hermann- und radioeins-Filmkritiker berichten vom 27. FilmFestival Cottbus

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„The Erlprince“ – wenn deutsche Ballade auf polnischen Film trifft

Ich habe den ersten Tag des Filmfestivals „hinter mir“ und kann nur sagen – Cottbus blüht auf! Würde man sich in seiner Wohnung einschließen, würde man natürlich nichts von diesem Gefühl mitbekommen, doch ist man aktiv in der Stadt unterwegs und besucht die Filme, wird das große Interesse der Bewohner erst einmal deutlich spürbar. Ich habe mich heute an 3 Filme gewagt und war außerdem noch für eine halbe Stunde im historischen Weltspiegel, um Knut Elstermann bei seiner Sendung „Wie weltoffen ist Cottbus?“ über die Schulter zu schauen.

Während die anderen zwei Filme heute sehr beeindruckend waren, werde ich meinen Fokus auf den Film „The Erlprince“ von Kuba Czekaj legen. Dieser wurde in der U18 Kategorie, also meinem Schwerpunkt, um 17 Uhr im Gladhouse ausgestrahlt. Der Saal war gut besucht und die Leute saßen gespannt mit einer Tasse Kaffee oder etwas Popcorn auf ihren Stühlen, um den Abend entspannt beginnen zu lassen.

Trotz der „Warnung“ des Anmoderierenden, dass diese Vorstellung weit über die Grenzen des üblichen Films hinausgehen würde, bin ich sowohl verwirrt als auch erfüllt aus dem Saal gegangen. „The Erlprince“ ist definitiv ein Film, bei dem man sich konzentrieren, und auch mal über die eigene Weltanschauung springen muss. Handeln tut der Streifen vom fünfzehn jährigen Sohn, der mit seiner obsessiv-kontrollierenden Mutter und der später hinzugeholten Vaterfigur in einem unbestimmten Ort in Polen aufwächst. Keiner der Darsteller wird dem Zuschauer jemals mit einem Namen vorgestellt, selbst der Abspann bezeichnet die Figuren nur als Jungen, Mutter und Mann. Der Film ist ein Geflecht aus der Traumvorstellung des Jungen und der Realität. Er hat die Theorie, dass unsere Welt aus mehreren Parallelwelten bestehen muss. In der Realität steht die Welt 10 Tage vor dem Untergang. Dieser Countdown wird auch mehrmals im Film aufgegriffen.

Seinem Titel wird der Film durch die konstante Einflechtung des Gedichtes „Der Erlkönig“ von Goethe gerecht. Diese Ballade begleitet den Jungen durch den ganzen Film und zeigt wahrscheinlich, dass er wie der Sohn im Gedicht nicht der fortschreitenden Zeit entkommen kann. Die Beziehung zwischen Mutter und Sohn wird sehr widersprüchlich, sogar etwas sexuell, aber auch nachvollziehbar dargestellt. Der Teenager ist ein Physikgenie, seine Sozialkompetenzen bleiben aber total auf der Strecke. Seine Mutter arbeitet als Babysitterin, was ihn eifersüchtig macht, aber er möchte komischerweise auch weniger Aufmerksamkeit von ihr bekommen. Nach etwa der Hälfte des Films wird der vermeintliche Vater vorgestellt. Er bringt den Jungen dazu, von den Zwängen seiner Mutter ein wenig freizukommen. Der Mann arbeitet auf einer Art Wolfsfarm, was mich bis jetzt noch verwirrt. Manche Szenen haben sicherlich eine große Bedeutung, wie das Verspeisen eines Rehherzens, aber man kann bei so einem Art Piece nur wenige Minuten komplett nachvollziehen.

„The Erlprince“ hatte eine tolle Filmmusik und geniale Kinematografie, aber für mich war es oft schwer, die Halluzinationen des Jungen von dem eigentlichen Geschehen trennen zu können. Es war auf jeden Fall eine gute Repräsentation des Verlassens der geborgenen Kindheit hinein in eine „parallele Welt“, in der alles noch unentdeckt ist.

Dies ist einer dieser Filme, die man nicht beschreiben kann. Man muss ihn in seiner bizarren, aber schönen Weise einfach selber gesehen haben.

Ich bin auf den Rest der Woche sehr gespannt!
Marie Bernards

Bild: Aufmerksam in der radioeins-Filmlounge im Cottbuser Weltspiegel, Filmkritikerin Marie Bernards (– wer sie nicht gleich entdeckt, im Bild rechts oben). Foto: TSPV

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