Initiative „Stadtpromenade für alle“ holt Treuhandausstellung nach Cottbus

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Über die Brachfläche zwischen Blechen-Carré und Stadthalle ist schon viel gesagt und geschrieben worden. Zuletzt wurde bekannt gegeben, im ersten Quartal 2020 solle Bewegung in das seit Jahren verschobene Bauvorhaben kommen. Ankündigungen dieser Art haben die Cottbuser aber schon häufig gehört und vergeblich auf ihre Umsetzung gewartet. Am 19. Dezember letzten Jahres sollte zudem auf einen Antrag der Partei DIE LINKE hin die Stadtverwaltung die aktuellen Pläne sowie die Details zu den wechselnden Eigentumsverhältnissen offenlegen. Das Ergebnis war ernüchternd. Die versprochene Klarheit über die Rechtmäßigkeit, Bedingungen und Erlöse der Verkäufe blieb aus.

Den Frust darüber, dass die Innenstadt schon so lange verkommt, teilen sich viele Akteure in Cottbus. Mehrere Parteien haben sich schon in der einen oder andere Weise über die Brache empört. Eine neue Bürgerinitiative mit dem Namen „Stadtpromenade für alle“ widmet dem Problemkind Stadtpromenade nun sogar ihre volle Aufmerksamkeit. Die klare Forderung lautet: Rekommunalisierung der Brachfläche. Ähnlich fundamental fällt das Konzept zum Wiederaufbau des Geländes aus. Die Gestaltung soll gemäß Vorschlägen aus der Bevölkerung erfolgen und Angebote für alle Bevölkerungsschichten enthalten, ein Zentrum der Gemeinschaft werden. Ein Bürgergremium soll dabei sicherstellen, dass das Zentrum auch in Zukunft vor einem erneuten Verkauf geschützt und für alle Cottbuser nutzbar bleibt. Selbst bezeichnet die Initiative dieses Konzept als konsequenten Gegenentwurf zur Privatisierung der Innenstadt, die den aktuellen Zustand erst verursacht habe.

Begründet werden diese weitreichenden Forderungen mit dem Anspruch, für die Folgen der Privatisierung durch die Treuhand – zu denen auch der Abriss großer Teile der ehemaligen Stadtpromenade gezählt wird – eine Entschädigung zu verdienen.

Passend zu diesem Narrativ wird „Stadtpromenade für alle“ in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung vom 20. bis 25. März die Ausstellung „Schicksal Treuhand – Treuhand-Schicksale“, welche sich mit den Folgen der massenhaften Betriebsschließungen durch die Treuhand beschäftigt, in der Bühne 8 zeigen.

Anhand persönlicher Schilderungen betroffener Zeitzeugen werden dort die sozialen Verwerfungen während und nach der Wendezeit thematisiert, die von einem Großteil der Bevölkerung als schiere Demütigung empfunden wurden. Die Abwertung und Demontage produktiver, vormals volkseigener Betriebe resultierte in flächendeckenden Arbeitsplatzverlusten und Frust. Die damit verbundenen biografischen Brüche wurden begleitet von existenziellen Sorgen und der Angst, sich im neuen, von Konkurrenz geprägten System zurechtfinden zu müssen. Das rücksichtslose Vorgehen der Treuhand stellt für viele die erste intensivere Erfahrung als neue Staatsbürger dar. Dieser bittere Vorgeschmack nährte häufig eine tiefgreifende Skepsis gegenüber den gepredigten Heilsversprechen aus dem Westen. Bis heute sind die mit der Wendezeit verbundenen Widrigkeiten tief im Bewusstsein der ehemaligen DDR-Bürgerinnen und Bürger verankert – nicht zuletzt durch den unbefriedigenden öffentlichen Umgang mit dieser Thematik. Auf politischer Ebene manifestiert sich dies vorrangig in der Verweigerung eines offenen Diskurses. Aber auch im realen Alltagsleben sind die Folgen nach wie vor spürbar. Die Angleichung des Lebensstandards an das Westniveau hinsichtlich Einkommen, Infrastruktur und Aufstiegschancen wurde bis heute nicht vollends realisiert. Die wirtschaftliche Kluft zwischen Ost und West ist nach wie vor tief. Im Zusammenhang mit der fehlenden Aufarbeitung des Themas nährt dies zudem unangebrachte Ressentiments in den alten Bundesländern gegenüber dem Osten – Stichwort Länderfinanzausgleich – und trägt so zur Spaltung unserer Gesellschaft bei.

Die Wanderausstellung „Schicksal Treuhand – Treuhand-Schicksale“ soll nun einen Beitrag dazu leisten, diese schwerwiegende Problematik im öffentlichen Bewusstsein zu halten und zu verhindern, dass die Perspektiven der Betroffenen aus der Erinnerung getilgt werden. Historisch und politisch eingeordnet wird das Agieren der Treuhand dabei durch den Wirtschaftshistoriker Jörg Roesler, die Politiker Christa Luft, Hans Modrow und Bodo Ramelow sowie den DDR-Oppositionellen Bernd Gehrke.

Begleitend gibt es zudem ein vielgestaltiges Rahmenprogramm zu erleben: Am 20. März um 18:30 Uhr wird die Kultursoziologin Dr. Yana Milev passend zum Thema ihr neues Buch „Das Treuhandtrauma. Spätfolgen der Übernahme“ vorstellen. Am 21. März wird die Ausstellung von verschiedenen Liedermachern begleitet. Am 22. März um 16:00 Uhr wird es eine Lesung mit dem ehemaligen Staatstheater-Schauspieler Michael Becker geben. Schließlich wird am 25. März um 18:30 Uhr im Erzählsalon Betroffenen die Gelegenheit geboten, miteinander ins Gespräch zu kommen und sich über die gemachten Erfahrungen bezüglich der Treuhand-Problematik auszutauschen. Die Ausstellung wird meist unabhängig vom Start des Rahmenprogramms schon früher für Besucher geöffnet sein.

Für die Cottbuserinnen und Cottbuser sind die Folgen der Treuhand-Politik im Grunde tagtäglich am Beispiel der Brachfläche im Stadtzentrum erlebbar, denn auch ihr Verkauf wurde einst durch die Treuhand abgewickelt. Um dem eigenen Vorhaben Rechnung zu tragen, das Blatt diesbezüglich ganz zu wenden, wird es der Bürgerinitiative „Stadtpromenade für Alle“ nun gelingen müssen, den weit verbreiteten Frust über die Brache in ernsthafte Aktivität zu verwandeln.

 

PM / Pinchas Flemming

 

Info:

Schicksal Treuhand – Treuhand-Schicksale, 20. – 25. März, Bühne 8 e.V., Erich-Weinert-Str.2

https://www.rosalux.de/publikation/id/40866/schicksal-treuhand-treuhand-schicksale-2

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