”

 Suppé und Bulgakow

Vom Staatstheater ist der Musikdramaturg Patric Seibert in das neue Projekt involviert, mehr noch: Er brachte es praktisch als Gepäck aus seiner letzten Wirkungsstätte Karlsruhe mit. Der Mann, vom Theatergenius Frank Castorf geprägt, als Künstler um die halbe Welt gereist, festspielerfahren von Bayreuth, Bregenz und Salzburg, liebt Suppé als einen der wichtigsten Operettenkomponisten. Mit den glänzenden Krawallern, wie eine Zeitung die Theaterkombo betitelte, einigte er sich auf die Operette  „Der Teufel auf Erden”. Patric Seibert: „In mir war aber noch eine zweite Teufelsgeschichte: der Wunderbare Roman ,Der Meister und Margarita‘ von Michail Bulgakow. Eine Melange aus der Operette und dem Roman in der Theaterscheune, das muss einschlagen.”

Marielle Sterra Foto:priv

Marielle Sterra erzählt, was auf der Bühne geschehen wird: „In der Hölle sind wie auf Erden unruhige Zeiten angebrochen. Es brodelt. Eine Revolte gegen die Oberteufel kündigt sich an. Die Unterteufel wollen eine Verfassung, Mitbestimmung, Pressefreiheit. Das kann Höllenfürst Satanas nicht zulassen Seine drei wichtigsten Minister sollen den aufkeimenden Aufstand niederschlagen. Doch die sind auf Urlaub auf Erden und unauffindbar. Da machen sich Satanas und sein Haushofmeister auf die Suche. Es wird zur Suche nach dem Bösen auf Erden, die auch Teufel Voland aus dem Roman angetreten hat.”

Spätestens nach dieser Beschreibung dämmert einem, was für einen Stoff die Theaterleute bearbeiten: Zündstoff. „Der Teufel hat die Finger auf vielen Wunden der Menschen, vor allem der Systemversteher”, sagt Dennis Depta. „Klartext: Irgendwann wird man überlegen müssen, ob es andere oder neue oder bessere Gesellschaftssysteme gibt. Es ist erstaunlich, dass Bulgakow, der in Russland bzw. der Sowjetunion gelebt hat, zu solchen Konsequenzen führt. An der Zensur vorbei, wenn ihm auch der Tod vor der Veröffentlichung die Feder aus der Hand nahm. ” Patric Seibert fügt hinzu: „Suppé rief der kuk-Monarchie zu: ,Hallo, hier läuft was nicht richtig!‘ Und Bulgakow hatte wohl das Monstrum Stalin vor sich. Aber so weit, dass man sich auf Personen festlegt, wird unsere In-szenierung nicht gehen. Obwohl der Zuschauer wird mit Belustigung und Nachdenklichkeit Typen erkennen, die er aus unserem Tagesgeschehen kennt.” Das Theater lädt jedenfalls zu einem diabolischen Cocktail ein, der erstmalig am 5. Dezember gereicht werden soll.

Dennis Depta liegt der Hinweis am Herzen, dass Cottbuser*innen mit Philipp Gärtner (PrimaWetter-Chef) und Stefan Friedrich vom Bebel als Musiker (Bass bzw. Schlagzeug) und Jannik Karstan vom Piccolo in zwei Rollen erleben werden.

Klaus Wilke

 

 

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