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„Jeder Mensch ist ein tiefes Geheimnis”

Was für ein Roman, dieses neue Buch des Spaniers Javier Marias! „Berta Isla” (S. Fischer, 654 Seiten, 26 EUR) geht unter die Haut und durch Mark und Bein, und man kommt davon nicht los. Das liegt auch daran, dass das Werk mehrere Genres in sich vereint und tief verzahnt: Er ist Ehe- und Liebesroman, Spionagethriller mit Horrorelementen und Anflügen von Gesellschaftsroman. Tomas Nevinson liebt von früher Jugend an die schöne Berta Isla. Er ist halb Engländer, halb Spanier, sie Spanierin. Als geniales Sprachtalent geht er zum Studium nach Oxford. Dort stellt ihm der Geheimdienst, weil der diese Zunge dringend braucht, eine impertinente Falle. Tomas wird ein Mord angehängt, den er nicht begangen hat, und er kommt aus der Nummer nur heraus, indem er sich dem Geheimdienst verpflichtet. Seine Ehe mit Berta steht unter diesem ungünstigen Stern, leidet unter der Sprachlosigkeit des Geheimnisträgers und unberechenbar langer Missionen sowie der philosophiert, erinnert und zitiert. Außer der Unsicherheit unserer Welt und Zeit geht es ihm immer wieder um die Identität des Menschen. Er bekräftigt Charles Dickens‘ Feststellung: „Jeder Mensch ist ein tiefes Geheimnis.”

Tiefe Geheimnisse hat auch Adam in Ian McEwans Roman „Maschinen wie ich” (Diogenes, 416 Seiten, 25 EUR). Aber es sind nicht die eines Menschen – Adam ist einer der ersten Androiden, ein Roboter, künstliche Intelligenz also. Der englische Schriftsteller spielt spannend und humorvoll durch, was der Mensch von einem Roboter zu erwarten und zu befürchten hat. Ist es möglich, dass sich Adam in die schöne Miranda, die Partnerin des Menschen Charly, verliebt und intime Beziehungen mit ihr eingeht? Überhaupt: Haben Roboter Gefühle, und wie selbstständig. Wenn Charly von seinem „Laptop auf zwei Beinen” spricht ist das gewiss untertrieben. Aber auch Adam hat seine Probleme mit den Menschen. Deswegen trägt der Roman auch einen Langtitel „… und Menschen wie ihr”.

Vor meinen Augen hat mir Wolf Biermann sein neues Buch „Barbara” (Ullstein, 284 Seiten, 20 EUR) gewidmet und signiert. Das Sensationelle: Es geschah in Spiegelschrift. Das hat was von einem Symbol; denn dieser Band mit „Liebesnovellen und anderen Raubtiergeschichten” ist so etwas wie die Spiegelschrift zu seiner 2016 erschienenen Autobiografie „Warte nicht auf bessere Zeiten”. Mit Humor, Ironie, Sarkasmus zeichnet er Zeiterscheinungen nach. Mit leichter Feder, frisch und frivol. ER ist ein arger Schwerenöter, Schürzenjäger und Schlitzohr, der das aber auch gut lesbar zu formulieren vermag. Auch diese Geschichten setzen berühmten Zeitgenossen Denkmäler.

In Amerika ist alles möglich. Das glaubt der Deutsche Karl aus dem Rheinland, der eine Lehrtätigkeit in den USA aufgenommen hat. Er hat Stella kennengelernt, die offenbar der irdischen Schwerkraft trotzt und der Levitation frönt. Eine seltsame, anziehende Frau, die noch viel mehr kann. Es begegnet ihr, wer den Roman „Missouri” (Aufbau, 284 Seiten, 22 EUR) liest, eine reizvolle Lektüre; denn es bleibt nicht bei der Liaison zwischen Karl und Stella, weil Karl Stellas Mutter rettungslos verfällt. Die Liebesgeschichte ist interessant unterfüttert von Gedanken zur Entwicklung im Nachwendedeutschland und Gedanken zu unterschiedlichen Lebensweisen.

Klaus Wilke

 

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