Neiße Filmfestival – Die kleine Schwester mit vielen Brüdern

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Das Neiße-Filmfest agiert trinational und wird dank großzügiger Förderung flügge

Kunstbauerkino – dieser Name lockte vor fünf Jahren sogar Dieter Moor ins Zittauer Gerhart-Hauptmann-Theater, um in gewohnter Ironie und Präsenz die Eröffnung zu moderieren. Der Schweizer Dieter, der sich in der „arschlochfreien Zone“ niederließ, heißt inzwischen Max – und auch das Neiße-Filmfest, das jenen einst per Eisenbahn ins Dreiländereck trieb, ist inzwischen eine Nummer größer.

Nun wartet – vom 9. bis 14. Mai – die 14. Auflage des von Großhennersdorf gestarteten Filmfestivals, welches seit 5.5.15 als geadelt gilt: Es bekommt seither 80 000 Euro per anno institutioneller Förderung als Stück vom sächsischen Festivalkuchen, der nunmehr 700 000 Euro im Umfang misst, und steigt damit auch offiziell zu den vier großen urbanen ringsherum auf: Zwischen Cottbus, Chemnitz, Leipzig und Dresden hat es als kleine Schwester seine Nische gefunden und setzt dabei auf die drei großen Trümpfe aller Immobilienhaie: Lage, Lage und Lage. Das heißt hier Oberlausitzer Grenzland, dahinter Nordböhmen, daneben die Neiße mit Polen. So liegt es nahe bis nächst, das Ganze grenzübergreifend und trinational auszurichten. Zumal Bogatynia, Liberec und Varnsdorf von Großhennersdorf, Mittelherwigsdorf und Zittau aus wirklich um die Ecke liegen und auch gut öffentlich zu erreichen sind. Von der Europadoppelstadt Görlitz/Zgorzelec, gemeinsam so groß wie Cottbus, ganz zu schweigen.

Doch weitere Spielorte wie Bautzen und Löbau zeigen das Dilemma: Es ist ein riesiges Gebiet zu bespielen – quasi ein gleichschenkeliges Dreieck, nördlich von der A4 und südwestlich von der alten F 96, von der „Zeit“ als Route 66 der Zone beschrieben, begrenzt, und östlich von der Lausitzer Neiße bis Liberec gekennzeichnet, so dass Vernetzung sich eher mental bis virtuell als persönlich ergibt und echtes Festivalfieber wohl am ehesten im Kerndreieck, also elf Kilometer rings um die Kulturfabrik Mittelherwigsdorf aufkommt, als dass eine große Fangemeinde zur Identität angestiftet wird. So halten sich auch die Zuschauerzahlen in natürlichen Grenzen, die 13. Auflage vor einem Jahr zog rund 6 000 Leute, avisiert waren 10 000, was aber schon im Vorfeld recht optimistisch anmutete.

Bewerberrekord für 13 Orte, 23 Spielstätten und 130 Veranstaltungen

Denn vor zwei Jahren wurden noch rund 100 Filme an 16 Spielstätten in zehn Orten gezeigt und erreichten 5000 Besucher. Diesmal verweisen die Organisatoren, die ihr genaues Programm Ende April in zwei Pressekonferenzen in Görlitz und Dresden genauer vorstellen, das aber schon jetzt auf 204 Seiten im Netz zu durchblättern ist, auf 130 Veranstaltungen mit 23 Spielstätten in 13 Orten, quasi junge Brüder, wobei auch grenzüberschreitende Filmvorführungen und ein umfangreiches Rahmenprogramm mit Ausstellungen, Lesungen, Konzerten und Partys mitzählt.

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© NFF/PR/Hannes Rönsch

Innerhalb der Filmprogramme sind über 130 Spiel-, Kurz- und Dokumentarfilme zu bewundern. Für die drei Wettbewerbsprogramme gab es fast 600 Bewerbungen, auf deren beste acht Preise, garniert mit lustigen Neißefischen und rund zehn Riesen an Preisgeld, warten. Premiere feiert dabei ein „Neiße-Filmpreis“ der sächsischen Kunstministerin. Die eingereichten Produktionen kommen hauptsächlich aus den Eckländern, also Deutschland, Polen und Tschechien, wobei vor allem die Filmhochschulen diese Festivals gern und gut als Test- und Sprungfeld nutzen. Das Kunstbauerkinoteam freut sich besonders auf „Filmemacher mit Partnern aus exotischen und entfernten Ländern wie Georgien, Moldavien, Kasachstan, Syrien, den USA, Chile, Südkorea, Myanmar, Pakistan, Indien, Australien oder den Färöer Inseln.“ In dieser Reihenfolge.

Neben den Wettbewerben sind es die Filmreihen, die den Markenkern ausmachen. 2017 wird als Kernthema „Die Macht des Glaubens“ hervorgehoben – und zwar als Einfluss der Religionen auf die Gesellschaften in Osteuropa. Um Luther kommen die drei Viertel der auf- und abgeklärten Ostsachsen, neuerdings als Ungläubige diskriminiert und leider lobbylos, auch hier nicht herum, der Bauernkriegsanzettler und spätere Müntzerverräter bekommt zehn Lang- und vier Kurzfilme gewidmet.

Als Höhepunkte gelten die Eröffnung mit einem Konzert des Schweizer Gitarristen Attila Vural (9. Mai, Theater Zittau), das Stummfilmkonzert zu Murnaus „Der letzte Mann“ von 1924 (10. Mai, Apollo Görlitz), die Lesung von Jaroslav Rudiš aus „Vom Ende des Punks in Helsinki“ auf Deutsch (12. Mai, Jolesch Zittau) oder die Festivalparty im Mutterkino Großhennersdorf (13. Mai). Direkt zuvor wartet 17 Uhr in Varnsdorf die eintrittsfreie Preisverleihung. Wer das Festivalprogramm genauer studiert, findet auch Cottbuser Perlen im Programm.

Andreas Herrmann
Foto: Das Team des Neiße Filmfestivals. © NFF/PR/Hannes Rönsch

Netzinfos: www.neissefilmfestival.de

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