Kinder trauern anders.

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Die Kinder- und Jugendtrauergruppe Lacrima (lat. „die Träne“) bei den Johannitern hilft Kindern und Jugendlichen dabei, den Verlust eines geliebten Menschen zu verarbeiten.

Wenn ein Familienmitglied stirbt, erschüttert das alle Hinterbliebenen, Kinder wie Eltern. Doch während die Trauer der Erwachsenen oft unübersehbar ist, reagieren Kinder auf ihre ganz eigene Weise. Das führt leicht zu Missverständnissen: „Kinder trauern definitiv anders als Erwachsene.“, erklärt Manja Bieder, die Lacrima-Koordinatorin.  „Eltern ist das nicht immer bewusst, deshalb hören wir hier in den Erstgesprächen oft: ‚Mein Kind trauert gar nicht.‘ Dabei ist es so: Je jünger die Kinder sind, desto eher sind sie ‚Pfützenhüpfer‘, das heißt, sie springen hinein in die Trauer und für kurze Zeit ist diese ganz präsent; da kommen dann alle Gefühle heraus, sei es Wut, Zorn, Traurigkeit und was die Gefühlspalette sonst noch bietet. Doch nach fünf bis zehn Minuten hüpft das Kind dann einfach wieder aus dieser Pfütze heraus und geht spielen. Da handeln Kinder sehr aus dem Bauch heraus. Manchmal zeigen Kinder auch einen Forscherdrang, der uns distanziert, ja kühl, vorkommen mag, doch das täuscht: Die Kinder wollen einfach begreifen, was passiert ist.

So ein Todesverständnis, wie wir Erwachsenen es haben – etwa, dass die verstorbene Person nie wiederkommt – das entwickelt sich selten vor dem elften oder zwölften Lebensjahr. Gerade jüngere Kinder haben auch oft magische Gedanken, beispielsweise hat sich meine kleine Tochter ausgedacht, dass die tote Babykatze mit dem Sternenflugzeug abgeholt worden ist.

Jugendliche hingegen erfassen die Endgültigkeit des Todes und ringen dann mit existenziellen Fragen.“   

Doch auch, wenn ein Kind unbeschwert erscheint, braucht es Unterstützung bei der Trauerarbeit. Und hier kommt Lacrima ins Spiel. Die Johanniter Unfallhilfe e. V. Südbrandenburg bietet Trauergruppen in Finsterwalde, Cottbus und Senftenberg an, eine weitere Gruppe soll in Lübben entstehen.

 Zehn Ehrenamtliche helfen Frau Bieder dabei, die Lacrima-Treffen vorzubereiten und stehen den trauernden Kindern und Jugendlichen zur Seite.

Wie läuft so ein Treffen eigentlich ab?

Wenn die Pandemiesituation es erlaubt, trifft sich die Gruppe alle 14 Tage für jeweils zwei Stunden. Wir beginnen das Treffen mit dem Kerzenritual in unserem Gruppenraum. Dabei entzündet jedes Kind eine Kerze, entweder für die verstorbene Person oder auch für etwas, das im Alltag gerade im Vordergrund steht – etwa der Zoff mit der besten Freundin. Danach lesen wir gemeinsam die Gruppenregeln durch. Dazu gehört beispielsweise, dass man die anderen ausreden lässt und dass alle Gefühle erlaubt sind.

Und dann kommen wir kommen wir zum Hauptteil des Treffens. Wir verfolgen keinen therapeutischen Ansatz, sondern wir sehen die Trauer als etwas an, das zum Leben dazugehört. Unser Ziel ist es, den Kindern Impulse zu geben, Ideen, wie sie mit ihren Gefühlen umgehen können. Insbesondere bei jüngeren Kindern ist der kreative Zugang oft der einfachste Weg. Auch der Austausch untereinander ist wichtig. Viele Jugendliche haben einen großen Gesprächsbedarf.

2020 haben wir – auch pandemiebedingt – viel draußen gemacht. Beispielsweise haben wir im Johanniter-Garten Beete angelegt, die ein gebrochenes und ein intaktes Herz darstellen. Beide Herzen sollen durch Pflanzungen miteinander verbunden werden.

Im Sommer haben wir uns dann im Strombad getroffen und kleine, selbstgebaute Flöße schwimmen lassen. Wir hatten zuvor jeder Familie ein kleines Segel geschickt, auf das sie eine Botschaft für ihre Verstorbenen schreiben konnten, etwas, das sie ihnen gerne mit auf den Weg geben wollten. Dann haben wir die Flöße zu Wasser gelassen und die Spree hat diese Grüße sozusagen mitgenommen.

Nach dem Hauptteil können die Kinder dann noch etwas spielen – oder sie entspannen in unserem Snoozelraum. Und am Schluss treffen sich wieder alle im Gruppenraum, um das Treffen bei einem kleinen Snack ausklingen zu lassen. Dabei kann jedes Kind erzählen, wie es ihm in der Sitzung ergangen ist.

Bei Koordinatorin Manja Bieder und ihrem Team sind trauernde Kinder gut aufgehoben. Seit 2015 leitet die gelernte Krankenschwester den Kinder- und Jugend-Hospizdienst bei der Johanniter Unfallhilfe in Südbrandenburg.  Foto: JB

Was macht jemand, der oder die bei Lacrima mithelfen möchte?

Wer Interesse hat, kann mich einfach anrufen. In der Regel gibt es dann ein Erstgespräch, bei dem wir einander kennenlernen und auch mögliche Vorurteile aus dem Weg schaffen. Denn erfahrungsgemäß denken viele, dass die Kinder hier ganz blass sitzen, mit rotgeheulten Augen, und dass die Gruppentreffen eine tieftraurige Angelegenheit sind. Dabei sind wir eigentlich eine recht lustige Truppe. Im Erstgespräch erkläre ich, wie die Arbeit aussieht – und viele beschließen daraufhin spontan: Ja, ich mach mit. 

Wer mithelfen möchte, sollte mit sich und der eigenen Lebensgeschichte im Reinen sein. Zeitlich muss es auch passen, die Treffen finden ja nachmittags statt. Und wer selbst einen akuten Trauerfall verarbeitet, tut gut daran, etwa ein Jahr zu warten.

Besondere pädagogische Vorkenntnisse sind nicht notwendig. Viel wichtiger ist uns, dass das Herz am rechten Fleck ist – und nicht zuletzt sollte man natürlich Lust haben, mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten. Lacrima hat eine eigene Ausbildung für Ehrenamtliche in der Trauerbegleitung. Dabei geht es um Fragen wie: Was ist überhaupt Trauer? Wie trauern Kinder? Es gibt Lerneinheiten zu Themen wie Kommunikation und Gruppendynamik und wir sprechen auch über rechtliche Aspekte. Der Kurs erstreckt sich über vier Wochenenden.

Außerdem stellen wir den Johanniter Unfallhilfe e. V. vor, denn ich finde es ganz wichtig, dass unsere Ehrenamtlichen den Träger kennenlernen.

Wie wirkt sich Covid19 auf Ihre Arbeit aus?

Wir müssen schauen, wie sich die Pandemiesituation entwickelt. Die bricht uns zurzeit ein wenig die Beine, es ist schier unmöglich, lange vorauszuplanen. Derzeit biete ich vor allem Einzelbetreuungen an.

Jasper Backer

 

 

 

 

 

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