Graf Smorltork und der Apotheker

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– oder Pückler und Fontane in England

Das Jahr neigt sich dem Ende zu, es wird kühler und der Trubel um den 200. Geburtstag Theodor Fontanes lässt allmählich nach. Die diesjährige Sonderausstellung der Stiftung Fürst-Pückler Museum Park und Schloss Branitz hieß „Am größten und genialsten ist er wohl in seinen Skizzen“. Sie thematisierte die Bewunderung des Kunstliebhabers Fontane für den Maler Carl Blechen. Im Rahmenprogramm traten Experten auf, die vor allem den älteren Fontane näher beleuchteten. In diesem Monat wird es einen Vortrag geben, in dem der weitgehend unbekannte Journalist vorgestellt wird. Aber was hat Fontane mit unserem Lausitzer Lieblings-Fürsten Hermann von Pückler-Muskau – übrigens Namensgeber dieses Magazins – zu schaffen? Ein gemeinsamer Nenner heißt England, das Sehnsuchtsland jenseits des Kanals, das beide dreimal aufsuchten.

Da Fürst Pückler stets über seine Verhältnisse, aber vermeintlich unter seinem Niveau lebte, begab er sich auf seiner zweiten Englandreise auf Brautschau. Tatsächlich war er bereits verheiratet. Die neun Jahre ältere Lucie von Pappenheim hatte er vor allem ihres Geldes wegen geehelicht. Allerdings hinterließ der Staatskanzler von Hardenberg, Pücklers Schwiegervater, nur ein geringes Erbe. So reichten die Taler weder zu einem standesgemäßen Leben noch zur Realisierung der Muskauer Parkprojekte. Einen Tag nach seinem 38. Geburtstag bot die »Schnucke«, sie war mittlerweile seine gute Freundin und Seelenverwandte, ihrem »Lou« die Scheidung an. Er willigte pro forma ein und versprach ein Weib zu finden, mit deren Geld sich die Pläne weiterführen ließen.

Der Vortragende Klaus-Werner Haupt im Kromlauer Park Foto: privat

Aber warum gerade England? Während man auf dem Kontinent noch über den Abbau der Zollschranken stritt, erlebte der Inselstaat einen beispiellosen Wirtschaftsboom. Blaublütige  Glücksjäger kamen, um mit der Tochter eines vermögenden Geschäftsmannes auf den Kontinent zurückzukehren. Aus bestimmten Gründen wurde Fürst Pückler nicht fündig, aber er verlor sein Herz an die Sängerin Henriette Sonntag. Obwohl die »göttliche Jette« unlösbar an einen anderen Mann gebunden war, hielt Pückler ihr Andenken Zeit seines Lebens in Ehren. Die vergoldete Büste in der Branitzer Rosenlaube zeugt davon. Weshalb der Fürst London fluchtartig verlassen musste und wie nachhaltig die Anregungen waren, die er von Insel mit nach Hause brachte, verrät Klaus-Werner Haupt in seinem Buch „London kommt!“ Bevor London geht, war er selbst auf Fontanes Spuren in der britischen Hauptstadt unterwegs.

So viel sei bereits verraten: Aus der Brautschau wurde eine Parkschau. Und die Vielzahl der an Lucie adressierten Briefe brachte das Fürstenpaar auf eine geniale Idee: Sie sollten unter einem Pseudonym veröffentlicht werden. Dies erwies sich als ein Zug aus dem Glückstopf, denn die Tantiemen für die „Briefe eines Verstorbenen“ ließen die Geldsorgen vorübergehend vergessen. Schon bald erschien die Übersetzung ins Englische. Die Neugier des »German Prince« und zahlreiche pikante Details versetzten die fashionable Welt in Unruhe. Nun sollte der anonyme Autor selbst zur Zielscheibe  des Spotts werden. In seinen „Pickwick Papers“ kreierte Charles Dickens den wenig schmeichelhaften Charakter des Grafen Smorltork. Der Fremde glaubt, in kurzer Zeit möglichst viel über Land und Leute erfahren zu können, schnappt dabei manches falsch auf und hält es auch so in seinem Portefeuille fest. Als Theodor Fontane 1852 nach London kam, war Charles Dickens bereits eine Berühmtheit. Der Journalist, sich seines Talents als Schriftsteller kaum bewusst, wagte nicht, sich dem erfolgreichen Romancier vorzustellen.

Das erste Mal reiste Fontane als Tourist nach England. Sein Gönner hieß Hermann – nicht Pückler, sondern Hermann Scherz. Dieser wollte den Schulfreund aufgrund seiner guten Englischkenntnisse bei sich haben. Zurück in Berlin verarbeitete Fontane seine Eindrücke lyrisch. Die Ballade „Der Tower-Brand“, vorgetragen im Sonntagsverein »Tunnel über der Spree« bewirkte tobenden Beifall. Und immer häufiger stellte sich nun die Frage: Sollte er die Apothekerwaage gegen die Schreibfeder eintauschen? An eine eigene „Giftbude“ war nämlich nicht zu denken. Eine befristete Beschäftigung im Diakonissen-Krankenhaus Bethanien, Kreuzberg bot ausreichend Zeit für literarische Arbeiten.

Kaum 30-jährig entschloss sich Fontane, sein Leben „auf den Vers zu stellen“. Das war so ziemlich das Tollste, was man sich vorstellen kann! Glaubte er wirklich, von gelegentlichen Aufträgen und geliehenem Geld leben zu können? Der Kammergerichtsrat Wilhelm von Merckel, der wenig auf Standesunterschiede und Bildungsgrade gab, verschaffte seinem Tunnelfreund eine Stelle im sogenannten Literarischen Kabinett. Endlich ging es bergauf. „Wenn’s dir passt im Oktober Hochzeit!“, telegrafierte Theodor seiner Verlobten Emilie. Es passte. Wenig später wurde das Literarische Kabinett aufgelöst, Fontane erhielt die Kündigung. Das Ehepaar machte aus der Not eine Tugend und eröffnete eine Schülerpension. Bald wurde die wenig lukrative Geschäftsidee wieder aufgegeben, Fontane kehrte ins konservative Lager zurück. Er nahm bezahlten Urlaub und reiste ein zweites Mal nach England, diesmal als Privatmann. Seine gesammelten Aufsätze erschienen unter dem Titel „Ein Sommer in London“.

Wer wissen möchte, was Fontane ein drittes Mal nach England trieb, wo die Idee zu den „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ geboren wurde, wie sich der Journalist zum Kunstliebhaber entwickelte oder welche Denkmale er unserem Fürsten Pückler setzte, dem sei am 20. November der Bildvortrag von Klaus-Werner Haupt empfohlen. In gemütlicher Salonatmosphäre der Carl-Blechen-Galerie, Besucherzentrum Park und Schloss Branitz werden Sie erleben: Ein 200 Jahre alter Dichter kann durchaus zur Erheiterung beitragen.

LB

Info:

Klaus-Werner Haupt präsentiert 

„London kommt! Pückler und Fontane in England“

  1. November | 18:30 Uhr

Besucherzentrum Park und Schloss Branitz | Tel.: 0355 75150

info@pueckler-museum.de

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