Editorial April 2022

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Demokratie geht eigentlich ganz einfach. Die Mehrheit entscheidet für alle, auch für die Minderheit(en). Gemeinsam wird für alle eine Lösung entschieden. Auch mit Mitteln oder Macht.  Auch wenn Minderheit(en) eine andere Meinung haben oder versuchen, sie durchzusetzen. Das kann manchmal auch enden. Im Namen des Volkes unter anderem.

Ein Beispiel: In einem Restaurant treffen sich acht Paare, es wird gefeiert, gegessen, getrunken, geredet. Ein schöner Abend. Sieben von den Paaren sind verheiratet. „Wann heiratet ihr eigentlich?“, bricht die Mehrheit ganz dünnes Eis. Quasi geschlossen wendet sie sich dem Paar zu, das plötzlich merkt, es steht ganz allein da, es ist Minderheit. Die Frau fragt die anderen Frauen: „Ich dachte, ihr seid auf meiner Seite?“ Der Mann sagt: gar nichts. Der romantischsten aller Vorstellungen nach, müsste er auf den Tisch springen und einen vollendeten Antrag machen, den er seit langem sorgfältig geplant hat. Mit Eros Ramazzotti als Minnesänger und Rosenblättern, die aus der Decke fallen. Hat er nicht, jetzt steht er da. Die anderen Paare, das weiß das Paar, sind weit voraus, teilweise wird schon die Silberhochzeit geplant. Dann kommt raus, dass der Mann geschieden ist. Das Blatt wendet sich und er ist auf einmal der Erfahrene. Aber in der Liebe ist nichts, wie es scheint: Man steht immer am Anfang, wenn die Liebe auftaucht.

„Muss man denn überhaupt verheiratet sein, um glücklich zu sein?“, fragt das Paar, um aus der Minderheitenecke zu entkommen und Mehrheiten zu sammeln. Kann es denn nicht auch diverse andere Zusammenlebensformen geben, die die Mehrheit akzeptieren könnte? Bevor es aber zu politisch wird, heißt es: „Wir wollen einfach wieder mal tanzen“. Puh, der Kelch ging gerade noch mal vorbei. Mehrheit und Minderheit(en) können sich auf ein neues Thema einigen. Es wird von Sanktionen abgesehen. Alle bleiben Königin und König. Äh, Bürger – erster Klasse natürlich.

Zum Glück stellt sich heraus, dass die Gemeinschaft im Restaurant keine Demokratie, sondern einfach eine heterogene Truppe ist, die sich gern trifft und Spaß zusammen hat. Am Ende gehen alle schön angetüddelt nach Hause und machen, was Verheiratete nach einer Party so machen. Alle Paare bleiben Paare. Ist es dieser Tage unangemessen darauf hinzuweisen, dass das unverheiratete Paar trotz der Meinungsverschiedenheit bisher nicht auf die Idee gekommen ist, das Eigentum der Verheirateten zu annektieren?

Heiko Portale

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